«Hochhäuser taugen nicht zum Verdichten»

Erstellt von Pia Meier |
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Der Quartierverein Kreis 5 lud zum Stammtisch mit dem Titel «Wie wohnen und verdichten?». Die anwesenden Redner waren sich einig:
Zum Verdichten braucht es keine Hochhäuser. Sie forderten verdichteten Flachbau.


Gemäss Prognosen leben bis 2040 rund 100 000 Personen mehr in der Stadt Zürich. Der Kreis 5 gehört zu den am dichtesten bebauten Quartieren der Schweiz. Trotzdem geht die Verdichtung weiter. Häufig wird das Hochhaus als geeignetes Mittel angeschaut. Doch ist das Hochhaus noch ökologisch und zeitgemäss? Was sind die Konsequenzen fürs Quartier­leben? Wie kann sich die Nachbarschaft einbringen? Horst Eisterer, Architekt und Mitglied der Arbeitsgruppe Städtebau und Architektur Zürich, erläuterte den recht zahlreich erschienenen Interessierten im L200 (ein gemeinschaftlich genutzter Raum an der Langstrasse 200) die Hochhausproblematik.

Eisterer vertritt die Meinung, dass Hochhäuser nicht notwendig sind zum Verdichten. Er begründete dies mit verschiedenen Aspekten. Hochhäuser würden zum Beispiel keine Begegnungen ­erlauben und Kinder hätten keinen Platz zum Spielen. Zudem werde eine Zwei- Klassen-Gesellschaft geschaffen, denn nur Reiche könnten es sich leisten, in Hochhäusern zu leben. Hochhäuser seien nämlich pro Quadratmeter Nutzfläche ­systembedingt wesentlich teurer, das heisst 20 bis 40 Prozent. «In der Stadt Zürich braucht es aber preisgünstige Wohnungen», so Eisterer.

Mehr graue Energie und CO2

Mit zunehmender Geschosszahl nehme zudem der Freiflächengewinn ab. Er zeigte den Anwesenden anhand eines Modells auf, dass die Freiflächengewinne mit der Geschosszahl exponentiell abnehmen. Auch würden nur vier Prozent der Bevölkerung gerne in Hochhäusern leben. Weiter sei der ökologische Fussabdruck von Hochhäusern grösser als die technisch viel anspruchslosere Flachbauweise, wenn alles berücksichtigt werde wie Erstellungsenergie, CO2-Belastung und Planungsaufwand. «Man muss den ganzen Werdegang eines Bauwerks berücksichtigen», betonte Eisterer. Der Bedarf an grauer Energie und der Ausstoss von Co2 seien deutlich höher als im Flachbau. Und nicht zuletzt würden Hochhäuser nicht ins Quartier passen. Sie seien städtebaulich ungenügend begründet. Allgemein würden Hochhäuser auch immer breiter. «Die Massstäblichkeit zur Umgebung fehlt», hielt Eisterer fest.

Städte wie Paris und Barcelona würden aufzeigen, dass es keine Hochhäuser brauche zum Verdichten. Ziel sei vielmehr verdichteter Flachbau. Der verdichtete Flachbau habe das notwendige Potenzial, zeigte sich Architekt Eisterer überzeugt.

Beispiele einer guten Verdichtung in der Stadt Zürich seien Brahmshof, ­Kappeli, Seebahnstrasse, Selnau und Tiefenbrunnen. Als Beispiele für schlechte Verdichtung nannte der Referent das ­Ensemble beim geplanten Fussballstadion und das Hochhaus Heinrichareal. An der Heinrichstrasse sei eine 450%-Ausnützung hinter dem Rücken des Quartiers vorgesehen, hielten Anwesende fest. Dort ist neben dem Viadukt bis 2027 ein 70 Meter hohes Hochhaus geplant. Für ihre Zustimmung zu den Hochhäusern erhalte dann die Bevölkerung sowohl beim Ensemble als auch beim Hochhaus Heinrichstrasse noch ein paar gemeinnützige Wohnungen, so Eisterer.

Einseitige Diskussion

Dies war der erste Stammtisch des Quartiervereins Kreis 5 im Jahr 2021. Er plant, dieses Format weiterzuführen, wie Präsident Alex Götz ausführte. «Wir wollen bei diesem Format kein Podium mit einem Pro und Kontra.» Die Idee sei, ein Thema zu definieren, einen Input zu geben und dann das offene Gespräch mit den Anwesenden zu suchen.
Allerdings war das Publikum beim Stammtisch «Wie wohnen und verdichten?» recht einseitig zusammengesetzt. Niemand von den Anwesenden äusserte sich klar pro Hochhäuser, was von einigen bedauert wurde. «Selbstverständlich nehmen wir diesen Kritikpunkt auf und wollen ihn für die Zukunft in irgendeiner Form einbringen», meint Präsident Alex Goetz. «Da wir auch Podien organisieren, möchten wir an der Idee eines zusätzlichen Stammtisches festhalten und weisen darauf hin, dass öffentlich eingeladen wird und alle – auch mit anderer ­Meinung – willkommen sind.»