«Künstlerinnen sind oft viel mutiger und gehen mehr an die Grenze»

Erstellt von Isabella Seemann |
Zurück

Die Kunst und die Frauen – eine anregende Kombination. Aber auch ein vielschichtiges Thema, das zu diskutieren gibt. Der «Küsnachter» hat die Galeristin Nicole Python (49) zum Gespräch getroffen. Vor acht Jahren gründete sie die Pythongallery in Erlenbach und plant nun die Neueröffnung in Zürich. 

Frau Python, vor acht Jahren wagten Sie das Abenteuer der Selbstständigkeit. Würden Sie es wieder tun?

Auf jeden Fall! Obgleich ich zuvor einen guten Job im Marketing und Verkauf einer Kosmetikfirma hatte, war da etwas in meinem Innern, das mich nie losliess: die Liebe zur Kunst. Ihr wollte ich mich ganz widmen. Kurz vor meinem vierzigsten Geburtstag servierte mir das Leben eine Chance auf dem Silbertablett und ich sagte mir, wenn ich jetzt nicht zugreife, bin ich selber schuld. Aber Mut brauchte es schon. Und ein wenig naiv war ich auch. Ich hatte ja nur meine Leidenschaft, aber noch kein Netzwerk. Die Aufbauarbeit war sehr hart, zumal ich auch noch zwei Kinder habe, die damals klein waren. Aber es hat sich gelohnt.

Wie weiblich ist die Galeristenszene?

Es ist keine Männerdomäne. Das Geschlechterverhältnis ist ausgewogen, sogar etwas zugunsten von Frauen. Es sind aber nicht geschlechtsspezifische, sondern individuelle Eigenschaften, die in diesem Metier, das aus Vertrauenschaffen, Vermitteln und Verkaufen besteht, zum Erfolg führen. Viel hängt von der Persönlichkeit des Galeristen ab, von ­seiner Begeisterung, seiner Überzeugungskraft und seinem Spürsinn für spannende künstlerische Positionen. Manchmal hängt der Verkauf eines Bildes auch von der Fähigkeit ab, als Paartherapeutin zu wirken. (lacht)

Ist die Kunstwelt eine gerechtere Sphäre?

Ja, das ist mein Eindruck. Denn bei der Kunst geht es nie um Mann oder Frau, sondern es geht um das Werk.

Es gibt Statistiken, die besagen, dass Künstlerinnen weniger gut vertreten sind in den Museumsabteilungen für Gegenwartskunst, geschweige denn von jenen für Kunst aus den vergangenen Jahrhunderten. 

Bei mir ist es genau fifty-fifty. Aber das ist Zufall, ich schaue nicht darauf, ob es Männer oder Frauen sind, die ich vertrete. Mich interessiert in erster Linie das Gesamtwerk. Aber was die Vertretung von Künstlerinnen anbetrifft, so weise ich auf die Geschichte der bekannten Schweizer Künstlerin Andrea Muheim, welche die Pythongallery vertritt und schon mehrfach ausstellte. Sie durfte das Portrait der Zürcher Regierungsratspräsidentin Carmen Walker Späh malen. Frau Walker Späh wollte für die Ahnengalerie explizit von einer Künstlerin ­portraitiert werden. Tatsächlich sind historisch gesehen nicht nur die Regierungsräte in der Überzahl, sondern auch die männlichen Künstler. Ich habe mich gefragt, warum nicht mehr Frauen Aufträge erhalten.

Und zu welcher Erklärung sind Sie gelangt?

Es hat wahrscheinlich den gleichen Grund wie in der Wirtschaftswelt. Frauen sind oft Einzelkämpferinnen, sie vernetzen sich weniger, sie betreiben weniger Lobbying für sich selber. Das ist per se nicht negativ, vielleicht arbeiten sie lieber, statt an den x-ten Apéro zu gehen, um sich zu zeigen. Aber dieses nicht besuchte Treffen ist dann vielleicht jenes, bei dem man jemandem im Gedächtnis geblieben wäre.

Braucht es eine Quote für Künstlerinnen in Museen?

Das ist eine heisse Frage. Ich bin nicht ausnahmslos eine Quotenbefürworterin. Eine Quote nützt nichts, wenn das Werk nicht gut ist. Das gilt auch für die Wirtschaft und die Politik: Es ist nicht sinnvoll, Frauen in Führungspositionen zu heben, wenn sie dafür nicht geeignet sind. Eine Quote führt nicht zum Erfolg. Ich befürworte vielmehr, dass die richtigen Künstlerinnen in den richtigen Ausstellungen gezeigt werden und ihre Positionen integriert werden. 

Lange vor der #metoo-Debatte und dem Frauenstreik zeigten Sie in einer Gruppenausstellungen mit dem Titel «ELLE» die Positionen unterschiedlicher Künstler und Künstlerinnen zum Thema Frau. Was hat Sie dazu motiviert?

Es ist mir wichtig, dass eine Ausstellung unter einem bestimmten Thema steht und die Künstler dieses aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Bei der Gruppenausstellung «ELLE» wollte ich wissen, wie verschiedene Künstler und Künstlerinnen sich dem Thema Frau annähern, welche Materialien und Techniken sie verwenden, welche Gedanken hinter einem Motiv ­stecken. Ich wusste um deren unterschiedlichen Ansätze. Das macht es ja so reizvoll. Zu schauen, was da zurückkommt. Die bekannte Schweizer Künstlerin Marlis Spielmann beispielsweise arbeitet mit Scherenschnitten und stellt bei fast jedem ihrer Werke die Frau ins Zentrum. Mal deckt sie politische, soziale und sexuelle Themen ab, mal subtil, mal deutlich. Das fasziniert mich bei dieser Künstlerin immer wieder.

Kunst kommt von Können. Können Frauen anders als Männer?

Nein. Natürlich unterscheiden sich die Herangehensweisen beziehungsweise ihr Blick auf ein Thema, doch das ist eher ihrer Herkunft und der persönlichen Geschichte zuzuschreiben. Ich glaube aber, dass Künstlerinnen oft viel mutiger und risikobereiter sind, mehr an die Grenze gehen und sich dementsprechend freier ausdrücken.

Wie sieht es denn bei den Käuferinnen und Sammlerinnen von Kunst aus: Wer hat das Geld, Frauen oder Männer?

Wir haben zwei Kundensegmente: Private Haushalte, die kunstinteressiert sind, welche sich ein Werk kaufen möchten, aber noch Expertise und Unterstützung brauchen. Bei denen entscheidet das Paar oft gemeinsam, welches Werk es kauft. Und dann gibt es das Kundensegment der Sammler, die sich sehr gut auskennen. Das sind bei meinen Kunden ein Grossteil Frauen. Diese Frauen sind selbstständig, haben eigenes Geld und müssen niemanden um Erlaubnis fragen, ob sie sich ein Kunstwerk kaufen dürfen. 

Kaufen Frauen mehr Frauen?

Nein, Frauen sammeln nicht speziell Frauen. Ich kenne aber einen Kunstsammler, der sammelt explizit und konsequent nur Werke von Künstlerinnen und will nur Frauen fördern. Das liegt wohl in seiner Lebensgeschichte begründet. Bei den Kunstsammlerinnen, die Werke von Künstlerinnen sammeln, hat es eher politische oder gesellschaftliche Gründe. Manche sagen auch, dass ihnen der Zugang zu einem Werk von einer Künstlerin leichter fällt. Künstlerinnen sind oft auch natürlicher und spontaner bei der Präsentation ihrer Arbeiten. Es fällt ihnen leichter, ihre Gedanken zu vermitteln, wie sie zu einem Motiv gekommen sind, das dann Eingang in ihr Bild gefunden hat.

Sie haben nach acht Jahren Ihre Galerie in Erlenbach aufgegeben. Was kommt Neues?

Ich habe den Corona-bedingten Lockdown genutzt, um mich neu auszurichten. Derzeit bin ich auf der Suche nach einem neuen Raum in Zürich, um dort ein neues Konzept zu verwirklichen. Als Zwischenlösung eröffne ich im Dezember einen Showroom an der Seestrasse 153 in Küsnacht. Ich kuratiere eine Gruppenausstellung mit meinen Stammkünstlern und präsentiere ihre neuen Positionen, um uns in Küsnacht vorzustellen.