Im Alterthümer-Magazin in der Selnau kann man in die Welt früherer Zürcher Bau- und Wohnkultur abtauchen. Die Denkmalpflege zeigt hier gesammelte Objekte aus mehreren Jahrhunderten. Darunter Seltenes und Kurioses.
Lisa Maire
Fast exzentrisch mutet der Querschnitt durch die Zürcher Wohn- und Baukultur an: Holzbefeuerte Waschmaschinen, geblümte Toiletten, zierliche Lavabos, wasserspeiende Drachen, schicke Steh- und Hängeleuchten oder auch Kronleuchter aus böhmischem Glas und Elchgeweih sind hier versammelt. Sogar ein 140-jähriger Medizinschrank samt Nasendusche lässt sich inspizieren.
Im Fokus der jährlich wechselnden, stets adrett präsentierten Ausstellungen im Alterthümer-Magazin stehen aber vor allem auch verschiedenartigste Bauteile, die vor der Mulde gerettet wurden und nun auf eine zweite Chance warten. Seien es Dachziegel oder Stallbodenplatten, Kachelöfen oder Parkettböden, Glasbausteine oder Türblätter, Wandverkleidungen oder bleiverglaste Fenster. Auch mit handgeschmiedeten Nägeln, Pressblechen oder Keramiklichtschaltern kann die Denkmalpflege dienen. Oder mit Laternenkandelabern und geschmiedeten, teils vergoldeten Gartenzaunspitzen.
Begehrte Kachelöfen
Viel Altgedientes aus dem Bauteillager findet seine Abnehmer. An der Führung freut sich Denkmalpflegerin Sandrine Keck besonders, weil gerade das wunderschöne Tafelparkett, das vor über 30 Jahren aus dem Haus Zur Trülle an der Bahnhofstrasse herausgerissen und zerlegt eingelagert wurde, nun in der altehrwürdigen Rüschliker Villa Mazzucchi zu neuem Glanz erstrahlen soll. Auch der imposante Züri-Leu von Urs Eggenschwyler, eine 120 Jahre alte, 400 Kilogramm schwere Original-Gipsfigur, ist nach langen Jahren aus der Obhut der Denkmalpflege entschwunden: Das Schwergewicht hat unlängst einen neuen Ehrenplatz im Landesmuseum erhalten.
Eher ein Ladenhüter-Schicksal könnte hingegen einem anderen monströsen Objekt beschieden sein: dem viereinhalb Meter hohen neugotischen Marienaltar aus der katholischen Kirche Adliswil, der vor 40 Jahren einer Restaurierung zum Opfer fiel, von Privaten gerettet und schliesslich der Denkmalpflege gestiftet wurde. Auch die Wiederbelebungschance für die hundertjährige Messing-Münzdrehscheibe aus dem Bahnhof Wiedikon oder die 250 Jahre alten Sitzplatztäfelchen aus der reformierten Kirche Männedorf dürfte nicht riesig sein. Ganz im Gegensatz zu den Kronleuchtern aus verschiedenen Jahrhunderten, die in der Sammlung von der Decke herunter- funkeln: «Die gehen weg wie warme Weggli», weiss die Denkmalpflegerin.
Auch die beiden letzten Hafner im Kanton Zürich haben alle Hände voll zu tun. Denn offenbar laufen bei den Besitzerinnen und Besitzern denkmalgeschützter Häuser neben Türbeschlägen, Holzherden und Biberschwanzziegeln vor allem auch bäuerliche Kachelöfen ganz gut. Die Kacheln, Füsse, Leisten, Obersimse der fachmännisch zerlegten Öfen sind – quasi als Bausatz – in verschiedensten Farben, Formen und Materialien zu haben.
Insgesamt umfasst die Ausstellung 80 Objektposten. Als besonderes Juwel kommt dazu eine schweizweit einmalige Tapetensammlung: Über 1400 restaurierte Tapetenmotive lassen sich hier begutachten, dazu dicke Musterbücher durchblättern.
Kein Museum und kein Brocki
Das 2011 eröffnete AlterthümerMagazin ist kein Museum, sondern eine Studiensammlung. Die Objekte, die hier gezeigt werden, stammen fast alle aus dem Bauteillager der kantonalen und städtischen Denkmalpflege. Dort, in einer riesigen Halle beim Bahnhof Stettbach, lagern insgesamt an die 20 000 Sammelstücke – Bauteile und Einrichtungsgegenstände, die bei Hausabbrüchen oder Renovierungen geborgen wurden.
Gesammelt wird mit dem Ziel Recycling: Was in einem Haus seine Funktion verloren hat, soll möglichst in einem anderen neue Verwendung finden. Die Objekte sind zu moderaten Preisen, manchmal sogar gratis zu haben. Auf Einkaufstour gehen können im Stettbacher Bauteillager allerdings nur die Besitzerinnen und Besitzer der zurzeit gut 4500 denkmalgeschützten Häuser im Kanton Zürich (1,3 Prozent aller Liegenschaften).
Im Alterthümer-Magazin hingegen kann auch die breite Öffentlichkeit spannende Einblicke in die frühere Zürcher Bau- und Wohnkultur gewinnen. In kuratierten Ausstellungen kommen hier besonders schöne, seltene oder kuriose Objekte aus dem Fundus zu Ehren. Bei den Führungen durch die unterirdischen Räume des Magazins können Interessierte mehr über diese Objekte erfahren. Was ist ein Zürichziegel? Was eine Mettlacher Platte? Zum Teil ausführliche Beschreibungen der gesammelten Schätze, ihrer Geschichte und ihrer speziellen Herstellungstechnik finden sich auch in den jeweiligen Ausstellungskatalogen.
Alterthümer-Magazin, Sihlamtstrasse 4, beim Bahnhof Selnau. Die Ausstellung kann nur im Rahmen einer Führung jeden ersten Mittwoch und Samstag im Monat besucht werden. Nächste Führungen: Sa, 1. Februar, 14 Uhr und Mi, 5. Februar, 18.30 Uhr. www.denkmalpflege.zh.ch