Männer wollten Privilegien behalten

Erstellt von Elke Baumann |
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Wer keinen Wehrdienst leistete, durfte nicht politisieren: Das Landesmuseum blickt 50 Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechts in der Schweiz zurück und zeigt den Kampf der Frauen für Menschen- und Bürgerrechte.

«Die Weiber sollen zu Hause kochen, statt abzustimmen»: Lange kämpfen viele Schweizer Männer dagegen, dass Frauen wählen dürfen. Doch vor 50 Jahren führt auch die Schweiz endlich das Frauenstimmrecht ein. Damit ist sie weltweit eines der letzten Länder, in denen den Frauen die vollen Bürgerrechte zugestanden werden. Ausgerechnet die zweit­älteste Demokratie der Welt hinkt dem Thema nach.

Aber genau diese frühe Demokratie war der Hinderungsgrund. Kann in anderen Staaten das Parlament dieses Recht einführen, ist das für die Schweiz nur durch eine Verfassungsänderung möglich – und diese erforderte einen Volks­entscheid. Und das Volk ist nun mal im Durchschnitt weniger aufgeklärt als die politische Elite. Ausserdem: Politik ist Männersache und der männliche Souverän lässt sich seine Privilegien nicht aus der Hand nehmen. Über 100 Jahre lang kämpfen die Schweizerinnen für ihr Stimm- und Wahlrecht. Schon 1868 verlangen die Zürcherinnen das aktive und passive Wahlrecht. Ihre Bemühungen verwehen. Frauen rufen Vereine für ihr Anliegen ins Leben, sie streiken, marschieren in einem friedlichen Demonstrationszug nach Bern und thematisieren die wertvolle Mitarbeit der Frauen in der Wirtschaft und in Bereichen des öffentlichen Lebens. Maler Hans Erni empfiehlt ihnen: «Liebesentzug».

Steter Tropfen höhlt den Stein

Es sind etliche Abstimmungen, Vorstösse, und Gerichtsurteile nötig, bis am 7. Februar 1971 die Männerbastion fällt. ­«Endlich, endlich, endlich. Von mir fallen Zentner» – so erleichtert war Gerdrud Heinzelmann, aktive Kämpferin für die Gleichberechtigung der Frauen.

Bei den eidgenössischen Wahlen vom 31. Oktober 1971 sind erstmals Frauen wahlberechtigt und wählbar. 13 Jahre ­später wird Elisabeth Kopp die erste gewählte Bundesrätin. Der Gang durch die Ausstellung im Landesmuseum zeigt, wie lange die Schweizerinnen auf ihre Rechte pochen mussten. Im Kampf um Gleichberechtigung gehen sie immer wieder auf die Strasse und machen mit Transparenten ihre Forderungen deutlich. Spruchbänder sind auch Wegweiser durch den chronologisch gestalteten Rundgang.

Schritt für Schritt werden Frauen mobiler, fahren Velo, studieren und reisen. Ein schwebendes Objekt der Künstlerin Erica Pedretti zeigt Flügel, die hoch hinaus wollen. Von der Schwerkraft befreit,  könnten sie aber – wie Ikarus – abstürzen. Ein Fingerzeig, wie nahe Höhenflug und Absturz in der Geschichte der Frauenemanzipation beieinanderliegen.

Fünfzig Pionierinnen treffen

Eine Botschaft bringt das Video «Ever Is Over All» von Pipilotti Rist. Eine junge Frau in einem leichten hellblauen Kleid und roten Schuhen geht beschwingt und leichtfüssig die Strasse hinunter. Die Ästhetik ihrer Bewegungen zeigt ein Gefühl von Freiheit und Selbstbefreiung.

Interessiert man sich für Biografien, trifft man fünfzig Pionierinnen aus verschiedenen Bereichen des Lebens. Dazu zeigt die aktuelle Sonderausstellung, die noch bis 18. Juli läuft, herausragende Zeitzeugnisse, Plakate, Literatur und Objekte aus den eigenen Beständen und internationalen Sammlungen.

Die Fülle und Qualität der Auswahl ist beeindruckend. Mit Touchscreen und gut lesbaren Texten lassen sich die Themen erweitern und vertiefen.

Wo stehen wir heute, 50 Jahre später, in Sachen Bürgerrechte, Emanzipation und Gleichstellung? Der Rundgang widmet sich den wichtigsten Fragen zu historischen Ereignissen – und zeigt, welche Kämpfe Frauen noch immer ausfechten müssen.

Ausstellung bis 18. Juli: www.landesmuseum.ch