Die Nachwuchstalente des Youth Classics Orchestra bringen «Acht Jahreszeiten» von Vivaldi und Piazzolla – und viel Spielfreude – auf die Konzertbühne des Theaters Spirgarten.
Lisa Maire
Der Funke sprang an einem Konzert während der Youth-Classics-Sommerakademie auf dem Hofgut Albführen in Deutschland über: Der Altstetter René Wolf war unter den Konzertgästen und dermassen überwältigt von der sprühenden Spielfreude der jungen Musiktalente aus aller Welt, dass er beschloss, das Youth Classics Orchestra und seinen Leiter Philip A. Draganov nach Altstetten zu holen. In ein Quartier notabene, das nicht eben gesegnet ist mit Auftritten klassischer Musikerinnen und Musiker.
Den Saal des Spirgartens mit seinen über 1000 Plätzen zu füllen, ist ein ehrgeiziges Projekt. Wolf investierte viel Zeit und Herzblut in dieses Vorhaben, überzeugte Sponsoren, verschickte Einladungen an Vereine, Zünfte, Schulen. Und doch ist da noch etwas Nervosität, seine Bemühungen, genügend Publikum zu organisieren, könnten nicht ausreichen. Nicht einmal in der Tonhalle werde immer vor vollen Rängen gespielt, «tröstet» Philip A. Draganov, Gründer und künstlerischer Leiter des Projekts Youth Classics. Der 40-jährige, international renommierte Hamburger Geiger und Dirigent weiss, wovon er spricht. Er hat sich der Nachwuchsförderung bereits vor über 20 Jahren, noch während des eigenen Hochschulstudiums, verschrieben. Neben seiner Konzerttätigkeit unterrichtet er seit einigen Jahren an den Konservatorien von Zürich und Winterthur und gibt Meisterkurse in der ganzen Welt. Er gilt als einer der erfolgreichsten Violinpädagogen in der Schweiz und in Europa. Die Schülerinnen und Schüler seiner Violinklassen heimsen regelmässig 1. Preise bei nationalen und internationalen Wettbewerben ein.
Nachwuchstalente ab zehn Jahren
Auch die jungen Menschen, die mit dem Youth Classics Orchestra in Altstetten auf der Bühne stehen werden, sind aussergewöhnlich begabte Streichtalente – ob auf der Geige, der Bratsche, dem Cello oder dem Kontrabass. Als Teilnehmer der Youth-Classics-Sommerakademie zeigen sie ihr Können auch in unterschiedlichen Orchesterformationen auf Konzertbühnen in der Schweiz und anderswo. Das jährliche «Musikfestival» auf der Musikinsel Rheinau ist das Herzstück von Youth Classics, einem von Draganov 2009 ins Leben gerufenen Projekt, das sich der Ausbildung von hochbegabten Musikern ab zehn Jahren verschrieben hat.
Die zehntägige Sommerakademie sei eine renommierte Ausbildungsstätte und entsprechend begehrt, erzählt Draganov. «Für 80 Plätze hatten wir dieses Jahr 300 Anmeldungen.» Trotzdem sei es jedes Mal «ein Abenteuer», die Unterstützungsgelder dafür zu finden. Dabei spielt offenbar auch eine Rolle, dass potenzielle Geldgeber manchmal davor zurückschrecken, Künstlerinnen und Künstler zu unterstützen, die noch keinen Namen haben. Draganov: «Wenn sie aber mal an einem Youth-Classics-Konzert waren, sind sie alle begeistert.» Beeindruckend sind in der Tat nicht nur das technische Können und die Spielfreude der jungen Talente, sondern auch die Hingabe und die unglaubliche Disziplin, mit der sie sich der Musik widmen. «Das ist wie beim Leistungssport», sieht es Draganov. Jugendliche, die sich auf eine Musikkarriere einlassen, müssen auch bereit sein, einen grossen Teil ihrer Ferien dafür herzugeben.
Enthusiasmus und Professionalität
Die Mitglieder des Youth Classics Orchestra haben verschiedenste Nationalitäten, die meisten besuchen jedoch das Konservatorium oder die ZHdK in Zürich. So auch die acht Solistinnen und Solisten, die mit den «Acht Jahreszeiten» in Altstetten brillieren werden. Der Jüngste ist 17 Jahre alt, die Älteste 25. Alle sind sie preisverwöhnte Geigerinnen und Geiger, die ihr Instrument zum Teil bereits mit drei, vier Jahren entdeckt hatten. Das Schöne an der Arbeit mit diesen jungen Menschen sei es, ihren Enthusiasmus zu erleben, sagt Orchesterleiter Draganov. Es gebe noch keine Routine. Das Herausfordernde sei es, sie trotzdem für ein Konzert mit nur vier Proben auf ein professionelles Niveau zu treiben. Und die jungen Talente, die aus allen möglichen Richtungen kommen, in kurzer Zeit zu einer orchestralen Einheit zusammenwachsen zu lassen.
Die erste Orchesterprobe für die «Acht Jahreszeiten» am letzten Samstag klang allerdings schon sehr «einheitlich» und professionell – zumindest in den Laienohren der Journalistin. «Die Jungen lieben dieses Konzert!», schwärmt Draganov. Die Älteren auch, hat die Ohrenzeugin persönlich erfahren.
Verschobene Jahreszeiten
Das Konzert «Acht Jahreszeiten» stellt «Die vier Jahreszeiten» von Antonio Vivaldi und «Die vier Jahreszeiten» von Astor Piazzolla, also je vier Violinkonzerte mit Streichorchester, einander gegenüber. Zwischen den beiden Werken liegt eine Zeitspanne von etwa 300 Jahren. In Piazzollas Werk finden sich dabei Zitate aus Vivaldis wohl berühmtester Komposition. Im Gegensatz zu dem italienischen Komponisten, der jede Jahreszeit als Zyklus konzipiert hat, entstanden die Jahreszeiten des Argentiniers Piazzolla als lose Einzelwerke. Da es während des italienischen Sommers in Argentinien Winter ist, finden sich zum Beispiel Zitate von Vivaldis «Sommer» raffiniert verschoben in Piazzollas «Winter».
Sonntag, 27. Mai, 17 Uhr, Theater Spirgarten, Lindenplatz, 8048 Zürich. Eintritt frei, Kollekte. Mehr Infos zu Youth Classics auf www.youth-classics.com