«Lebensqualität hat nichts mit Immobilienpreisen zu tun»

Erstellt von Daniel J. Schüz |
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Im grossen Gemeinde-Rating der «Weltwoche» ist Küsnacht deutlich abgefallen. Gemeindepräsident Markus Ernst (FDP) kann damit leben.

Markus Ernst, die Lage ist ernst ...
Warum?

In einer Bewertung von 933 Schweizer Gemeinden, veröffentlicht von der «Weltwoche», ist Küsnacht förmlich abgestürzt – innert Jahresfrist von Platz 19 auf 176. Das muss einem Gemeindepräsidenten zu denken geben.
Statt auf abstrakte Zahlen, die womöglich auf unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen basieren, schaue ich lieber auf die konkrete Realität – auf die Lebensqualität der Menschen. Und wenn ich sehe, wie sich die Befindlichkeit unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger und die Situation in der Gemeinde innert Jahresfrist entwickelt hat, erkenne ich keine besonders signifikante Veränderung – schon gar nicht eine zum Schlechten.

Nun aber wurden penibel berechnete Zahlen veröffentlicht, die zumindest die Reputation Ihrer Gemeinde beschädigen.
Was heisst schon Reputation? Rasch steigende Immobilienpreise, die in erster Linie diesem Ranking zugrunde liegen, bedeuten vor allem, dass es sich irgendwann nur noch äusserst Wohlhabende leisten können, hier zu wohnen. Wenn beispielsweise in der Zeitschrift «Bilanz» die reichsten Menschen in der Schweiz aufgelistet werden, hat das auch einen Einfluss auf das Ansehen der Wohngemeinde. Ich bezweifle allerdings, dass eine überdurchschnittlich hohe Dichte an vermögenden Bürgern einer positiven Reputation förderlich ist. Deshalb lege ich Wert auf eine gesunde soziale Durchmischung.

In Küsnacht wird relativ wenig Wohnraum neu gebaut, stellt die Studie fest. Und die Immobilienpreise haben sich «weniger dynamisch» entwickelt als in den meisten anderen Gemeinden.
Sie steigen jährlich um zwei bis drei Prozent. Und das ist aus meiner Sicht bereits hart an der Grenze eines gesunden Wachstums. Wenn die Immobilienpreise jährlich um fünf bis zehn Prozent steigen, mag dies wahnsinnig dynamisch aussehen. Aber freuen darüber können sich nur wenige. Aus der Perspektive der Mieter ist unsere relativ moderate Entwicklung eine gute Nachricht. Das ist mir wichtiger als der Abstieg in einem Ranking, das den Fokus recht einseitig auf Immobilienpreise legt. Im Übrigen gefällt mir unser Ortsbild mit seinen langsam gewachsenen Strukturen wesentlich besser als jenes der sogenannt dynamischen Gemeinden mit sterilen Retortenüberbauungen.

Welches Verkehrsmittel benützen Sie, wenn Sie zum Einkauf gehen – Ihre Füsse, das Velo, den ÖV, oder das Auto?
Wenn ich am Samstag den Wocheneinkauf tätige, setze ich mich ins Auto oder ich nehme das Fahrrad und den Rucksack. Unter der Woche steige ich fast ausschliesslich auf mein E-Bike. Zu Fuss gehe ich selten zum Einkaufen, der nächste Laden ist zwanzig Minuten entfernt, das ist mir mit vollen Einkaufstaschen zu weit. Ich wohne halt ein bisschen abgelegen.

Da sind Sie nicht der Einzige: Laut «Weltwoche»-Rating belegt Küsnacht unter dem Stichwort Dichte der Lebensmittelläden einen der letzten Plätze. Ihre Mitbürger auf dem Küsnachterberg müssen zum Einkaufen nach Zumikon oder Egg fahren.
Ich kann schlicht nicht nachvollziehen, dass Küsnacht in Bezug auf die Einkaufsmöglichkeit besonders schlecht abschneidet. Es ist nun einmal ein Trend, dass Einkaufsmöglichkeiten sich auf die Zentren konzentrieren, darauf kann ich kaum Einfluss nehmen. Auf der anderen Seite halten auf dem Land immer mehr Bauern ihre Produkte in Hofläden feil. Grundsätzlich sehe ich da keinen dringenden Handlungsbedarf.

Für die Publikation dieses Gemeinderatings ist «Weltwoche»-Herausgeber Roger Köppel verantwortlich. Der SVP-Nationalrat ist ein Küsnachter – ausgerechnet.
Ich bin sicher, dass er sich mit seiner Familie bei uns sehr wohl fühlt.

Obwohl Küsnacht laut «Weltwoche» so viel an Lebensqualität eingebüsst haben soll?
Da müssen Sie ihn schon selber fragen.

Haben wir gemacht. Roger Köppel liess uns auf Anfrage per Mail wissen, dass «dieses Rating alle möglichen fiskalischen Kriterien und auch die Bodenpreise berücksichtigt, die für mich als Einwohner nicht speziell ins Gewicht fallen. Ich freue mich jeden Tag, wenn ich nach Küsnacht nach Hause kommen kann».
Sag ich doch!

Platz 1 im «Weltwoche»-Ranking belegt übrigens die Stadt Zug. Könnten Sie sich vorstellen, vom Zürichsee an den Zugersee zu zügeln?
Das käme mir nicht im Traum in den Sinn.

Warum nicht?
Weil ich gerne als aktiver Bürger die Politik mitgestalten will – und nicht passiv herumhängen möchte wie ein Zuger Briefkasten.

Mit nahezu 15 000 Einwohnern ist Küsnacht eine von 933 Schweizer Gemeinden, die mehr als 2000 Menschen beherbergen. In welcher dieser Ortschaften lebt es sich am besten? Mit dieser Fragestellung beauftragt die Zeitschrift «Weltwoche» regelmässig die auf Immobilienbewertungen spezialisierte Beraterfirma IAZI (Informations- und Ausbildungszentrum für Immobilien). Für die Bewertung sind 50 Einzelindikatoren in sieben Kategorien ermittelt und bewertet worden. «Dabei machen die Indikatoren für die Immobilienpreise den Löwenanteil aus», erklärt IAZA-Analyst Christof Zöllig. Die Gemeinde mit dem besten Mittelwert liegt auf Rang 1: Zug. Der Name der Gemeinde mit dem schlechtesten Ergebnis (Rang 933) wurde nicht veröffentlicht. Küsnacht belegte vor Jahresfrist Rang 19 und ist um 157 Plätze auf Rang 176 abgestürzt. Das liege laut Zöllig «vor allem an der unterdurchschnittlichen Dynamik der Immobilienpreise». (djs.)