In Sachen Zivilluftfahrt scheinen sich die Ereignisse zu überstürzen. Ende August legte das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) den Sachplan Infrastruktur (Sil) mit den Eckpfeilern zur nationalen Luftfahrtpolitik vor. Bis zum 4. September hatten Bewohner, Gemeinden und Interessensorganisationen Zeit, um eine Stellungnahme abzugeben. Die Gemeinden Küsnacht, Zumikon, Erlenbach, sowie das Bürgerforum Küsnacht (BFK) in Koordination mit dem Verein Flugschneise Süd Neinhaben eine grundlegende Überarbeitung des Sachplans gefordert (wir berichteten).
Vor wenigen Tagen hat das Bazl nun auch das Betriebsreglement 2017 des Flughafens Zürich vorgelegt. Darin setzt der Flughafen eine Reihe von Massnahmen aus dem SIL um. Dazu gehören insbesondere die Entflechtung der Abflugrouten im Westen des Flughafens, das neue Bisenkonzept mit Starts in Richtung Süden geradeaus sowie die erweiterte Linkskurve bei Starts von der Piste 16 in Richtung Westen. Diese Änderungen der Flugrouten -nebst den bisherigen Süd-Anflügen-führen zu zusätzlichen Flugbewegungen im tieferen Luftraum, so dass auch über der Zürichsee-/Forchregion mit einem zusätzlichen Flugverkehrsaufkommen und zusätzlichen Lärmimmissionen zu rechnen ist.
Rechtswidrige Standortwahl
Das Fluglärmforum Süd ortet im jetzt beantragten Betriebsreglement 2017 verschiedene «schwerwiegende Mängel» und fordert einen Verfahrensstopp. Die Südabflüge geradeaus würden 51 000Menschen zusätzlich «starkem Lärm» aussetzen und seien mit Blick auf die Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner im dicht besiedelten Gebiet nicht vertretbar, wie es in einer Mitteilung heisst. Betreffend letzterem Aspekt verweist das Forum auf die topografischen Hindernisse. Nach aktuellem Planungsstand führt die geplante Route entlang der höchsten Erhebungen im Süden: Zürichberg – Adlisberg – Pfannenstiel. Richtung Süden startende Flugzeuge müssten innerhalb von wenigen Kilometern über 400 Meter mehr an Höhe gewinnen als bei den bisherigen Startrouten. Dem Forum ist es unverständlich, warum überhaupt eine solche Routenwahl vorgeschlagen wird. Weiter wird im Bericht festgehalten: «Gemäss Umweltschutzgesetz verletzen die Anpassung der Flugrouten und die Südstarts geradeaus das Grundprinzip der geeigneten Standortwahl.» Ganz konkret vermisst das Forum im Betriebsreglement eine Untersuchung der Absturzrisiken unter Berücksichtigung der Bevölkerungsdichte am Boden. Vizepräsident Roland Humm bringt es auf den Punkt: «Südstarts geradeaus dienen in erster Linie der Kapazitätserhöhung.» Dem BAZL gehe es doch darum, auf dem Rücken der Bevölkerung den Süden nicht nur für Anflüge, sondern auch für Abflüge zu öffnen.
Letzte Chance aufzuwachen
Etwas allgemeiner drückt sich der Zumiker Gemeinderat in seiner Einsprache aus. Doch auch er erachtet das nun vorliegende Betriebsreglement als nicht genehmigungsfähig. Speziell über dem Zumiker Gemeindegebiet, so hält die Behörde fest, würden Südstarts geradeaus zu einer «erheblichen zusätzlichen Lärmbelastung» führen.
Auch über dem Küsnachter Himmel dürfte definitiv Schluss mit der Ruhe sein, befürchtet Peter Ritter vom Bürgerforum. Die Küsnachter Organisation ruft demnach alle Bewohner auf, sich an dieser Einsprache zu beteiligen. «Es ist 5 vor 12 und das ist die letzte Chance aufzuwachen und sich zu wehren», bekräftigt Ritter.
Typische BAZL-Unart
Die Einsprachefrist läuft bereits in wenigen Tagen, am kommenden Dienstag, 2. Oktober, ab. Dieses knapp bemessene Zeitfenster stösst auf harsche Kritik. Das Fluglärmforum Süd taxiert das Vorgehen des BAZL als unzulässig, wie Vizepräsident Humm betont: Milizbehörden wie auch die betroffene Bevölkerung seien unter Zugzwang. Andere, notwendigen Anpassungen zu Gunsten der Bevölkerung hingegen, blieben über Jahre liegen. Als «typische BAZL-Unart» bezeichnet Peter Ritter vom Bürgerforum die kurz angesetzte Frist. Es sei nicht das erste Mal, dass das Bundesamt für Zivilluftfahrt eine Frist derart knapp oder zu einem derart schlechten Zeitpunkt angesetzt habe. «Damit will man sich Bern vielleicht vor zu vielen Einsprachen schützen», vermutet das BFK-Vorstandsmitglied.
Hinweis: Muster-Einsprachen für die Bevölkerung gibt es unter den folgenden Links: www.fluglaermforum.ch, www.zumikon.ch/de/politik/schwerpunktthemen/fluglaerm/ oder unter www.vfsn.ch/BR2017
