Die zwölfjährige Wiedikerin Hannah-Lynn Grob hat das Manuskript ihres Romans vollendet. Dank des KIJU Verlags wird sie es bald in ein Buch umsetzen und veröffentlichen können.
Dennis Baumann
Ein schüchterner Eindruck geht von der Zwölfjährigen aus, als sie vor dem Interview beim Betreten des «la Piazza»-Cafés in Wiedikon ihre Jacke auf die Rückenlehne legt. «Gern ein Sprite», lautet ihr längstes Satzfragment, bevor das eigentliche Gespräch anfängt.
Ihre Begeisterung für Literatur begann recht früh. Im zweiten Kindergarten lernte sie lesen und bereits in der ersten Klasse war die Verwandlung zum Bücherwurm unumkehrbar. Der Weg von literarischer Weltenerkunderin zur Weltenerschafferin war nicht weit. Von ihren Eltern auf diverse Spoken-Word-Auftritte mitgenommen, fragte sich die angehende Jungautorin schnell einmal, wieso sie nicht selbst die Worte aufs Blatt brachte. Der ausschlaggebende Impuls zum Schreiben erhielt sie, als sie erfuhr, dass eine ihrer Lieblingsautoren, die Schweizerin Federica de Cesco, ebenfalls in jungen Jahren angefangen hat, erste Bücher zu verfassen.
Kinder schreiben für Kinder
Wann auch immer sie Zeit und Ideen hat, ist die Schülerin fleissig am Schreiben. Vor allem abends und nachts sei sie kaum zu stoppen, so Stefanie Grob, Hannah-Lynns Mutter. «In der Regel waren meine Kinder nur im frühsten Alter so nachtaktiv. Bei Hannah-Lynn ging das irgendwie nicht weg.»
Am nächsten Morgen in der Schule angekommen, sprudelt die Sechst-klässlerin teilweise weiter vor Ideen. In Lesestunden habe sie anstelle zu lesen oftmals Geschichten geschrieben und an ihrem Buch gearbeitet Auch wenn ihr Zimmer ihr Lieblingsort zum Schreiben ist, «der beste Platz dafür ist dort, wo der Notizblock dabei ist», sagte die Jungautorin. Kein Geistesblitz darf verloren gehen. Die altgebackene Redewendung ist bei ihr mehr als nur heisse Luft. Während das Foto für den Artikel gemacht wird, nutzt sie diese Gelegenheit, sich in ihre Notizen zu vertiefen.
Heute ist Hannah-Lynn kurz davor, ihr Manuskript in ein Buch umsetzen zu können. Der KIJU Verlag für Kinder- und Jugendbücher will ihr das ermöglichen. Der Verlag verfolgt ein einzigartiges Konzept. Die Autoren sind ausschliesslich Kinder. «Kinder schreiben für Kinder und das machen sie gut», lautet das Credo. Mit diesem Konzept erreichte er Hannah-Lynns Lehrerin, die die Jungautorin für eine Zusammenarbeit mit ihm überzeugen konnte. Ähnlich wie bei Crowdfunding-Projekten sammelt der KIJU Verlag für die Umsetzung des Buches Spenden.
Eintauchen in die eigene Welt
«Ich kann meine Fantasie ausleben, wie nirgends sonst wo», sagte Hannah-Lynn im Interview und fasst damit zusammen, warum das Schreiben ihre Leidenschaft ist. Das Kreieren von bunten und durch das Wort lebendig werdenden Welten, die ihre Protagonisten durchstreifen, machen ihr Hobby zum wichtigen Lebensinhalt. Ihre Charaktere können ihre Lieblingstiere sein und deren Handlungen das, was sie für spannend hält. Die grenzenlosen Möglichkeiten von Literatur und Hannah-Lynns Ideenreichtum bilden eine Symbiose.
Wo findet man Inspiration für eine Geschichte? Für Hannah-Lynn erübrigt sich diese Frage. Die Dinge des Alltags können als Quelle der Inspiration dienen, so die Wiedikerin. Kommt beispielsweise in einer Werbung etwas vor, das sie anspricht, wird es aufgeschrieben und später vielleicht in eine ihrer Geschichten eingebaut. Letztens habe sie ein Plakat für ein Theater gesehen, auf dem ein Drache abgebildet war. Ob das Fabelwesen wohl in ihrem nächsten Werk erscheinen wird? Die Charaktere in ihren Geschichten sind meistens ihre Lieblingstiere, deren Motive drehen sich um die Suche nach einer Sache und die Schauplätze sind abwechslungsreich. Packend muss es sein.
«Ich versuche so zu schreiben, dass man das Buch nicht nach dem ersten Kapitel wieder weglegen würde», erklärt Hannah-Lynn, selbstbewusster im Auftreten als noch zu Beginn. Viele Konflikte, schnelles Vorantreiben der Handlung und kein Platz für Monologe sind für die Schreibweise des Mädchens kennzeichnend.
Suchen nach Sternen
«Drinnen ist es dunkel und sie sehen nichts mehr. Die Taschenlampe gibt den Geist auf. Plötzlich sehen sie, wie sich im Schatten etwas bewegt. Langsam gewöhnen sich die Augen an die Dunkelheit», so eine Passage aus ihrem ersten Roman «Über den Sternen». Das Buch erzählt die Geschichte der «Sternenkatze» Moni, die sich gemeinsam mit dem «Sternenpferd» Luna auf die Suche nach einem Stern begehen. Im Rahmen einer Wette mit der «Sternenkatze» Lisa muss dieser klein genug sein, um ihr überreicht werden zu können.
Auf der Reise durchqueren die beiden fremde Welten wie das «Zuckerland» und begegnen quirligen Figuren, die es ihnen nicht einfach machen. Wenn die Helden plötzlich einer überdimensionierten Bulldogge über den Weg laufen, dann ist nur zu hoffen, dass nicht zwingend der Stärkere gewinnt. Dieses Buch vereint alle typischen Eigenschaften ihres Schaffens. Tiere als Hauptcharaktere, Orte und Abenteuer mit einer Prise Dramatik.
Auf der Zielgeraden
Der Weg zum Grundgerüst dieser Geschichte war überraschend kurz. Lediglich zwei Aspekte waren vor dem Verfassen definiert: die Protagonisten und die Umgebung. Dabei hat sie sich bei der Umgebung überlegt, wie man möglichst viele Welten einbauen kann. Das Universum war die Lösung. Die Weiten der Galaxie gaben Hannah-Lynn den nötigen Spielraum für die Vielfalt. Die Handlung habe sich im Laufe des Schreibens ergeben. «Wie das mit den Sternen kam, daran kann ich mich gar nicht mehr wirklich erinnern», so die Jungautorin. Verständlich, angefangen hat sie mit dem Buch bereits in der dritten Klasse. Eine kleine Ewigkeit her für die Sechstklässlerin.
Hannah-Lynns Freunde und Familie sind begeistert. Die ganze Schule fiebert mit dem Projekt mit. Zwar hat sie das Manuskript fertig geschrieben und ist seit einem halben Jahr mit dem KIJU Verlag im Kontakt, doch muss die angehende Autorin, wie ihre Protagonisten, einige Hindernisse überwinden, um an ihr Ziel anzukommen. Von der stilistischen Überarbeitung mithilfe eines Lektors, der orthografischen Richtigkeit durch das Korrektorat, der Erstellung von Grafiken und Zeichnungen bis hin zum Druck und der Lieferung gibt es Hürden, die nur durch Spenden überwindet werden können. (Siehe unten).
Es fehlen momentan zirka 8000 Franken. Der Verlag rechnet damit, dass die Verkaufszahlen nur einen Teil der Kosten decken können. Daher ist eine Beteiligung an den Verkäufen nur bei einem grossen Erfolg des Buchs möglich. Sicher ist, dass der Verlag der jungen Autorin bei einer allfälligen Veröffentlichung eine Reise in den Europapark schenkt. «Mir ist eigentlich egal, wie ich belohnt werde. Für mich zählt nur die Veröffentlichung meines ersten eigenen Buchs, zu wissen, dass meine Geschichte gelesen wird», so die angehende Schriftstellerin, sichtlich erleichtert, wie das Diktiergerät abgestellt wird.
Wieder etwas in sich gekehrt, aber mit einer zufriedenen Ausstrahlung lässt die Schülerin die Café-Tür hinter sich zu. Das Gespräch verging wie im Zeitraffer und doch hat sie viel erzählen können. Zumindest deutet das immer noch halbvolle Glas Sprite darauf hin.
Wer sich als Sponsor beteiligen oder mehr Informationen zum Projekt haben möchte, kann sich direkt beim Verlag melden unter info@kiju.ch. Für direkte Spenden dient folgende Bankverbindung: KIJU Kinder Jugendbuchverlag, Mörschwil, CH16 8080 8008 0877 7929 9, Raiffeisenbank, Vermerk: Buchprojekt Hannah-Lynn, Zürich