Pfarrer Ernst Sieber ist gestorben

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Der bekannte Obdachlosenpfarrer Ernst Sieber ist in der Nacht auf Pfingstsonntag 91-jährig im Kreis seiner Familie verstorben. "Die Schweiz und Zürich verlieren mit ihm den gegenwärtig wohl populärsten Pfarrer und Diakon“, schreiben die Sozialwerke Pfarrer Sieber (SWS) in einer Medienmitteilung. Die Beerdigung wird im engsten Familienkreis stattfinden. Damit die Öffentlichkeit von Pfarrer Sieber Abschied nehmen kann, wird eine Erinnerungsfeier stattfinden. Zeitpunkt und Ort stehen noch nicht fest und werden rechtzeitig bekannt gegeben.

Mit dem Hinschied von Ernst Sieber verlieren sozial desintegrierte Menschen einen aussergewöhnlichen Freund und herausragenden Fürsprech. Die Verdienste Pfarrer Siebers gehen jedoch weit über die Armenfürsorge hinaus. „Sein selbstloser Einsatz für Menschen am Rande der Gesellschaft hat das Verständnis breiter Gesellschaftsschichten für die Botschaft christlicher Nächstenliebe erneuert“, betont SWS-Gesamtleiter Christoph Zingg. "Mit seiner Familie trauern seine Freunde von der Gasse und wir von seiner Stiftung, die der umtriebige Pfarrer angesichts des Elends der offenen Drogenszene Zürichs 1988 gegründet hat."

Immer mehr Menschen leben in prekären wirtschaftlichen, medizinischen oder sozialen Verhältnissen. Auch in der Schweiz – trotz gut ausgebautem Sozialstaat. Die Not ist oft nicht augenfällig, daher nimmt sie die Öffentlichkeit kaum wahr. Sie ist eben mehr als wirtschaftliche Mittelknappheit. Menschliche Not entsteht ebenso aus Vereinsamung, psychischer und physischer Instabilität oder beruflichem und sozialem Scheitern und damit einhergehendem Identitätsverlust. Einer, der die Not früh erkannte, war Pfarrer Sieber. Während mehr als 60 Jahren setzte er sich ein für die Schwächsten und gab ihnen eine Stimme. Dabei wurde er stets von Menschen unterstützt, die die Not ebenfalls wahrnahmen und in ihm jenen Mann fanden, der als beherzter Initiator und unerschrockener Kämpfer vorausging.

Im Laufe seines Lebens schuf Ernst Sieber, der von 1967 bis zur Pensionierung 1992 Pfarrer der evangelischen Kirchgemeinde Zürich-Altstetten war, zahlreiche Einrichtungen für Menschen in Not. Am 24. Mai 1988 gründete er die Stiftung Sozialwerke Pfarrer Ernst Sieber, unter deren Dach ein Teil dieser Einrichtungen zusammengefasst wurde. Die Stiftung mit ihren 180 Mitarbeitenden und derzeit 16 Einrichtungen und Angeboten betreut seither im Sinne ihres Gründers jährlich bis zu 5000 sozial desintegrierte Menschen. Sie wird das auch weiterhin tun. Die Stiftung hat sich in den vergangenen Jahren zu einem professionellen, zugleich aber weiterhin mit viel Herzblut geführten Sozialwerk entwickelt. Beispielhaft für die erlangte Professionalität stehen die Zewo-Zertifizierung der Gesamtorganisation (seit 2009), die Rekole-Zertifizierung des Spitals Sune-Egge (seit 2012) sowie die QuaTheDa-Zertifizierung des Rehabilitationszentrums Sunedörfli (seit 2002).

„Der Tod von Pfarrer Ernst Sieber ist für Bedürftige und für uns eine Tragödie“, sagt Christoph Zingg. Obdachlose, drogenabhängige, vereinsamte und von Armut betroffene Menschen verlieren mit ihm einen grossen Freund. Zu verzweifeln brauchen sie jedoch nicht. Denn neben dem engagierten Pfarrer setzten sich unter dem Dach der Stiftung Sozialwerke Pfarrer Ernst Sieber schon seit Jahren auch viele andere Menschen für sie ein. „Diese Arbeit werden wir im Sinn und Geist Ernst Siebers weiterführen“, so Zingg, „mit grossem Herzen und professionellem Arbeiten.“ (pd. / Foto: Archiv)