Höngg sammelt für die Ukraine

Erstellt von Rahel Köppel |
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Die Ukraine Support Group hat bereits das zweite Wochenende eine Sammelaktion für die Ukraine organisiert. Wegen ihrer polnischen und ukrainischen Wurzeln geht das Thema den beiden verantwortlichen Frauen sehr nahe.  

Fleissig sammeln Paulina Zürcher und Katarzyna Lanfranconi an einem Sonntag im Mai Lebensmittel, Kleidung, Medikamente, Mittel zur Wundversorgung und Hygieneprodukte für ukrainische Flüchtlinge und Soldaten. Unterstützt werden sie in Höngg von Simonetta Fratolillo, Mitarbeiterin der Kirche, und Joanna Kiraga, einer polnischen Frau. Zusätzlich bieten sie den Spenderinnen und Spendern an jenem Sonntag noch Kaffee und Kuchen an, die Mütter aus dem Quartier gebacken haben. «Man hat uns gefragt, ob man auch gekauften Kuchen mitbringen dürfe. Das haben wir dankend abgelehnt; in selbst gemachten Kuchen steckt Liebe drin», sagt Katarzyna Lanfranconi, die den Stand bedient. «Ausserdem schmeckt er viel besser», ergänzt sie lachend. Die Leckereien werden von den Besuchern, die nach dem Gottesdienst an dem Stand vorbeikommen, dankend angenommen.

Eine kleine Gruppe will Grosses bewirken

Unterstützt wird die Sammelaktion von der Reformierten Kirche Zürich und der Katholischen Pfarrei Heilig Geist, in Letzterer sie an diesem Wochenende auch ­stationiert ist und die Sachen gelagert werden. Lanfranconi deutet auf Simonetta Fratolillo. «Sie hat zum Beispiel dafür gesorgt, dass wir hier sein dürfen und die Leute den Kuchen mit einem Kaffee draussen an einem Tisch geniessen können. Sie ist ein Engel.» Paulina Zürcher nickt zustimmend. «Das einzig Schöne am Krieg sind die wundervollen Menschen, die wir durch diese Sammelaktion kennen lernen durften», sagt sie. «Wir sind ­gerührt, wie hilfsbereit die Leute sind.»

Paulina Zürcher, eine Ukrainerin, die schon einige Jahre in der Schweiz lebt, hat das ganze Projekt ins Leben gerufen. «Am 24. Februar habe ich zuerst einen halben Tag lang geweint. Dann habe ich mir gesagt: Ich muss etwas unternehmen», erzählt sie. «Ich wollte so viel machen, wie man von hier aus eben kann. Wir sind zwar eine kleine Gruppe, aber wir können Grosses bewirken.» Katarzyna Lanfranconi sagt dazu: «Wir sind wie der Stamm eines Baumes, aus dem ganz viele Äste wachsen.» Neben Lanfranconi und Zürcher ist auch Karol Żurawski ein festes Mitglied der Gruppe. Er ist vor allem für die Organisation der Transporte zuständig.

«Wir würden am liebsten alle adoptieren»

Zürcher erzählt, dass sie sich in ihrer Aktion vor allem auf Kinder und ältere Menschen fokussierten. «Es gibt viele alte Leute, die in Dörfern wohnen und nicht wegkönnen, weil sie dafür einfach zu schwach sind. Unsere Spenden gehen auch an solche Orte.» Als sie anfängt, über das Thema Kinder zu sprechen, wird sie emotional. «Sie sollten so etwas einfach nicht erleben müssen. Kinder verstehen den Krieg nicht und tragen ein grosses Trauma davon. Oft werden sie von ihren Eltern getrennt und müssen allein zurechtkommen. Gerade für Kinder, die 13 bis 17 Jahre alt sind, ist das extrem schwierig. Sie befinden sich in einem Alter, in dem sie theoretisch eine Arbeit beginnen könnten. Da sie aber die Sprache nicht können, müssen sie sehr viel nachholen.» Zürcher lacht traurig. «Wir haben schon oft darüber gesprochen, dass wir am liebsten alle von ihnen adoptieren würden.» Für diese Kinder hat die Gruppe aber auch schon einiges geplant. «Im Sommer wollen wir für Flüchtlingskinder zum Beispiel Feriencamps organisieren, wo sie ihr Trauma verarbeiten können.» Auch wollen sie mithelfen, dass diese Kinder Stipendien bekommen und somit eine gute Bildung haben.

Ihr Mann blieb in Kiew

Um Flüchtlingskinder geht es auch im neuen Beruf von Lolita Malinina, die am Sonntag bei der Sammelaktion mit dabei ist. Lolita ist Ende März allein von Kiew in die Schweiz geflüchtet. Ihre Tochter ist in Irland, ihr Mann ist in der Ukraine geblieben. Doch Lolita hatte Glück. Sie hat in der Schweiz schnell eine Stelle gefunden. Samstags arbeitet sie in einer ukrainischen Schule, unter der Woche in der Schule Zurlinden, in der sie Flüchtlingskindern hilft, sich zurechtzufinden und sich möglichst schnell wohlzufühlen. Dass sie einen guten Umgang mit Kindern hat, merkt man auch am Sonntag; grosse Augen machen zwei Jungs, als Lolita ihnen aus Wolle einen Fisch knüpft. Auch kleine blau-gelbe Männlein und Armbänder fertigt sie an, von welchen man sich eines am Kuchenstand als Andenken mit nach Hause nehmen darf.   

Effizient helfen

Als Antwort auf ihre Aktionen bekommt die Gruppe Videos und Nachrichten gesendet. «Das ist uns sehr wichtig. Wir schicken die Sachen nur an Orte, von denen wir auch wissen, dass sie ankommen», berichtet Zürcher. Auch Mittel zur Wundversorgung, wie Verbände oder Desinfektionsmittel, hat Kiew von Zürich erhalten. Als Antwort auf solche Aktionen bekommt die Gruppe Videos und Nachrichten gesendet. «Das ist uns sehr wichtig. Wir schicken die Sachen nur an Orte, von denen wir auch wissen, dass sie ankommen», berichtet Zürcher. «Das unterscheidet uns von grösseren Hilfsorganisationen, die ihre Waren meist in Lastwagen in grössere Städte bringen. Diese Lastwagen werden häufig von russischen Streitkräften beschossen. Wir bringen unsere Einnahmen an die Grenze, wo sie dann in kleinen Autos an verschiedene Orte transportiert werden.» In Polen müssten sich die Flüchtlinge meist selbst um sich kümmern, da die Regierung sie nicht gross unterstütze, fügt sie an.


Nächster Sammeltag: 25. Juni

Am 25. Juni ist die nächste Sammelaktion, erneut im Pfarreizentrum Heilig Geist in Höngg. Auch dort wird voraussichtlich wieder Kuchen verkauft. «Für viele Menschen ist der Krieg weit entfernt, und sie realisieren nicht, dass man ihn auch bei uns spüren wird und bereits jetzt spürt», so Katarzyna Lanfranconi. «Die Ukraine exportierte beispielsweise viel Getreide, was jetzt praktisch nicht mehr möglich ist. Daher ist es wichtig, dass wir helfen. Unsere Aktion ist vielleicht nur ein Tropfen auf den heissen Stein, aber steter Tropfen höhlt den Stein, oder?»