Fragen zum Menschsein und zum Menschwerden

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Monika Weber, ehemalige Stadt- und Ständerätin, erzählte auf Einladung des Frauenvereins Zürich 5 vom Leben der Philosophin Jeanne Hersch. Deren Werke zum Menschsein, zur Demokratie und anderen Themen haben noch Aktualität.

Monika Weber, ehemalige Stadt- und Ständerätin, erzählte auf Einladung des Frauenvereins Zürich 5 vom Leben der Philosophin Jeanne Hersch. Deren Werke zum Menschsein, zur Demokratie und anderen Themen haben noch Aktualität. 

Pia Meier

Der Frauenverein Zürich 5 Industriequartier (FV5) feiert in diesem Jahr sein 120-jähriges Bestehen. Ein Grund für ein besonderes Programm mit Regierungsrätin Carmen Walker Späh, Alt-Stadträtin Monika Stocker und Alt-Stadträtin Monika Weber.

Letztere ging an einem gut besuchten Nachmittag im Alterszentrum Limmat auf das Leben und Schaffen der Genfer Philosophin Jeanne Hersch (1910–2000), Pädagogin, Schriftstellerin und erste Philosophieprofessorin der Schweiz, ein. Diese war über die Schweizer Grenzen hinaus bekannt. Ihre Begegnung mit dem Existenzphilosophen Karl Jaspers 1932 in Heidelberg prägte ihr philosophisches Lebenswerk. «Sie hat Essays geschrieben und Vorträge zu Themen gehalten, die auch in der heutigen Zeit und wahrscheinlich sogar immer wieder ihre Aktualität haben: zum Menschsein, zur Freiheit und Verantwortung, über den Sinn für den Sinn, zu pädagogischen Fragen, zu Voraussetzungen für das Bestehen der Demokratie und für die Notwendigkeit des Einsatzes für die Menschenrechte», erläuterte Monika Weber. Sie selber ist Lizenziatin der Philosophie und Präsidentin der Jeanne Hersch-Gesellschaft.

Menschsein = Menschwerden

Jeanne Hersch wandte sich gegen die «kindzentrierte» Reformpädagogik, weil der Lehrer nicht der «copain» des Schülers sein könne. Der Lehrer wäre dann überflüssig, weil der Schüler lernen könnte, was er will, und nicht, was für ihn gut sei. «Erziehung aufzugeben, würde bedeuten, dass man es aufgibt, Mensch zu sein», zitierte Monika Weber Jeanne Hersch. Und weiter: «Die Jungen müssen revoltieren. Das ist völlig normal. Aber sie müssen etwas haben, wogegen sie revoltieren können. Wenn alles erlaubt ist, befinden sie sich im Nichts.»

Demokratie und Menschenrechte waren ein weiterer Schwerpunkt von Jeanne Hersch. «Ich glaube, dass die Demokratie, so wie sie im Westen verstanden wird, die einzige Regierungsform ist, die jeder Person das Minimum an physischer und geistiger Sicherheit zu garantieren vermag, ohne die es weder Freiheit, noch Menschenwürde, noch Fortschritt gibt», so die Philosophin. «Die Wurzel der Demokratie liegt in den Menschenrechten. Und die Menschenrechte selbst haben ihre Wurzeln im Wesen des Menschen», zitierte Monika Weber.

Ihr Kampf für Freiheit und gegen die Ungerechtigkeit spiegelte sich in zahlreichen Büchern, Zeitungsartikeln und Vorträgen von Jeanne Hersch wieder. Ihre klare und einfach wirkende Sprache machte sie zur Bestsellerautorin und zur beliebten Gesprächspartnerin von bekannten Zeitgenossen. Sie hatte ein grosses Netzwerk. Jeanne Hersch wandte sich besonders gegen jede Form von doktrinärem und totalitärem Denken. Für den Erhalt des Rechtsstaats trat sie immer mit Entschiedenheit ein. «Die Erziehung zum Frieden beginnt mit der Höflichkeit und setzt sich fort durch die Treue; sie bemüht sich um Gerechtigkeit, lehrt Achtung vor den Gesetzen und bejaht die strengen Übungen, die das Recht verlangt.» So das Zitat von Monika Weber.

Frauenverein FV5

Der Frauenverein Zürich 5 FV5 wurde 1898 durch Emma Berta Brassel-Ritz, der Ehefrau des ersten Pfarrers an der Johanneskirche, gegründet. Sie konnte dafür 20 Frauen gewinnen. Die gut ausgebildeten und erfahrenen FHD und Rotkreuzhelferinnen hatten im Zweiten Weltkrieg im Limmatschulhaus die Flüchtlingsbetreuung im Kreis 5 organisiert. Der immer noch sehr aktive Verein ist erfolgreich in der ehrenamtlichen Freiwilligenarbeit tätig, so unter anderem für die Organisation der ehrenamtlichen Begleitung von Hochbetagten. Heutige Präsidentin ist seit 16 Jahren Annelies Matousek.

Der Musik- und Kulturverein feiert in diesem Jahr sein 100-Jahr-Jubiläum und der reformierte Kirchgemeindeverein sein 80-jähriges Bestehen. Zu diesem 300-Jahr-Jubiläum wurde gemeinsam eine Veranstaltungsserie organisiert. Im Herbst werden weitere Veranstaltungen durchgeführt. Präsidentin des Musik- und Kulturvereins ist Annelies Blum, und Präsident des reformierten Kirchgemeindevereins ist Helmuth Werner, ebenfalls Präsident des Quartiervereins Zürich 5. (pm.)