Krubally: «Es fühlt sich gut an im Eiskanal»

Zurück

Beim FC Erlenbach 2018 dient Amadou Krubally als Sturmtank, nun startet er im Eiskanal durch. Mit der Teilnahme an Olympischen Winterspielen will der Gambier Historisches erreichen. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg.

Mit 24 Jahren hat Amadou Krubally zum ersten Mal Schnee gesehen, nun brettert er den Eiskanal hinunter. Aufgewachsen ist der heute 27-Jährige mit drei Schwestern und fünf Brüdern in Gambia. Das Land liegt mitten in Westafrika, das Klima ist tropisch. An Schnee ist hier im entferntesten Sinne nicht zu denken. Umso erstaunlicher ist es, was sich Krubally zum Ziel gesetzt hat. 2022 will er an den Olympischen Winterspielen teilnehmen. Damit würde er sich in die Geschichtsbücher eintragen, noch kein Gambier tat dies zuvor. Die Disziplin: Skeleton.

Beim Skeleton rasen die Athletinnen und Athleten kopfvoran auf einem Schlitten mit bis zu 140 Stundenkilometern einen Eiskanal hinunter. Die Sportart war lange elitären Kreisen vorbehalten, so gilt St. Moritz als Wiege davon. Nun will ein Gambier im Skeleton mitmischen. Wie Krubally vom tropischen Gambia zur eisigen Sportart kam, erzählt er im Interview.

Amadou Krubally, aufgewachsen sind Sie in Gambia. Wann kamen Sie zum ersten Mal mit Wintersport in Kontakt?

Das war in der Schweiz, wo ich seit 2016 lebe. Ich ging mit meiner Frau in Klosters Ski fahren. Das war sehr aufregend für mich, weil es in Gambia bekanntlich keinen Schnee gibt. Hier konnte ich im Schnee sogar Sport treiben.

Mit Skeleton haben Sie sich eine verrückte Sportart ausgesucht. Wie kamen Sie darauf?

Im Leichtathletikverein machte mich mein Teamkollege Maximilian Goldmann auf die Sportart aufmerksam. Max nimmt selber für das Schweizer Team an Wettkämpfen im Skeleton teil. Er war begeistert von meiner Bestzeit im 100-Meter-Lauf, weshalb er mich zu einem Wettkampf mitnahm. Denn im Skeleton ist der Start sehr wichtig und man muss dort ebenfalls sehr schnell sprinten können. Dann ging ich mit dem Schweizer Team nach Innsbruck mit und trainierte dort zum ersten Mal im Eiskanal.

Wie fühlte sich diese erste Fahrt an?

Ich fuhr damals mit den Schweizer Kollegen in der Mitte des Schlittens. Ich dachte: Wieso tue ich mir das an? Es war sehr beängstigend, mit über 100 Stundenkilometern die Bahn hinunterzubrettern. Gleichzeitig ist das schnelle Tempo aber faszinierend an der Sportart. Als ich im Ziel angekam, war ich erleichtert und glücklich zugleich. Es hat mich so begeistert, dass ich an der Sportart dranblieb.

2022 wollen Sie in Peking an den Olympischen Winterspielen starten. Was war für diesen Entscheid ausschlaggebend?

Nach der Session in Innsbruck realisierte ich, dass noch nie ein Gambier je an Olympischen Winterspielen teilgenommen hat. Ich sagte mir: Das muss ich tun. Denn es fühlt sich sehr gut an, im Eiskanal zu sein. Als ich jünger war, hätte ich mir das nie erdenken können.

Wie geht es nun weiter, damit Sie sich für die Olympiade qualifizieren können?

Wichtig ist, an möglichst vielen Wettbewerben teilzunehmen und die Rennen zu beenden. Nur wenn ich ins Ziel komme, erhalte ich die für die Qualifikation nötigen Punkte. Diese Saison habe ich schon fünf Rennen im Europacup abschliessen können. Weil ich der Einzige aus Gambia bin, kann ich ausserdem am Weltcup teilnehmen und dort Punkte sammeln. Darum stehen die Chancen für die Qualifikation gut.

Im Europacup fahren Sie der Konkurrenz noch hinterher. Was sind Ihre grössten Schwierigkeiten?

Besonders bei Steilwandkurven ist es schwierig, mich auf dem Schlitten zu halten und nicht die Wand zu touchieren. Zudem muss man die verschiedenen Bahnen mit all ihren Kurven auswendig kennen. Aber: Je mehr man trainiert, desto besser wird man. Darum konnte ich seit 2018 bereits grosse Fortschritte machen. Besonders mein Start ist besser als bei vielen anderen im Europacup.

Wie finanzieren Sie Ihren Weg zu den Olympischen Winterspielen?

Leider habe ich momentan keinen Sponsor. Die Teilnahme an den Wettkämpfen finanziere ich jeweils mit dem Geld, welches ich als Betreuer verdiene. Darum kann ich nur an den Rennen in der Nähe teilnehmen. So war ich diese Saison in Innsbruck sowie im deutschen Winterberg und Königssee. Auf den Wettkampf in Lettland muss ich aber verzichten, da es zu teuer wäre. Aus finanziellen Gründen fahre ich auch mit einem alten Schlitten. Ein neuer würde bis zu 7500 Franken kosten. Deshalb sammle ich mit Crowdfunding Geld und bin über jede Unterstützung dankbar.

Als einziger Athlet Gambias können Sie nicht auf ein Team zählen. Haben Sie Unterstützung auf Ihrer Reise nach Peking?

An die Wettkämpfe gehe ich meistens alleine mit dem Zug, oder Max hilft mir mit der Anreise. Vor Ort kenne ich dann viele vom Schweizer Team, die mich unterstützen. Die Schweiz ist ein Teil von mir, weshalb ich auf der linken Schulter meines Rennanzuges das Schweizer Kreuz trage. Einen Coach habe ich nicht. Der Verband stellt bei den Rennen zwar Trainer zur Verfügung. Diese trainieren aber Gruppen mit zehn und mehr Personen. Darum wäre ein persönlicher Coach für mich sehr wichtig.

Was würde es für Sie bedeuten, als erster Athlet Ihr Herkunftsland an den Olympischen Spielen zu vertreten?

Es ist für mich eine Ehre, Gambia zu vertreten. Mit meiner Teilnahme will ich künftige Generationen zum Wintersport motivieren und den Leuten zeigen, dass sie alles erreichen können. Als Akwasi Frimpong als erster Athlet Afrikas im Skeleton an den Olympischen Spielen teilnahm, merkte ich, dass ich das ebenfalls tun kann. Wie er will ich die Sportart bekannter machen.

Welche Ambitionen haben Sie?

Im Sport will man immer der Beste sein. Das ist auch mein Ziel. Denn ich repräsentiere nicht nur mich, sondern eine ganze Nation.

Seit längerem leben Sie in Europa, starten aber für Gambia. Haben Sie noch einen Bezug zu Ihrem Heimatland?

Ja, natürlich. Ich bin in einem kleinen Dorf in Gambia geboren und aufgewachsen, lief täglich sechs Kilometer zur Schule. Meine drei Schwestern und fünf Brüder leben immer noch dort. Erst 2013 habe ich das Land alleine in Richtung Europa verlassen. Zu meiner Familie pflege ich immer noch Kontakt.

Nun leben Sie seit über drei Jahren in der Schweiz. Was gefällt Ihnen hier?

Die Freundlichkeit der Schweizer. Wenn man jemanden nach dem Weg fragt, sind sie alle sehr hilfsbereit. So habe ich auch meine Frau kennen gelernt. Ich war alleine in einem Zug und wusste nicht, wo er hinfährt. Nur sie war noch im Abteil. Ich habe sie gefragt, wohin der Zug fährt, und kam so mit ihr ins Gespräch. Generell hatte ich hier in der Schweiz nie Probleme mit Rassismus. Auch beim Fussballclub FC Erlenbach 2018, wo ich spiele, ist jeder willkommen, egal, woher man kommt. Und natürlich mag ich auch die Schokolade in der Schweiz.

Auf gofundme.ch können Sie Amadou Krubally finanziell unterstützen.

(Yannick Schenkel)