Die Geldspielgesetz-Vorlage rüttelt an einem 25-jährigen Volksentscheid. Lediglich die Grünen und die EVP lehnen das Anliegen ab. Was sagen Suchtexperten? Wir haben mit Dr. Mario Gmür gesprochen.
Vor drei Jahren sagten die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger Ja zum Bundesgesetz über Geldspiele. Nun soll auch das kantonale Gesetz angepasst werden. Es bringt eine wesentliche Änderung: Restaurants und Bars dürfen wieder Geldspiel-Automaten aufstellen. 1994 wurden die Automaten im Kanton Zürich nach einem Entscheid an der Urne verboten. Doch dieses Verbot sei im Zeitalter des Internets überholt, finden die Regierung und Mehrheit des Kantonsrates. Zudem hätten die neuen Automaten weniger Suchtpotenzial. Das glauben die Gegner nicht, EVP und Grüne haben deswegen das Referendum ergriffen. Gemäss Suchtexperten seien auch die neuen Automaten heikel. Der Psychiater Mario Gmür ist Experte auf diesem Gebiet. Er setzte sich zudem in den 1990er-Jahren gegen die Geldspiel-Automaten ein.
Mario Gmür, Sie kämpften vor gut 25 Jahren an vorderster Front und erfolgreich für ein Geldspielautomatenverbot im Kanton Zürich. Was war das Geheimnis Ihres Erfolgs?
Damals gab es 6400 Spielgeräte in Bars und in Salons. Und es gab eine richtiggehende Spielsuchtepidemie im Kanton Zürich, während in andern Kantonen z.B. im Kanton Bern die Spielsucht völlig unbekannt war. So war einem Teil der Bevölkerung das Problem vertraut. Viele hatten spielsüchtige Verwandte, die an den Einfränkler-Automaten ihren Lohn, ihre Rente, ihr Stipendium verspielten und sich verschuldeten.
Nun ist die SP für die Legalisierung. Das ist wohl der Todesstoss für das Referendum der Grünen und der EVP gegen das neue Geldspielgesetz?
Dass die SP die Rückkehr der einarmigen Banditen in unserem Kanton befürwortet, ist unbegreiflich und dubios, ist sie doch sonst gegen die Ausbeutung von menschlichen Schwächen. Sie macht zwar formaljuristische Gründe und Zwänge geltend, übergeht aber mutwillig und nonchalant, dass es zu den zahlreichen bereits bestehenden Spielsüchtigen in unserem Kanto noch einige Tausend zusätzliche geben wird.
Was spielt Regierungsrat Mario Fehr (SP) für eine Rolle im Abstimmungskampf?
Ich kann Regierungsrat Fehr keinen persönlichen Vorwurf machen. Vor 25 Jahren setzte er sich als SP-Kantonsrat mit Vehemenz für ein Verbot der Geldspielautomaten ein, die so viel Leid in zahlreiche Familien gebracht haben. Der Regierungsrat spielte aber bei der aktuellen Abstimmung eine üble Rolle. Er hat die Vorlage erst Ende letzten Jahres in den Kantonsrat gebracht, sodass die Geldspielautomaten wegen des Bundesgesetz auch gegen einen Willen des Volkes aufgestellt werden könnten. Das ist schlaumeierisch, manipulativ und undemokratisch. Schon allein deshalb braucht es ein Protest-Nein zum Geldspielgesetz!
Befürworter der neuen Vorlage sagen, heutige Geldspielautomaten hätten mit jenen vor 25 Jahren fast nichts mehr gemein. Die Spielsucht sei kein Problem mehr. Wie sehen Sie das?
Das ist völlig falsch. Es sind schwer suchterzeugende Geräte wie vor 25 Jahren. Erstens sind es keine Geschicklichkeitsspiele, sondern Glücksspiele, mit einem anfänglichen Geschicklichkeitsanteil. Zweitens Ist dieses Glücksspiel, wie alle Glücksspiele auf der Welt, asymmetrisch zugunsten des Spielanbieters eingestellt. Bei einmaligem Spiel kann man gewinnen oder verlieren. Bei fortgesetztem Spiel verliert man aber innert Stunden alles. Wenn ein Wirt ein solches Gerät aufstellt, dann bleiben einige süchtige Spieler an diesen hängen, verspielen einige Tausend Franken innert Stunden oder Tage und Wirt kassiert die Summe und liefert die Hälfte dem Betreiber ab. Ich erinnere daran, dass die Bevölkerung der Aufhebung des Spielbankenverbotes zugestimmt hat, weil dort die soziale Kontrolle gegeben sei. Ein Wirt wird aber aus eigenem Interesse Spielsüchtige nicht wegweisen. Und diese könnten auch in andere Bars ausweisen.
Wie hoch schätzen Sie die Chance für ein Nein an der Urne am 13. Juni ein?
Die Chance eines Nein ist klein, weil die Bevölkerung über die Spielsuchtepidemie ungenügend orientiert ist. Die Kampagne gegen das Gesetz hat offenbar nur ein kleines Budget.
Waren Sie eigentlich mal im Casino Zürich?
Als ich vor etwa drei Jahren ins Casino Zürich gehen wollte, erfuhr ich am Eingang, dass ich als Kasinokritiker gesperrt sei.
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Der Parolenspiegel:
Ja: SVP, SP, FDP, GLP, Mitte
Nein: Grüne, EVP, EDU
Stimmfreigabe: AL
Die Kantonale Abstimmung findet am 13. Juni statt.