Grosse Liebe zu kleinen Bäumchen

Erstellt von Jeannette Gerber |
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Nach 40 Jahren ziehen sich Elisabeth Gutmann und Werner Schudel aus dem Bonsai-Atelier Rieterpark zurück und arbeiten bald die Nachfolger ein.

Nach Aufenthalten in Japan und dem Studium der Japanologie an der Universität Zürich waren Elisabeth Gutmann und Werner Schudel fasziniert von japanischer Naturauffassung und Gartenkultur und gründeten 1980 ihr Bonsai-Atelier in einem Hinterhof im Irchel-Quartier. Ihre alljährliche Herbstausstellung im «Wassertempel» der Frauenbadi Stadthausquai fand grossen Anklang beim Publikum, sie wurde von bis zu 3000 Personen besucht.
Zur Villa Schönberg im Rieterpark gehört ein Garten als Entourage, der während 50 Jahren völlig unbenutzt und dem Verfall geweiht war. 1986 vermietete die Immo der Stadt Zürich das Gewächshaus, das im Winter als Warmhaus tropischer Pflanzen diente. Gutmann und Schudel, bereits zu dieser Zeit im Quartier ansässig, hatten Wind davon bekommen und interessierten sich für Garten, Gewächshaus und Orangerie an der Gablerstrasse 14. Sie setzten alles daran, das Ganze zu übernehmen. Die Gebäude und das Gelände, eine Brache, wurden ihnen telquel überlassen. Sieben Jahre kämpften sie, um aus diesem Gelände den heutigen Bonsai-Garten mit Orangerie zu gestalten. Das Glashaus war komplett verfallen, die beiden Türme in baufälligem Zustand und der Garten hatte einem wilden Birkenwäldchen Platz gemacht. Inzwischen existiert ihre Bonsai-Gartenanlage seit 26 Jahren und ist eine japanisch inspirierte Oase der Ruhe und Selbstreflexion. So sind einzelne Parzellen durch Paravents getrennt, die den Eindruck von imaginären Räumen vermitteln.

Freiwillige halfen mit

Selbst die Denkmalpflege lobte: «Ihr habt dieses Stück Land und die Bauten gerettet.» Das Ganze entstand nur dank des enormen persönlichen Einsatzes und finanziellen Aufwands der beiden. Doch Idealismus allein reichte nicht; ganz ohne Subventionen konnte das Projekt nur mit Hilfe von Freiwilligen bestehen. Brigitte Oppliger, die den Garten zufällig entdeckte, ist eine der Freiwilligen. Wann immer sie Zeit hat, widmet sie sich seit 15 Jahren dem Gartenunterhalt mit grosser Sachkenntnis.

Die Kunst des Gestaltens und Kultivierens der Bonsais war Werner Schudels Hauptaufgabe. Dazu kam die Instruktion der Kunden und ein Kursprogramm mit Angeboten zur Einführung ins Bonsai-Kultivieren und zur Weiterbildung. Auch werden Pflege- und Umtopfservice angeboten. Laut Schudel ist die Wahl des Gefässes von enormer Bedeutung: «Eine Schale muss passend zur Pflanze gewählt werden. Es ist vergleichbar mit der Wahl eines Bilderrahmens, der auch nicht vom Bild ablenken darf», erklärt er.

Seit 1988 realisierte Elisabeth Gutmann drei Dutzend Gartenanlagen für Kunden nach japanischen Gestaltungsprinzipien. Im Bonsai-Garten in der Orangerie bot das Paar jeweils im Sommer kulturelle Veranstaltungen aus den Bereichen Musik, Literatur, japanischer Tuschmalerei und Kalligrafie sowie japanischer Haiku-Dichtkunst an. Auch konnte die Anlage für Hochzeiten, Jubiläen, Konzerte und mehr gemietet werden.

Weiterhin Kurse

Nach 40 Jahren möchten sich Elisabeth Gutmann und Werner Schudel gesundheitshalber und altersbedingt langsam zurückziehen. Sie werden Servicearbeiten und Kurse weiterhin anbieten, haben für den Bonsai-Garten aber bereits Nachfolger einer jüngeren Generation gefunden. Diese seien sehr motiviert und würden sich unter Begleitung von Schudel als Experte schnell einarbeiten. Die Übernahme wird spätestens im Frühling 2021 vollzogen. Es handelt sich hierbei um ein Vermächtnis, das heisst: Das Paar verschenkt 40 Jahre Arbeit und Erfahrung. Um von Anhängern und Mitarbeitern Abschied zu nehmen, organisierten sie vom 17. bis 20. September ein Abschlussfest unter dem Titel «40 Jahre Bonsai-Atelier» als Rückblick und Dank mit künstlerischen Kostproben aus Musik, Tanz, Erzählung und Kalligrafie.

www.bonsai-atelier.ch