Nachbarschaft wehrt sich gegen Neubau

Erstellt von Pia Meier |
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An der Witikonerstrasse in der Nähe vom Klusplatz soll inmitten eines historischen Ensembles ein Ersatzneubau entstehen, höher und wuchtiger als die anderen Gebäude. Die Stadt gewichtet die Gesamtinteressen höher als die Schutzziele.

Eine Gruppe von Nachbarinnen und Nachbarn steht im Garten und schaut verärgert auf die ausgesteckte Liegenschaft Witikonerstrasse 32 und 34. Sie weisen auf den Grünstreifen mit Biotop hin, der sich hinter den Liegenschaften durchzieht. «Dies wird alles zerstört durch den geplanten Neubau», sagt Nachbarin Lisa Herzog. «Und dies zu einer Zeit, wo Grünflächen wegen des Klimawandels ein zentrales Thema sind.» Sie sei aber nicht grundsätzlich gegen einen Neubau, sondern gegen dieses «Monstrum», das hier geplant sei. «Dieses passt nicht ins Quartier und zerstört das historische Ensemble», findet Herzog. Sie seien für ein erträgliches Mass, wenn schon ein Neubau erstellt werden soll. Zudem habe der Investor die Nachbarschaft nicht informiert über sein Bauvorhaben.

Interessengemeinschaft gegründet

Auch Nachbar Erich Späh ist überzeugt: «Es handelt sich hier um ein renditeorientiertes Neubauprojekt mit maximaler Ausnutzung.» Weiter weisen die Nachbarinnen und Nachbarn auf das Alter des Ensembles hin. Das betroffene Doppelhaus sei 1923 als Teil einer Wohnkolonie erstellt worden. Diese sei orts- und quartierprägend und charakteristisch für die damalige Gartenstadt.

«Die Gebäude sind gut erhalten mit zeitgemässen Wohnungen», betont Herzog. Und man kenne sich. So mache man jeweils beim Anlass «Offene Gärten» des Quartiervereins mit. Die Nachbarn haben deshalb die Interessengemeinschaft ­Lebensraum erhalten gegründet und Gemeinderäte aus dem Quartier mobilisiert. Zudem planen sie eine Einsprache gegen die Baubewilligung, wenn die Bauherrschaft die versprochene Rücknahme der Fassade gegen die Sempacherstrasse hin doch nicht realisiert. Würde die Fassade verschoben, könnte der Grünstreifen hinter dem Haus erhalten bleiben.

In den Wohnungen im Abbruchobjekt leben zurzeit zur Zwischennutzung Studenten. Das Baubewilligungsverfahren ist aktuell beim Amt für Baubewilligungen in Bearbeitung. Geplant ist dort gemäss Ausschreibung im «Tagblatt der Stadt Zürich» ein Ersatzneubau Mehr­familienhaus mit 14 Wohnungen und 13 Autoabstellplätzen. Die zuständige ­Person der Bauherrschaft gab bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme ab.

Politiker stellten Anfrage

Für den frisch gewählten Gemeinderatspräsidenten Mischa Schiwow (AL), der sich für den Erhalt des Ensembles engagiert, geht mit dem Ersatzneubau nicht nur schützenswerter Altbau verloren, sondern auch günstiger Wohnraum. Er setzt sich für gewachsene Quartierstrukturen und für den Erhalt von günstigem Wohnraum ein. Die Stadt habe im privaten Sektor jedoch keine Hebel, die Sozialverträglichkeit bei der Verdichtung einzufordern. Er hat deshalb zusammen mit Sofia Karakostas (SP) eine schriftliche Anfrage an den Stadtrat gerichtet.

Eine der Fragen betrifft das Bundes­inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung – kurz Isos genannt. Das Gebäudeensemble ist im Isos unter dem sogenannten Erhaltungsziel B eingestuft. Schiwow ist überzeugt, dass die Stadt die Empfehlungen des Isos nicht beachtet hat. Der Stadtrat hält in seiner Antwort fest, dass in ­diesem Geviert bei der Interessensabwägung die städtischen Entwicklungsziele den Schutzzielen des Isos übergeordnet wurden.

Lärmige Verkehrsachse

Ein weiterer Aspekt der schriftlichen Anfrage der Gemeinderäte betrifft den Lärm entlang der stark befahrenen Witikonerstrasse. Die geltende Bau- und Zonenordnung ermöglicht an solchen Achsen eine Zone mit erhöhter Ausnützung, obwohl dort häufig die Immissionsgrenzwerte der Lärmschutzverordnung überschritten werden.

Die Politiker Schiwow und Karakostas sind der Meinung, dass an solchen Strassen Bewilligungen für Ersatzneubauten mit erhöhter Ausnutzung beziehungsweise Verdichtung ausgesetzt werden sollten. Weiter sei es dort unabdingbar, Tempo 30 einzuführen.

In seiner Antwort hält der Stadtrat fest, dass die Verhältnismässigkeit von Tempo 30 auf diesen Achsen geprüft werde. Zudem: «Bewilligungsverfahren für Ersatzbauten an Strassen mit starker Lärmbelastung können nicht ausgesetzt werden. Erfüllt ein Bauvorhaben die gesetzlichen Anforderungen, hat die Bauherrschaft einen Anspruch auf die Erteilung der Baubewilligung.»

Weitere Achsen mit erhöhter Ausnützung sind beispielsweise die Birmensdorferstrasse, die Badenerstrasse oder die Schaffhauserstrasse.