443 Personen sind in den letzten 12 Monaten nach Herrliberg gezogen. Ein Teil von ihnen lernte am Neuzuzügertag nicht nur die Region besser kennen, sondern nutzte auch die Gelegenheit, um untereinander neue Freundschaften zu knüpfen.
Kürzlich verwandelte sich der Herrliberger Chilehügel in einen kleinen Turm von Babel: Nebst dem Hochdeutschen erfüllten Sprachfetzen in Englisch, Mandarin, Thai, Portugiesisch, Tschechisch, Schwedisch und noch vielen anderen Sprachen den malerischen Aussichtsplatz vor dem reformierten Kirchgemeindehaus. Und alle der insgesamt 75 angemeldeten Neuzuzüger – einschliesslich einer stattlichen Kinderschar – schienen sich bestens zu verstehen.
Nettozuwachs von drei Personen
Diese hohe Sprachendichte ist für Herrliberg nichts Aussergewöhnliches. Rund 70 verschiedene Nationen leben derzeit in der 6315 Einwohner (Stand Ende August) zählenden Seegemeinde, wie ihr Gemeindeschreiber Pius Rüdisüli bestätigte. 443 Personen sind in der Periode von September 2017 bis September 2018 neu hinzugezogen. Gleichzeitig seien aber 440 Personen wieder weggezogen respektive verstorben, was Herrliberg per Ende Kalenderjahr 2017 einen Nettozuwachs von lediglich drei Personen bescherte.
Gemeindepräsident und Gastgeber Gaudenz Schwitter räumte ein, dass diese hohe Fluktuation für die Gemeinde eine grosse Herausforderung darstelle, insbesondere was den Einbezug der Bevölkerung ins Dorfleben betreffe. Er müsse davon ausgehen, dass sich während seiner nächsten vier Jahre als Gemeindepräsident rund ein Drittel der Wohnbevölkerung erneuere, so Schwitter. Nichtsdestotrotz rührte er in seiner auf Schweizerdeutsch gehaltenen Begrüssung die Werbetrommel für Herrliberg. Dies wohl auch mit der Hoffnung, dass der eine oder andere doch etwas länger in der Gemeinde mit insgesamt 17 Bauernhöfen, mit der gut ausgebauten Infrastruktur, den gepflegten Naherholungsgebieten und den zahlreichen Vereinen verbleiben wird. Herrliberg sei mehr als eine «gesichtlose Gemeinde». Wer sich entscheide, sich am Dorfleben aktiv zu beteiligen, werde von den Herrlibergern mit offenen Armen empfangen. So wie er auch, schob Schwitter eine Anekdote nach: 2006 trat er dem Männerchor bei, und heute sei er Gemeindepräsident. Er schloss mit den Worten: «Wir sind hier an der Goldküste, aber hier in Herrliberg sind wir an der Perle der Goldküste.»
Blick auf die Villa Turner
Danach begab sich die multinationale Gästeschar, mit den Gemeinderäten Joel Gieringer und Thomas Dinkel im Schlepptau, zur Zürichsee-Rundfahrt mit Spaghetti-Plausch aufs Partyschiff Wadin. Schreiber Rüdisüli übernahm ganz spontan die Rolle des kompetenten Reiseleiters und zeigte seinen Passagieren die interessantesten Sehenswürdigkeiten: die Villa von Tina Turner in Küsnacht, den Dutti-Park in Rüschlikon oder die «Chemische» in Uetikon am See. Der gebürtige Ukrainer Konstantin Konischev ist mit seiner Familie aus London hierhergezogen. Er arbeitet als Jurist für eine Schweizer Grossbank in Zürich. Wenn man in einer Weltmetropole wie London gelebt habe, sei man sich an ein 24-Stunden-Leben gewohnt. Dass es in Herrliberg wesentlich ruhiger zu und her gehe störe ihn jedoch überhaupt nicht. Im Gegenteil: «Für meine Familie ist es hier fantastisch. Wir geniessen die frische Luft, die vielen Kinderspielplätze und die Tatsache, dass wir direkt ab Hof frisches Gemüse und Früchte beziehen können.»
Häuser liegen näher am See
Von etwas weniger weit entfernt, aus dem Zürcher Seefeld, ist der gebürtige Engländer Simon Tomkinson mit seiner Ehefrau mit helvetischen Wurzeln nach Herrliberg gezogen. «Wir suchten einen Ort, wo es eben noch so richtig schweizerisch ist», gibt der Banker zu Protokoll. Und, so hat er weiter festgestellt: Herrliberg unterscheide sich von den Nachbargemeinden insbesondere darin, dass hier die Häuser näher am See lägen.
Nach der Arbeit könne er hier unglaublich gut abschalten, lobt Richard von Wittgenstein-Talbot seinen neuen Wohnort. «Ich fühle mich eigentlich wie im Urlaub.» «Extrem sympathisch » findet er den Neuzuzügeranlass: «Es ist viel persönlicher, den Behördenmitgliedern die Hand zu geben, als ihre Gesichter nur im Internet anzuschauen.» Ein weiterer grosser Vorteil von Herrliberg sei für ihn, dass jede Liegenschaft mit Glasfaser verkabelt sei. «Einfach genial», so der gebürtige Deutsche. (ts.)