Küsnachter wird geehrt für seine Hilfe

Erstellt von Nadia Saadi |
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Kürzlich zeichneten rund 300 Journalisten der marokkanischen Presseagentur MAP in Rabat die Persönlichkeiten des Jahres 2020 in sechs Kategorien aus. Unter ihnen der 74-jährige Küsnachter Hansjörg Huber, der für sein humanitäres Engagement geehrt wurde.

Der Küsnachter Unternehmer Hansjörg Huber steckte über zwei Millionen Euro in den Aufbau des ersten Kinderdorfes Dar Bouidar in Marokko. Das ist die Hälfte seines gesamten Vermögens. Das Dorf, das ausgesetzten Kindern ein liebevolles Zuhause schenkt, liegt rund 30 Kilometer südlich von Marrakesch, in der Nähe der Kleinstadt Tahannout. «Ich freue mich sehr über die Auszeichnung», sagt der 74-jährige Vater von zwei erwachsenen Söhnen, «meine Vision ist, dass eines Tages keine ausgesetzten Kinder mehr um ihr Überleben kämpfen müssen. Deshalb baue ich Kinderdörfer.»

Nach offiziellen Angaben werden in Marokko täglich rund 24 Kinder weggelegt, wie es heisst. Die Dunkelziffer liegt wohl weit höher. Huber erfuhr von den Schicksalen dieser Kinder und wollte etwas tun. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin schuf er ein ganzes Dorf aus dem Nichts und gründete die «Association Atlas Kinder». Atlas deshalb, weil das erste Kinderdorf am Fusse des Atlasgebirges liegt. Und, so Huber: «Atlas steht auch für die Weltkugel, für Internationalität. Ich möchte einen Leuchtturm schaffen, ein Pilotprojekt zur Nachahmung.»

Sensibilität für die Schwachen

Huber hat schon seit mehr als 50 Jahren eine Sensibilität für die Schwachen. «Wieso hat er nichts und ich habe alles? Diese Frage beschäftigt mich, seit ich als 22-Jähriger ein Kinderdorf in der Schweiz besucht habe.» Da habe er gewusst, dass er eines Tages etwas Ähnliches errichten möchte. Nachdem er seine Karriere als Unternehmer in der Versicherungsbranche beendet hatte, ist er dann in Marokko auf das Schicksal der weggelegten Kinder gestossen. «2008 zog ich gemeinsam mit meiner Lebensgefährtin von Küsnacht nach Marrakesch und beschloss, die Hälfte meines Vermögens abzugeben, um das erste Dorf zu errichten.» 2013 begann der Bau, 2015 zogen dann die ersten 30 Kinder ein. Heute leben rund 160 Kinder in Dar Bouidar.

Bindung an Heimatort Küsnacht

Huber hat nach wie vor eine starke Bindung an seinen Heimatort Küsnacht. «Hier bin ich geboren und aufgewachsen», erklärt er. Noch heute nimmt er regelmässig an den Klassentreffen seiner alten Schule teil, sofern es seine Zeit erlaubt.  Zurzeit baut Huber gemeinsam mit Partnern ein weiteres Kinderdorf, das einen Kilometer südlich vom ersten Kinderdorf Dar Bouidar liegt. Ziel ist es, dass noch Ende dieses Jahres die ersten Kinder dort einziehen können.

«Meine restliche Lebenszeit gehört den Kindern», sagt Huber – und nimmt es wörtlich. Von sechs Uhr früh bis spätabends ist er in Aktion. Kein Urlaub, keine Auszeit, keine Ablenkung. Wer ihn sieht, trifft ihn bei der Arbeit. Wie fühlt sich das an? «Ich bin der glücklichste Mensch auf Erden, denn ich bin Vater von über 160 Kindern.» Die Geschichte der Atlas-Kinder beginnt bei ihren leiblichen Müttern. Diese werden stigmatisiert, ausgegrenzt, verstossen. Die Mütter von unehelichen Kindern tragen in Marokko eine schwere Bürde. Und so setzen sie ihr Neugeborenes aus, legen es in höchster Not vor eine Moschee oder Polizeistation – in der Hoffnung, dass es gefunden wird.

Diese Mütter sind häufig Opfer von Vergewaltigungen oder unerfülltem Eheversprechen. Nachdem sie ihre Kinder verlassen mussten, landen diese dann vielfach in einer der überfüllten Auffangstationen des Landes. Einige der Atlas-Kinder kommen direkt von dort, die meisten aber werden Huber von Familiengerichten zugesprochen. «Ihre Herkunft oder Hautfarbe spielt für uns überhaupt keine Rolle», sagt Huber, «wir möchten jedem Kind ein liebevolles Zuhause schenken.»

Dabei setzt Huber vor allem auf Bildung. Er errichtete nicht nur eine eigene Vorschule und Grundschule im Dorf, sondern hat auch Pläne für die Zukunft seiner Atlas Kinder. «Wir sind für die Erziehung der Kinder verantwortlich und müssen ihnen später auch eine Ausbildung oder ein Studium ermöglichen», erklärt der Küsnachter. Geplant sei zunächst der Aufbau einer zentralen Mittelschule. Ausserdem seien Kooperationen mit Handwerksinstitutionen und weiterführenden Schulen angedacht. «Unsere Kinder sollen die Chance bekommen, später Handwerker, aber auch Ärzte, Anwälte oder Politiker zu werden.» Und das, sagt Huber, gelte selbstverständlich auch für die Mädchen.

*Nadia Saadi arbeitet für die Stiftung Atlas-Kinder

Spendenkonten und Infos unter der Homepage www.atlas-kinder.org