Küsnacht kein Hotspot für Verbrechen

Erstellt von Laura Hohler |
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In den letzten Jahren gab es an der Goldküste mehrere Mordfälle. Kürzlich machte gerade der Prozess einer getöteten Küsnachter Millionärin Schlagzeilen. Im Dorf gibt es aber nicht mehr Verbrechen als anderswo.

Rund 24 Jahre nach dem brutalen Mord an einer damals 86-jährigen Küsnachterin stand der mutmassliche Täter in diesem Monat vor dem Bezirksgericht Meilen. ­Anklagepunkte: Er soll die Millionärin schwer misshandelt, getötet und ausgeraubt haben. Im Jahr 2016 raubte er zudem ein Juweliergeschäft aus und missbrauchte eine junge Frau sexuell. 2017 konnte er schliesslich auf Teneriffa verhaftet werden. Vergangene Woche hat nun das Gericht den 78-jährigen Italiener des Mordes vor 24 Jahren für schuldig befunden und ihm eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren verpasst. 

Viele Delikte an der Goldküste

In jüngerer Zeit sorgten auch diverse andere Küsnachter Tötungsdelikte für grosses Medieninteresse. Im Dezember 2014 tötete ein Galeristensohn seinen britischen Freund im Drogenrausch. Mit Kokain und Ketamin im Blut rammte der schwerreiche Kunsthändler-Sprössling dem jungen Mann einen Kerzenständer in den Mund und erwürgte ihn. Angeblich sei er in einem paranoiden Wahn­zustand gewesen und dachte, sein Freund sei ein bösartiges Alien. Laut dem Zürcher Obergericht verübte der Galeristensohn die Tat in selbst verschuldeter Schuldunfähigkeit. Er wurde in zweiter Instanz zu drei Jahren Haft und einer stationären Therapie verurteilt. 

Ein weiteres Verbrechen, das die Goldküste im Jahr 2016 erschütterte, war ein mutmasslicher Auftragsmord an einer 73-jährigen krebskranken Ärztin. Das Tatmotiv war Geld, das die Tochter der Ärztin dem Mann versprochen haben soll. Den damals 37-Jährigen verurteilte das ­Bezirksgericht Meilen 2020 wegen Mordes zu 19 Jahren Haft. Die 47-jährige Tochter, die man der Anstiftung zur Tat verdächtigte, sprach das Gericht damals jedoch frei – aus Mangel an Beweislast. Laut Gericht sei der Mann äusserst skrupellos vorgegangen, da er das Opfer im Schlaf überrascht und erstickt haben soll. 

Im Frühjahr 2021 folgte der Prozessauftakt eines weiteren Mordfalles am ­Bezirksgericht Meilen. Dabei ging es um einen 50-jährigen Schweizer, der seine Ehefrau 2012 schwer misshandelt und im April 2014 in der Badewanne ertränkt haben soll, um an deren Lebensversicherung zu kommen. Der Mann wurde in erster Instanz zu lebenslanger Haft verurteilt, das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. 

Statistisch im Durchschnitt 

Für Dirk Baier, Professor am Institut für Delinquenz und Kriminalprävention der ZHAW, wird Küsnacht nicht mehr von Verbrechen heimgesucht als andere Gemeinden. «Zwischen 2011 und 2020 hat es schweizweit knapp 2200 Tötungsdelikte gegeben. Fast 500 Straftaten waren vollendete Straftaten», so Baier. Zugleich gebe es schweizweit knapp 2200 Gemeinden, was bedeute, dass statistisch alle zehn Jahre ein Tötungsdelikt pro Gemeinde zu erwarten wäre. Mit knapp 15 000 Einwohnerinnen und Einwohnern hat Küsnacht eine fast viermal so hohe Bewohnerzahl wie die durchschnittliche Gemeinde der Schweiz. 

Daher könne man in einem Zeitraum von zehn Jahren rund vier Tötungs­delikte erwarten, so Baier weiter. «Ich denke insofern auch nicht, das Küsnacht eine besonders hohe Belastung mit ­Tötungsdelikten hat», sagt der Wissenschafter. 

«Möglicherweise ist hier allerdings die Medienaufmerksamkeit besonders hoch, weil es sich um spektakulärere Taten handelte, die in sozialen Milieus stattgefunden haben, in denen man entsprechende Delikte weniger vermuten würde.» Dieser starke Fokus würde den Eindruck erzeugen, als ob Küsnacht eine Art Hotspot für Tötungsdelikte wäre, meint Baier.

Dies zeigt sich auch beim Betrachten der Kriminalstatistik des Kantons Zürich aus dem Jahr 2020. Die Zahl der Straf­taten stieg zwar zwischen 2019 und 2020 von 399 auf 629, jedoch liegt Küsnacht damit nicht wesentlich höher als andere Gemeinden wie beispielsweise Zollikon.