Live dabei, wenn das Ei ins Nest plumpst

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Sie haben Namen wie Fluffy, Gucci oder Popcorn und werden alle heiss geliebt: die acht Hühner, die seit vergangenem Mai das Albisrieder Schulareal In der Ey beleben.

Vor Unterrichtsbeginn am Nachmittag kauern etliche Kinder am Zaun des grossen Hühnerhofs auf dem Areal der Schule In der Ey und stecken den Hühnchen durch den Maschendraht hindurch Gräser zu. «Es gibt auch Hähne hier, die krähen amigs», informiert ein Bub. «Aber das stört überhaupt nicht.» Später erfährt die Besucherin, dass das nicht für ganz alle stimmt. Das lautstarke Gebaren des ersten Hahns habe zu Lärmklagen aus der Nachbarschaft geführt, erzählt Lehrer Sandro Franchini. Dass Hahn Charly nun nicht mehr da ist, sei aber vor allem eine Folge seiner Aggressivität: «Er griff manche an, die sein Revier betraten. Das geht natürlich nicht.» Trotzdem wurde auch der rabiate Hahn von den Schulkindern innig geliebt. Davon zeugt nicht zuletzt sein Foto, das am Zaun hängt. «Gedenkstätte für Charly», steht darunter. Das ist durchaus ernst gemeint: Jeden Tag gebe es unter dem Foto andächtige Versammlungen, beobachtet Franchini. Die zwei jungen Hähne, die heute noch zur achtköpfigen Hühnerschar auf dem Schulareal gehören, seien zum Glück friedlich und bisher auch akustisch tragbar.

Nachhaltige Begeisterung

Das Hühnerhof-Projekt wurde mit Blick auf den Lehrplan 21 im letzten Frühling auf die Beine gestellt. «Uns war wichtig, auch ein praxisnahes Projekt als Ausgleich zum theoretischen Lernstoff anzubieten», sagt Kindergartenlehrerin Martina Bee. Das Projekt, in das Schülerinnen und Schüler vom Kindergarten bis zur sechsten Klasse involviert sind, habe eine durchweg positive Resonanz, bilanziert sie. Kinder, Eltern, Lehrpersonen und sogar die Polizisten, die den Lärmklagen nachgehen mussten, seien begeistert. Zuerst habe man an einen Anfangshype gedacht, so Bee. Das Engagement der Kinder und auch der Eltern, die in den schulfreien Zeiten den Versorgungsdienst übernehmen, sei jedoch bis heute ungebrochen. Eine der involvierten Mütter, bestätigt denn auch: «Es ist extrem schön, zu sehen, wie viel Freude und Stolz es unserer Tochter bereitet, für die Hühnchen sorgen zu können.»

Die Kinder und Jugendlichen sind in wöchentlich wechselnden Diensten um das Wohl der Hühnerschar besorgt. Stets unter Aufsicht von Erwachsenen aus Schule und Hort. Die Arbeit ist nicht nur Vergnügen: Tägliches Ausmisten und eine wöchentliche Totalreinigung des Stalls gehören dazu. Beim Besuch von «Zürich West» erledigen die Kinder das, ohne mit der Wimper zu zucken. Beherzt nehmen sie gurrend-murrende Hennen aus dem Stall, greifen zu Eimer und Schäufelchen und machen sauber, füllen Wassernäpfe, sammeln Eier ein. Am meisten Spass macht ihnen jedoch das Füttern – und natürlich das Streicheln und Herzen, wobei Krallenkratzer auf den Armen klaglos hingenommen werden.

Wer mit wem im Hühnerstall?

Was gefällt ihnen sonst noch am Hühnerhof? «Dass die Hühner hier so viel Platz haben», meint Louis. Er giesse auch sehr gerne die neu gepflanzten Büsche auf der Hühnerwiese. Andere Kinder sind fasziniert vom sozialen Leben der Hühner. «Sie beobachten sehr genau, wissen stets Bescheid, wer mit wem kann und mit wem nicht», sagt Hortbetreuerin Beatrice Frischmuth. Wenn die Hackordnung durchgesetzt wird, finden die Kinder das allerdings gar nicht lustig. Frischmuth: «Sie sind ganz empört, wenn die Hühnchen streiten.»

Engagement zeigen die Schülerinnen und Schüler nicht nur bei der Versorgung. Hortleiter Nicolas Sciarrone berichtet, mit welch grossem Einsatz die Viert- bis Sechstklässler beim Zusammenbauen des Hühnerstalls und bei der Arealgestaltung mithalfen. Andere übernahmen Verantwortung bei der Aufzucht, dokumentierten Hühnerrassen, Haltungsformen, Platznormen. Die Dritten erstellen gerade einen Pflegeguide oder halten Leben und Arbeit im Hühnerhof auf Video fest – darunter übrigens auch ein genialer Ei-Plumps-Dreh von Milla und Olivia. Und wer weiss, bald steht vielleicht wieder Aufzuchtverantwortung an: Auf einigen Eiern, die letzte Woche durchleuchtet wurden, zeichneten sich bereits deutlich die Umrisse eines Hühnchenembryos ab. (Lisa Maire)