«Wie hat die Corona-Krise Ihr Leben verändert?» Das fragte diese Zeitung Gewerbevertreterinnen und -vertreter quer durch die gesamte Branche.
Gut zwei Monate war die Stadt fast wie in einen Tiefschlaf versetzt. Menschen richteten sich im eigenen Zuhause ein, der Besuch von Freunden und Bekannten wurde zur Rarität. Das Gefühl von Freiheit lag gefühlt weit in der Vergangenheit. Dafür bereitete die Zukunft vielen Menschen berechtigte Sorgen, besonders jenen, die ein eigenes Geschäft haben. Dass die Corona-Krise für viele Geschäftsführer wirtschaftliche Konsequenzen trägt, liegt auf der Hand. Gegenüber der Lokalinfo äussern sich die angefragten Gewerbevertreterinnen und -vertreter unterschiedlich. Ein Fazit: Das Schlimmste könnte erst noch kommen.
«Eine andere Art zu arbeiten»
«Seit der Krise haben ich meine Mutter in Deutschland und meine Freunde nicht mehr gesehen und Umarmungen fallen natürlich auch weg. Ich glaube diese Situation erleben wir alle gleichermassen. Doch im Gegensatz zu anderen Branchen hat sich bei uns geschäftlich wenig verändert. Während der Freizeit haben nämlich einige Leute das Bedürfnis gehabt, in ihren Räumlichkeiten Änderungen vorzunehmen. Wände frisch neu streichen und dekorative Malarbeiten, als Maler bekommen wir weiterhin solche Aufträge und haben dementsprechend keine finanzielle Hilfe beansprucht. Trotzdem mache ich mir etwas Sorgen, denn was passiert, wenn die Leute aufgrund der Krise kein Geld mehr haben? Diese potenzielle Sparsamkeit ist ein Risiko, das viele Betriebe fürchten. Bei der Arbeit Masken und Handschuhe zu tragen, daran muss ich mich noch gewöhnen. Abgesehen davon ist mein beruflicher Alltag ähnlich wie vor der Krise geblieben.»
Andreas Neumann ist Geschäftsführer des Malergeschäfts David Schaub an der Limmattalsstrasse 220 in Zürich-Höngg. Der ehemalige Eigentümer David Schaub ist vor zwei Jahren verstorben. Der Nachfolger Andreas Neumann hat zusammen mit Schaubs Tochter Maya das Geschäft übernommen und führt es mit Schaubs Name weiter.
«Essen auf Distanz geniessen»
«Als Gastronomen müssen wir uns strikt an die restriktiven Massnahen des Bundes halten. Die Tische müssen zwei Meter voneinander getrennt sein, bei kleineren Räumlichkeiten sind Trennwände nötig und es muss alles doppelt desinfiziert werden. Ich denke, für die Verkaufsbranche ist die Ansteckungsgefahr genauso präsent, weil massenhaft Leute mit der Zwei-Meter-Abstand-Regel reingelassen werden und sich viele auch nicht an diese halten. Wir mussten innerhalb des Restaurants bis zu dreissig Plätze eliminieren. Diese Situation ist für uns Gastronomen extrem umständlich. Wir befürchten aufgrund der Krise keine volle Kundenanzahl mehr erreichen zu können. Glücklicherweise haben wir mit unserem Take-away und Lieferservice- Angebot einen kleinen Zufluchtsort während dieser schweren Zeit gefunden. Ich sehe aus dieser Situation keine positiven Aspekte und hoffe, dass diese so schnell wie möglich hinter uns liegt.»
Roland Bünter ist Geschäftsführer im währschaften Restaurant Waidhof an der Schwandenholzstrasse 160 in Zürich-Seebach. Das Restaurant hat täglich geöffnet.
«Quartierläden: Online-Auftrieb»
«Es ist erfrischend zu sehen, wie viel Freude ein Blumenstrauss bringen kann. Ich habe das Gefühl, die Leute schätzen unser Handwerk und unterstützen Quartierläden mehr als zuvor. Ich denke die Krise hat sowohl unsere Perspektive als auch die der Kunden verändert. Durch die temporäre Schliessung meines Blumengeschäfts ist mir aufgefallen, dass unsere Arbeit auch ohne Stress durchgeführt werden kann. Wir haben unsere Webseite aufgefrischt und unsere Onlinepräsenz durch Social-Media-Kanäle wie Instagram und Facebook verstärkt. Ich wollte den Leuten klarmachen, dass wir trotz der Schliessung auch einen Hauslieferdienst anbieten und sie zu unseren Blumen auch online Zugang haben. Wir haben mit dieser Serviceart Erfolg gehabt und werden dies auch weiterhin mit unseren Onlinekanälen zur Geltung bringen. Für die Zukunft wünsche ich mir genug Arbeit für alle meine Mitarbeiterinnen. Daher hoffe ich auf eine schnelle Erholung der Wirtschaft.»
Gabriela Schmid ist Geschäftsführerin des Blumenladens, Blumenhaus Nordheim an der Wehntalerstrasse 98 in Zürich-Oerlikon
«Corona schafft Misstrauen gegen die Regierung»
«Die Corona-Krise hat mich zur Hinterfragung der politischen Handlungen geführt. Ich habe interessante Studien gelesen, welche belegen: Ein Lockdown hat wenig Auswirkung auf die Ausbreitung von Infektionen. Der Kollateralschaden wird also grösser sein als die Pandemie selber, davon bin überzeugt. Das Misstrauen gegen die Regierung ist gewachsen und die Bilder und teilweise falsche Informationen der Mainstreammedien zum Thema Corona machen mich nachdenklich. Ich spüre ein Aufwachen der Gesellschaft, ein Hinterfragen, was wirklich hinter dieser Krise steckt. Ängste kenne ich nicht und habe auch keine Zukunftsängste. Ich werde aber bewusst in die kommende, möglicherweise schwierige Zeit treten.»
Rene F. Hertach ist Eigentümer einer Praxis für Zahnprothetik an der Leimbachstrasse 119 in Zürich- Leimbach.
«Angst vor zweiter Corona-Welle»
«Bereits vor der Zwangsschliessung meines Schuhgeschäfts durch den Bund habe ich bemerkt, wie die Strassen immer leerer geworden sind. Beruflich haben wir an dieser Krise gelitten und wir mussten vorübergehend das Personal reduzieren. Wir haben Kurzarbeit eingereicht, die vom Staat bewilligt wurde. Die Bestellungen, die via Mail eingetroffen sind, haben meinem Schuhgeschäft wenig geholfen. Der Umsatz, den wir im Laden erzielen, ist weitaus grösser und somit war der Onlineumsatz ausgesprochen klein. Jetzt haben wir seit zwei Wochen wieder geöffnet und erfreulicherweise läuft das Geschäft seither wieder bestens. Die Leute treten der Reihe nach in den Laden und halten sich gut an die Sicherheitsmassnahmen. Ich denke, die Kunden haben auch mehr Geduld und neigen dazu, lokale Geschäfte zu unterstützen. Ich hoffe schwer, dass uns keine zweite Welle heimsucht und dass wir gewohnt weiterarbeiten können.»
Lukas Kindlimann Geschäftsleiter des Schuhgeschäfts mit Schuhwerkstatt Schulthess Schuhe im Herzen von Zürich, am Rennweg 29.
«Kreativ umdenken ist wichtig»
«Ich bin sehr dankbar, dass wir, wenn auch unter erschwerten Bedingungen, immer arbeiten konnten. Inzwischen hat sich alles gut eingespielt und wir freuen uns über jede Möglichkeit, Kunden mit ihrem Garten glücklich zu machen. Gerade in dieser etwas angespannten Zeit, in der die Erholung im eigenen, schönen Garten so wichtig geworden ist. Persönlich habe ich die letzten Wochen genutzt, um die Steinmuster- Ausstellung auf dem Gelände von Reiss & Reber AG, an der Mühlackerstrasse, voranzubringen. Auch die Website steinspezialist. ch konnte ich online stellen. So kann ich nun meine Leidenschaft für Gartengestaltungen mit Natursteinen auch meinen Kunden vermitteln und hoffentlich neue Kunden begeistern und gewinnen. Dass ich neben der Arbeit auch mehr Zeit mit meiner Familie verbringen konnte, lässt mich trotz Krise positive Bilanz ziehen.»
Gartenspezialist Beat Reiss besitzt den Garten- und Landschaftsbaubetrieb Reiss & Reber an der Mühlackerstrasse 25 in Zürich-Affoltern.
«Ohne Kontakt geht’s nicht»
«Es war ein unerwarteter Schlag für mich. Ich musste von heute auf morgen mein Geschäft schliessen und auf mein Einkommen verzichten. Die versprochene Hilfe vom Staat habe ich bekommen, musste jedoch bis Mitte Mai auf die achtzig Prozent Kurzentschädigung und die Unterstützung für Selbstständige warten. Zurzeit kann nur mit Einschränkungen gearbeitet werden: Persönlicher Abstand ist für Coiffeure schwer einzuhalten, da der physische Kontakt beim Haareschneiden unvermeidbar ist. Aus diesem Grund besteht das Risiko von weniger Kundschaft und einem niedrigen Umsatz. Durch diese beschwerliche Krisensituation schätzen die Menschen vielleicht wieder die kleinen Freuden im Leben und nehmen nicht alles für selbstverständlich. Nun möchte ich bewusster leben, um die schönen Momente, die auf uns zukommen werden, geniessen zu können.»
Die Altstetter Quartiervereinspräsidentin und Coiffeuse mit eigenem Geschäft Esther Leibundgut äussert sich über die temporäre Schliessung ihres Salons Coiffeur Esther Leibundgut, Altstetterstrasse 174 in Zürich- Altstetten. (mb.)