Kolumne: Sicher nöd, Urs!

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In der heutigen Kolumne bedankt sich Benny Epstein für das Autogramm eines Unbekannten.

Armer Roger! Da will unser Tennis-Maestro doch nur den schönen Sonntagvormittag mit Mirka und den Kids verbringen und sich in der Badi Kilchberg ein Fläschchen Rosé gönnen. Ein weites T-Shirt, das Käppi tief ins Gesicht gezogen und die Sonnenbrille aufgesetzt – nichts nützt. Federer wird zum Opfer zahlreicher Kinder, die ihn um Autogramme und Selfies bitten. Ganz im Gegensatz zu den Erwachsenen, von denen die allermeisten höchstens stundenlang zum Superstar hinüberblinzeln, aber ja nicht stören wollen.
Federer signiert gelassen, Federer lächelt cool. Ob der sich auch schon mal gefragt hat: Was machen die eigentlich alle mit meiner Unterschrift?
Ja, wofür sammelt man das unlesbare Gekritzel von prominenten Menschen? Nun, ich meine nicht das persönliche Exemplar der amerikanischen Verfassung des ersten US-Präsidenten George Washington. Dank der Unterschrift wurde es 2012 für umgerechnet neun Millionen Franken ersteigert. Ich meine auch nicht John Lennons Schallplatte, die sich Mark Chapman 1980 vom Beatles-Sänger signieren liess, ehe er ihn kurz darauf erschoss. Die Platte hat heute den Wert von einer halben Million Franken.
Nein, ich meine die Autogramme von Stars von heute. Wir leben in einer Zeit, in der Promis viel greifbarer sind als früher. Ihre Videoclips sind zu jeder Zeit online anzusehen, rund um die Uhr gibt es News zu ihnen. Der Zauber aus jener Zeit, als man sich endlich die neue Vinylplatte seines Teenie-Idols kaufen konnte, stundenlang gebannt vor dem Plattenspieler kauerte und aus Magazinen die Schnipsel mit den Neuigkeiten und Fotos seines Helden ausschnitt, sind vorüber.
Früher sammelte ich selbst. Mein erstes Autogramm war übrigens eines von Beni Thurnheer. «Von Beni für Benny» schrieb er darauf. Später sammelte ich die Autogramme der Schweizer Fussballstars. Am einfachsten ging das an den Hallenturnieren der Profis, die es leider nicht mehr gibt. Also die Profis gibt es noch, aber die Hallenturniere nicht mehr. Von Kubilay Türkyilmaz liess ich mir mein GC-Shirt signieren. Und von noch jemandem. Dessen Unterschrift ist – im Gegensatz zu jener von «Kubi» immer noch drauf. Ich kann sie aber nicht identifizieren. Merci trotzdem.
Als FCZ-Legende Urs Fischer vorbeilief, hielt ich ihm erst meinen Notizblock und dann den Kugelschreiber hin. «Sicher nöd», grinste ich ihn an und zog den Stift weg. Vielleicht erlebte er ein Déjà-vu, als er als FCB-Trainer auf einen neuen Vertrag hoffte. «Sicher nitt», rief Präsident Bernhard Heusler und zog den Stift weg. Naja. Vielleicht auch nicht.

Benny Epstein ist Journalist und lebt in Wollishofen. Er wurde vor kurzem angefragt, an der Ferien- und Sportmesse in Zürich eine Autogrammstunde am Türkei-Stand zu geben. Keine Ahnung wieso. Er lehnte ab. Seine Meinung muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.