In Bern diskutierte der Nationalrat heftig über Pestizide im Trinkwasser. In Zürich stehen andere Chemikalien im Fokus.
Zwei Initiativen wollen das Trinkwasser besser vor Fremdstoffen schützen. Die Pestizidverbotsinitiative will synthetische Pestizide ganz verbieten. Die Trinkwasserinitiative fordert, Subventionen nur noch an Bauern auszuzahlen, die auf Pestizide und den vorsorglichen Einsatz von Antibiotika verzichten. In der Landwirtschaft wird eine Vielzahl von Chemikalien verwendet, um Obst und Gemüse vor Krankheiten und Insekten zu schützen. Rückstände dieser Mittel finden sich in jeder fünften Trinkwasserfassung. Das hat eine Untersuchung des Bundes gezeigt.
Die Stadt Zürich bezieht ihr Trinkwasser grösstenteils aus dem Zürichsee. Dieser ist laut dem Amt für Wasser, Energie und Luft (Awel) nur gering mit Pestiziden belastet. «Wirkstoffe sind, falls überhaupt, nur im Bereich einiger Milliardstel Gramm pro Liter nachweisbar», sagt IsabelleRüegg von der Medienstelle der kantonalen Baudirektion. Bei den Abbauprodukten der Pestizide sei der Unterschied zwischen See- und Grundwasser noch ausgeprägter, sagt Rüegg. «Im Zürichsee sind diese Abbauprodukte nicht nachweisbar.»
Bis 100-mal höhere Konzentration
Das Trinkwasser aus dem Zürichsee sei deutlich weniger mit Pestiziden belastet als Trinkwasser aus Grundwasserfassungen im Mittelland, sagt Marianne Locher, Leiterin Öffentlichkeitsarbeit der Wasserversorgung Zürich. Im Mittelland würden «mehr Einzelsubstanzen» und meist «10- bis 100-fach höhere Konzentrationen» gemessen. Der Grund für die Unterschiede seien die hohe Verdünnung im Zürichsee durch Regen- und Schmelzwasser und die vergleichsweise geringe landwirtschaftliche Nutzung in dessen Einzugsgebiet.
«Beim Zürichsee liegt der Fokus mehr auf der Belastung durch Chemikalien des täglichen Bedarfs», sagt Locher. Es sind dies Medikamente, Kosmetika sowie Industriechemikalien, die über die Kläranlagen in den See gelangen. Im See nachweisbar seien auch Spuren von Belastungen durch Siedlungen, Strassen und den Bootsverkehr, ergänzt das Awel. Die Trinkwasserqualität sei dennoch sehr gut. «Dank der mehrstufigen Aufbereitung des Seewassers werden Spuren von Verunreinigungen wirksam entfernt», erklärt Rüegg von der Baudirektion.
Pestizidspuren in den Zuflüssen
In den Zuflüssen zum Zürichsee wurden Spuren von Pestiziden festgestellt. Das Awel habe zwischen 2012 und 2017 einige Seitenbäche und den Fluss Jona untersucht, sagt Rüegg. «Wie in allen Gebieten, wo intensiv bewirtschaftete landwirtschaftliche Flächen zu finden sind, waren an einzelnen Stellen zu hohe Pestizidbelastungen nachweisbar.» Der Kanton St. Gallen entnahm 2016 der Linth und ihrem Nebengraben monatlich Stichproben. Dabei seien mehrheitlich geringe Konzentrationen von Einträgen aus Kläranlagen registriert worden, teilt das St. Galler Amt für Wasser und Energie mit. «Pestizide spielen in diesen zwei Gewässern eine untergeordnete Rolle.» Keine Pestizide in Grundwasserfassungen und in Oberflächengewässern stellte bisher der Kanton Glarus fest. Der Kanton Schwyz macht keine Analysen zu Pestiziden.
«Der Zürichsee weist insgesamt eine gute Qualität auf», sagt Locher von der Wasserversorgung Zürich. Dank dem seit 40 Jahre laufenden Messprogramm kenne die Wasserversorgung Zürich den Zustand des Sees sehr gut. Die Daten würden mit den Anrainerkantonen, mit Forschungsinstituten und anderen Wasserversorgern geteilt, sagt Locher. «Daneben engagiert sich die Wasserversorgung Zürich auf nationaler Ebene für einen konsequenten Gewässerschutz.»
Der Nationalrat erteilte vergangene Woche sowohl der Pestizidverbots- als auch der Trinkwasserinitiative eine Absage. SVP, CVP, BDP und Teile der FDP wollten auch keinen Gegenvorschlag ausarbeiten lassen. Einen Gegenvorschlag fordert unter anderem der Schweizer Verband der Wasserversorger, dem auch die Stadt Zürich angehört. Gegenüber der «NZZ» sagte der Vizedirektor des Verbandes kürzlich: «Ohne Gegenvorschlag bleibt die Trinkwasserinitiative die einzige politische Option zur Stärkung des Trinkwasserschutzes».