Im «bücherraum f» wird nicht nur gelesen

Erstellt von Karin Steiner |
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Der «bücherraum f» ist mehr als eine Bibliothek. Das Team rund um Stefan Howald lockt mit zahlreichen literarischen und politischen Veranstaltungen das Publikum ins pulsierende Zürich Nord.

Der «bücherraum f» ist mehr als eine Bibliothek. Das Team rund um Stefan Howald lockt mit zahlreichen literarischen und politischen Veranstaltungen das Publikum ins pulsierende Zürich Nord.

Es gibt Menschen, die können sich nicht dazu überwinden, Bücher einfach wegzuwerfen. Vor allem dann, wenn es sich um eine ausgesuchte Sammlung von zum Teil seltenen Schriften handelt. So erging es auch dem Journalisten und Publizisten Stefan Howald, als die Redaktion der Zeitschrift «Widerspruch» ein Zimmer mit Büchern räumen musste, die in 35 Jahren gesammelt worden waren. «Da hatten wir die Idee, eine Bibliothek zu eröffnen.»

Gleichzeitig kam man in Kontakt mit einer Gruppe von Frauen, die im ehemaligen Zürcher Frauenzentrum die Frauenbibliothek «schema f» betreut hatten und vor dem gleichen Problem standen. «Wir beschlossen, uns zusammenzutun, und machten uns auf die Suche nach Räumlichkeiten. Fündig wurden sie in Seebach an der Jungstrasse 9 nahe des Bahnhofs Oerlikon. «Dieser dreiteilige Raum war ideal für uns, um eine thematisch getrennte Bibliothek einzurichten. Schnell wurde dem siebenköpfigen Team jedoch klar: Eine Bibliothek muss leben. Es genügt nicht, nur Bücher aufzustellen.

Literatur mit Lokalbezug
So gibt es im «bücherraum f» seit 2018 regelmässig kulturelle Veranstaltungen. «Zum Teil haben diese Veranstaltungen mit Büchern aus unserer Bibliothek zu tun. Wir versuchen aber immer, auch einen Bezug zum Quartier herzustellen. So zum Beispiel die Rundgänge «Georg Büchner in Oerlikon» oder «Robert Grimm in Oerlikon». Oft gibt es auch Lesungen oder Referate zu politischen Themen. Morgen Freitag etwa präsentiert Stefan Howald zum zweiten Todestag von Dora Koster im «bücherraum f» Texte und SMS, Gemälde und Fotografien aus ihrem Nachlass. Er hat die Zürcher Schriftstellerin und Malerin, die einst als Prostituierte gearbeitet hatte und mit ihrem Buch «Nichts geht mehr. Stationen einer Frau aus dem Milieu» in den 80er-Jahren Berühmtheit erlangte, selber gekannt und bereitet derzeit ihren schriftstellerischen Nachlass vor, um ihn der Zentralbibliothek zu übergeben. In der Abteilung Frauenbibliothek findet man rund 12 000 Frauenbücher. «Sie sind zum allergrössten Teil von Frauen geschrieben worden; daneben stehen ein paar historisch wichtige Werke von Männern zur Frauenbewegung», sagt Stefan Howald. «Auch gibt es feministische Seminararbeiten, die nur hier bei uns zu finden sind.» Ein weiterer Schwerpunkt der Bibliothek sind Kriminalromane oder thematisch geordnete Bücher und Schriften.

Seltene Trouvaillen
Darunter gibt es auch Trouvaillen und seltene Werke, zum Beispiel Aufsätze von Jürgen Habermas aus den Jahren 1954–1970 oder Werke von Wilhelm Reich über die Massenpsychologie des Faschismus. «Die Ausgaben und Raubdrucke, die wir haben, findet man in keiner Uni-Bibliothek und auch nicht in der Pestalozzi-Bibliothek.» Der «bücherraum f» ist nicht kommerziell und wird von den Vereinsmitgliedern und Sponsoren getragen. Die Veranstaltungen sind alle kostenlos mit anschliessender Kollekte. «Die Veranstaltungen werden jeweils von 20 bis 35 Personen besucht. Das ist eine gute Zahl, so ist es möglich, dass anschliessend auch Diskussionen entstehen.»

Öffnungszeiten der Bibliothek: Di, 15 bis 17 Uhr, Do, 18.30 bis 20.30 Uhr, Fr, 14 bis 17.30 Uhr. «bücherraum f», Jungstrasse 9, www.buecherraumf.ch.