Green Curtain statt Betonfassade

Erstellt von Karin Steiner |
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Nicht nur grün reden, sondern auch grün handeln: Architekt Jürg Glarner geht mit gutem Beispiel voran und isoliert die Fassade seines Hauses mit einem Green Curtain. Dieser sorgt für ein gutes Raumklima und fördert die Biodiversität.

Das Projekt ist einmalig am rechten ­Zürichseeufer und sollte Schule machen – das hofft zumindest der Architekt und Bauherr Jürg Glarner. Er musste mit einigen Hindernissen kämpfen, um die ­Ostfassade seines Ersatzneubaus am ­Lärchenweg 4 mit einem Green Curtain versehen zu können. «Im Baugesetz des Kantons ist ein solches Projekt nicht vorgesehen», sagt er. «Deshalb wissen die ­Gemeinden nicht, wie sie beim Erteilen der Baubewilligung damit umgehen ­sollen.» Gemeinsam mit der Baubehörde von Küsnacht fand er schliesslich eine Lösung, wie der «Grüne Vorhang» baurechtlich zu behandeln ist, und mit Verspätung konnte das Projekt starten.

Blüten von Frühling bis Herbst

Die Ostfassade entlang und ein Stück um die Ecke steht bereits eine rund sechs ­Meter hohe und rund 25 Meter breite ­Gitterwand, an der sich in den nächsten Jahren verschiedene Kletterpflanzen emporranken werden. Letzten Donnerstag hat die Firma Bachmann und Rimens­berger aus Küsnacht die Pflanzen gesetzt. «Wir haben sie bereits auf eine gewisse Grösse hochgezogen», sagt Landschaftsarchitekt Michael Eberle. «Wir haben die Pflanzen so ausgewählt, dass sie zu unterschiedlichen Jahreszeiten blühen. In der ersten Zeit müssen sie beim Wachstum in den Gitterzaun eingefädelt werden, danach klettern sie selbstständig den Gitterzaun entlang hoch.»

Die Vielfalt an Pflanzen ist gross und reicht von Clematis, Pfeifenwinden und Akebien über Glizinien, Kletterrosen und Kletterhortensien bis zu immergrünem Efeu. Im Sommer werden sie aus in den Boden eingelegten Schläuchen mit ­Regenwasser bewässert, das in einem ­Regenwasserretentionstank im Boden gesammelt wird. «So brauchen wir keinen Tropfen Trinkwasser», so Jürg Glarner.

Als seine drei Kinder ausgezogen waren, wurde dem Architekten und seiner Frau das Einfamilienhaus hoch über dem Zürichsee zu gross. Also beschloss er, das Gebäude durch ein Haus mit drei Wohnungen zu ersetzen. Die oberste Wohnung wird das Ehepaar Glarner selber ­bewohnen, die anderen beiden Wohnungen werden vermietet. «Das ist unsere Pensionskasse», sagt er lachend.

Ein Nutzen für Mensch und Natur

Die Idee, die Fassade seines Hauses mit einen Green Curtain zu versehen, entstand schon vor ein paar Jahren. Seine Motivation war zum einen, die Aufwärmung des Gebäudes zu minimieren, zum anderen, einen Beitrag zur Förderung der Biodiversität zu leisten. «Die Pflanzen tragen wesentlich zu einem angenehmen Raumklima bei. Sie verhindern im Sommer eine zu starke Aufwärmung der ­Fassade und kühlen durch Verdunstungskälte die nahe Umgebung ab.»

Auch für die immer wichtiger werdende Biodiversität will Glarner ein ­Zeichen setzen. Die Pflanzen filtern Schadstoffe aus der Luft und bieten Heimat für etliche Tier- und Insektenarten, die wiederum zu einem Gleichgewicht in der Natur beitragen.

Auf dem Vorplatz vor seinem Haus zum Lärchenweg hin soll eine naturnahe Magerwiese entstehen. Von Hecken rund um das Grundstück und meterhohen Zäunen  hält Jürg Glarner gar nichts. «Mich stört es, dass die Leute sich in ihren Häusern einigeln und alles auf Distanz halten wollen. Gegen Einbrecher nützen auch solche Zäune nichts – da kann man locker darüberklettern.»

Dass ein Green Curtain nicht nur finanziell einen grösseren Aufwand bedeutet als eine gewöhnliche Fassade, nimmt Jürg Glarner gerne in Kauf. Auch wird er mehr Arbeit mit sich bringen, müssen doch die Pflanzen regelmässig zurück­geschnitten werden. Und im Herbst wird einiges an Laub anfallen. «Das macht mir nichts aus», schmunzelt der Architekt. «Wenn ich einen Baum gepflanzt hätte, müsste ich auch Laub rechen.»