Immer wieder ein neuer Rekord

Erstellt von Silvan Rosser |
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Meldungen zu Wärmerekorden werden heutzutage schon fast beiläufig zur Kenntnis genommen:  2020 dürfte global das wärmste Jahr seit Messbeginn werden. Für den Spitzenplatz in der Region Zürich könnte es aber knapp werden.

Mittlerweile zeichnet sich ab, dass 2020 das wärmste Jahr für die Erdoberfläche werden dürfte, seit Mitte der 1800er-Jahre zuverlässige Aufzeichnungen begonnen haben. Meldungen zu neuen Wärme­rekorden werden heutzutage schon fast beiläufig zur Kenntnis genommen.

Falls 2020 auf globaler Ebene aber wirklich zum wärmsten Jahr seit Messbeginn avanciert, ist dies umso bemerkenswerter, da kein ausgeprägtes El-Niño-Ereignis stattgefunden hat – ein Faktor, der bis anhin zu den meisten früheren Rekordwärmejahren beigetragen hat. Ein El-Niño-Ereignis bezeichnet das Auftreten ungewöhnlicher Meeresströmungen im ozeanografisch-atmosphärischen System des Pazifiks. Es ist so mächtig, dass es grossräumige Wetterkapriolen rund um den Pazifik auslösen kann und sogar die globale Durchschnittstemperatur über einige Monate um einige Zehntelgrad beeinflussen kann.

Neben einem warmen Modus (El Niño) gibt es auch einen kalten Modus im Pazifik, der La Niña genannt wird. In den ersten fünf Monaten des Jahres herrschte noch ein schwaches El-Niño-Ereignis vor, welches das rekordhohe globale Temperaturniveau entsprechend unterstützte. Seit Jahresmitte kühlt sich der Pazifik und die darüberliegende Atmosphäre stetig ab. In den verbleibenden Monaten des Jahres 2020 zeichnet sich ein kühles La-Niña-Ereignis ab. Dieses drückt die globale Durchschnittstemperatur gegen Jahresende etwas nach unten. Noch ist unklar, wie ausgeprägt die bevorstehende La Niña sein wird. Entsprechend bleibt es bis Ende Jahr spannend rund um die Frage, ob 2020 auf der globalen Temperaturbühne zu einem neuen Rekordjahr wird.

2020 bisher bemerkenswert warm
Das Jahr 2020 war auf globaler Ebene bisher bemerkenswert warm. Beim Vergleich der fünf bedeutendsten globalen Temperaturreihen Nasa, NOAA, Met Office, Berkeley und Copernicus zeigt sich, dass im Laufe des Jahres 2020 viele Monate neue Temperaturrekorde aufgestellt haben, wobei die Ergebnisse von Datensatz zu Datensatz etwas variieren. In allen Monaten des Jahres wurde in mindestens einem Datensatz entweder die zweitwärmste oder die wärmste Temperatur gemessen, und kein Datensatz weist Monate unterhalb der viertwärmsten aufgezeichneten Temperatur auf. Wärmer als 2020 waren vor allem die ersten Monate des Jahres 2016 – dem bis anhin wärmsten Jahr seit Messbeginn.

Während die Wärme im Jahr 2016 durch ein Super-El-Niño-Ereignis begünstigt wurde, das später im Jahr verblasste, war das Jahr 2020 insofern bemerkenswert, als die aussergewöhnliche Wärme zu Beginn des Jahres unter nur ganz schwachem El Niño respektive neutralen Bedingungen auftrat. Das aufkommende La-Niña-Ereignis dürfte die Temperaturen in den nächsten Monaten geringfügig senken, aber seine Hauptwirkung wird erst 2021 spürbar sein, da die globalen Temperaturen tendenziell um etwa drei Monate hinter denen in der El-Niño-Region des Pazifik hinterherhinken. Die Vorhersage des Verlaufs der La-Niña- und El-Niño-Ereignisse ist zwar schwierig. Es ist aber wahrscheinlich, dass 2021 zumindest etwas kühler sein wird als 2020.

Unter Berücksichtigung des aufkommenden La-Niña-Ereignisses haben Forscher von Carbon Brief ausgerechnet, wie wahrscheinlich es ist, dass 2020 das global wärmste Jahr seit Messbeginn sein wird. Mit 83 Prozent Wahrscheinlichkeit scheint dem neuen Rekordjahr 2020 im Datensatz der Nasa kaum noch etwas im Weg zu stehen. Auch der zweite amerikanische Datensatz NOAA rechnet zu 61% damit, dass 2020 Ende Jahr als wärmstes Jahr gekrönt wird. Offener scheint das Rennen um das wärmste Jahr beim dritten amerikanischen Datensatz der Universität von Kalifornien Berkeley: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 52 Prozent wird 2020 das neue Rekordjahr, zu 48 Prozent nur das zweitwärmste Jahr. Ebenfalls ein spannendes Jahresende stellt der europäische Datensatz Copernicus in Aussicht: Die Chancen stehen bei 55 Prozent, dass 2020 einen neuen Wärmerekord aufstellt. Alle Datensätze sind sich aber einig, dass 2020 auf globaler Ebene wahrscheinlich einen neuen Wärmerekord aufstellt, oder falls nicht, zumindest das zweitwärmste Jahr hinter 2016 und vor 2019 sein wird.

Platz 2 in Zürich?
Auch in der Schweiz und in der Region Zürich verlief das Wetterjahr 2020 bisher ausserordentlich warm. Lediglich der Oktober war im laufenden Jahr bisher geringfügig zu kühl, der Juni brachte durchschnittliche Bedingungen. Alle anderen Monate waren bisher deutlich übertemperiert. Für die Periode Januar bis Oktober wurden in Zürich bisher die zweithöchsten Temperaturen gemessen seit Messbeginn im Jahr 1864. Wärmer war es einzig im Rekordjahr 2018.

Das sich anbahnende La-Niña-Ereignis hat auf das Wetter in Mitteleuropa keinen messbaren Einfluss. Der Saisonausblick der Temperaturen von Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie (Meteo Schweiz) rechnet damit, dass die Temperaturen bis Ende Jahr durchschnittlich oder überdurchschnittlich sein werden. Unterkühlte Bedingungen sind mit lediglich 10 Prozent sehr unwahrscheinlich. An der Rangliste ändert das aber wenig.

Es scheint am wahrscheinlichsten, dass 2020 in Zürich das zweitwärmste Jahr seit Messbeginn sein wird, hinter 2018. Selbst bei einem sehr kühlen Jahresende (November und Dezember) landet 2020 noch auf Platz 7 der wärmsten Jahre seit Messbeginn. Um das Rekordjahr 2018 noch zu überholen, wären zwei ausgesprochen milde Monate November und Dezember notwendig.

Unter Berücksichtigung der Langfristprognose von Meteo Schweiz scheint dies aktuell nicht unmöglich, aber die Chance auf einen neuen Wärmerekord 2020 in der Region Zürich liegt aktuell bei lediglich rund 10 Prozent.