Initiative als politische Initialzündung

Erstellt von Lorenz Steinmann |
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Stefan Mühlemann zog die Volksinitiative «7 statt 9 Stadträte» fast im Alleingang durch. Der damals Parteilose ist mittlerweile bei der GLP gelandet und vielseitig tätig, etwa als Präsident des Silvesterlaufs und als Verwaltungsrat des Schauspielhauses. 
«Meine Lebensaufgabe ist es nicht», lacht Stefan Mühlemann. Er bezieht sich dabei auf sein politisches Gesellenstück, die Lancierung inklusive Abstimmungskampf der Volksinitiative «7 statt 9 Stadträte», die fast vor genau drei Jahren an die Urne kam. Lediglich 38 Prozent der Stimmenden folgte der Idee von Mühlemann, die Verwaltung zu verschlanken und fit für die Zukunft zu machen. «Mir ist es wichtig, dass die Verwaltung nicht grösser und grösser wird, aber nun setze ich mich dafür ein, dass Zürich als Wirtschafts- und Bildungsstandort gestärkt wird», sagt der 48-Jährige. Dazu komme der dringend nötige ökologische Umbau. Die Verursacher sollen die Kosten tragen. Zudem will Mühlemann nicht, dass Zürich zu einem Ballenberg wird. Sprich: Der Denkmalschutz soll etwa beim Thema Solarpanel nicht mehr prioritär sein. Das tönt recht stark nach GLP und tatsächlich ist Stefan Mühlemann dieser Mitte-Partei vor gut einem Jahr beigetreten. Die «7-statt-9»-Initiative zog er noch als Parteiloser und fast im Alleingang durch. Es war wie eine Initialzündung für Mühlemann.

«Fortschrittlich-progressiv» 
«Mir gefällt die GLP, weil sie fortschrittlich-progressiv ist, zudem ist sie nicht monothematisch.» Mühlemann ist gleich als Vizepräsident der Stadtpartei eingestiegen. Nun agiert er gar als Wahlkampfleiter, und er kandidiert als Gemeinderat im Wahlkreis 6 für die Wahlen vom Februar 2022. 
War das nicht ein allzu forscher Einstieg in die Parteipolitik? «Ich bin gut aufgenommen worden», sagt der verheiratete Vater von zwei Buben und einem Mädchen im Alter von 11 bis 14 schmunzelnd. Zu seiner Akzeptanz trug wohl bei, dass er sofort den nicht unbedingt beliebten Knochenjob als Wahlkampfleiter übernahm. Positiv ist zudem, dass der studierte HSG-Ökonom gut auf Menschen eingehen kann und ein bemerkenswert breites Netzwerk pflegt. 
Er arbeitete mehrere Jahre in Mittelamerika, etwa als Finanzchef für Nestlé in Peru. Dann war er Finanzchef der Gastrogruppe Candrian, seit dem 1. Mai ist er Geschäftsführer der Zurich International School mit dem grössten Schulcampus in Adliswil. 
Dazu ist er seit drei Jahren Präsident des Zürcher Silvesterlaufs. Das passt darum, weil Mühlemann ein passionierter Läufer ist. «Ich mache gerne Bergläufe wie den Jungfrau-Marathon oder Sierre-Zinal», sagt er.  Seine Marathon-Bestzeit beträgt immerhin 2 Stunden 53 Minuten, wobei er das nicht an die grosse Glocke hängt und erst auf Nachfrage herausrückt. Stefan Mühlemann ist erstaunlich vielseitig. Er interessiert sich auch für Kultur. Er sitzt im neunköpfigen Verwaltungsrat des Schauspielhauses und ist dort zuständig für die Finanzen und das Audit. Mühlemann ist also quasi die Prüfstelle für die ganzen Abläufe. 

«Zeitreise» unter dem Arm
Trotz dieser geballten Ladung an Aufgaben und Ämter wirkt der Musikliebhaber mit riesiger Schallplattensammlung beim Gespräch ziemlich tiefenentspannt, dafür umso interessierter und bestens informiert. Gegenüber der «NZZ» bekannte er sich einmal als «Newsjunkie». Beim Treffen im Kafi am Schaffhauserplatz erscheint Mühlemann mit einem Buch unter dem Arm. Es ist die Autobiografie von Journalist Stefan Aust: «Zeitreise». Aust leitete von 1994 bis 2008 die Redaktion des Spiegels und ist heute Herausgeber der Tageszeitung «Die Welt». Das ist typisch für Stefan Mühlemann. Er interessiert sich für Menschen, auch wenn sie nicht unbedingt seinem Weltbild entsprechen. Am Beispiel von Aust ist dies die Wandlung vom Chefredakteur des eher progressiven «Spiegels» zum Verleger der konservativen Tageszeitung «Die Welt». 
So wie es scheint, wird man vom «Jungpolitiker» künftig in der Zürcher Politik noch einiges hören.