Der Treuhanddienst der Pro Senectute Zürich ehrte seine langjährigen Freiwilligen jedes Jahr mit einem Event. Die Reporterin und Dokumentarfilmerin Marianne Pletscher stellte dabei ihr Buch über ein gutes Leben im sehr hohen Alter vor.
Den Treuhanddienst der Pro Senectute gibt es seit 1997. Derzeit sind im Kanton Zürich rund 600 Freiwillige als Treuhänder im Einsatz, die sich um die finanziellen Angelegenheiten ihrer Klientinnen und Klienten kümmern: Schulden, Steuererklärungen, Rechnungen und vieles mehr.
«Es wird immer schwieriger, Menschen wie Sie zu finden», wandte sich Franjo Ambrož gleich zu Beginn des Anerkennungsanlasses im Alterszentrum Hottingen dankbar an die rund 150 anwesenden Freiwilligen und Besucher. Der Vorsitzende der Geschäftsleitung gab seine Pensionierung nach 13 Jahren bekannt – und gestand, halb schamhaft, halb im Scherz, dass seine Agenda noch nicht derart mit Projekten, Reisen und Aufgaben gefüllt sei, wie es sich allem Anschein nach heutzutage gehöre.
Enkelbetrüger warten lassen
Der gebürtige Slowene zeigte sich darüber besorgt, dass er in letzter Zeit wieder häufiger als Experte für das Thema «Enkelbetrug» von Medien angefragt werde, als ob er eine Lösung dafür parat hätte. Doch betreffe das Problem natürlich auch einige der Klientinnen und Klienten des Treuhanddienstes. Sein Tipp deshalb: «24 Stunden nicht handeln! Das ist der Rat, den Sie Ihren Mandanten geben können. Immer zuerst abwarten und mit der Familie oder Freunden über die Situation reden.» Als Gast war die bekannte Fernsehreporterin und Dokumentarfilmerin Marianne Pletscher eingeladen worden, um über ihr neues Buch «90plus mit Gelassenheit und Lebensfreude» vorzustellen. Mitgebracht hatte sie Johanna Fischer, die im Buch aus ihrem Leben und ihrer Tätigkeit, als mit 92 Jahren wahrscheinlich älteste Freiwillige in der Schweiz erzählte.
Positive Lebenseinstellung
Pletscher verortete das Rezept für ein gelungenes Altern während ihrer Recherchen und zahlreichen Begegnungen mit Menschen über 90 einerseits in gesundheitlichen Aspekten wie Genetik und aktiver Lebensführung, aber auch in einer inneren Haltung. Im Fachjargon spricht man auch von Resilienz. Einer Art Widerstandsfähigkeit und der, salopp gesagt, positiven Einstellung, sich das Leben von den Schwierigkeiten des Alltags nicht madig machen zu lassen. Davon, was diese Gelassenheit bedeuten könnte, gab Johanna Fischer, die sich mit als heimlicher Star des Events entpuppte, daraufhin einige Kostproben. Etwa anhand des Schweizers liebsten Sorgenkinds – der Waschküche. «Wenn ich sie einmal nicht so vorfinde, wie ich es gern hätte, dann räume ich sie eben selber schnell auf. Da rege ich mich nicht auf. Junge Mütter haben sehr viel anderes zu tun.» Fischer lebt heute zusammen mit einer zehn Jahre jüngeren Frau in einer Wohngemeinschaft, in der sie sich die Arbeit teilen. Ihre Mitbewohnerin glättet, putzt und erledigt Hausarbeiten, Fischer kümmert sich um die Einkäufe, die Wäsche und kocht. «Das ist auch Training», sagt sie mit einem Lächeln. «Neun Liter Mineralwasser kann ich noch gut ins Auto heben.»
Ihr Alltag ist auch so gut gefüllt. Fischer hat zehn Enkelkinder, arbeitet seit 25 Jahren einmal in der Woche als Freiwillige im Alters- und Pflegezentrum Käferberg und kümmere sich um finanzielle Angelegenheiten einiger Bekannter, etwa indem sie die Steuererklärungen für sie erledige oder Börsengeschäfte am Computer tätige. «Börselen » sage sie dazu, warf Pletscher ein und führte aus, dass die ehemalige KV-Angestellte persönlich rund 40 Titel verwalte. Darauf Fischer: «Komischerweise schneiden meine Bekannten, wenn ich mit den Aktien handle, oft etwas besser ab als ich selber.» Auf die Frage, ob sie während der Finanzkrise viel Geld verloren hätte, entgegnete Fischer, dass der Crash 1988 viel schlimmer gewesen sei. Ausserdem «kann man die Verluste ja wieder aufholen». Der Arzt habe ihr einmal geraten, jeden Tag eine Viertelstunde spazieren zu gehen, dafür hätte sie aber oft zu wenig Zeit.
Der zweite Teil des Anlasses galt der Ehrung der langjährigen Freiwilligen für ihr 5-, 10-, 15- oder 20-jähriges Engagement. Sie erhalten eine Anerkennungsurkunde, Reka-Checks und Produkte zum Essen vom Ländli an der Feldeggstrasse, einer Einrichtung für die soziale und berufliche Integration von psychisch beeinträchtigten Menschen.
Herausforderung sture Behörden
Manfred Portmann und Myrtha Zoller sind die beiden für ihre 20-jährige Tätigkeit ausgezeichneten Freiwillige. Die 87-Jährige aus Albisrieden kann den Ausführungen von Marianne Pletscher und Johanna Fischer nur zustimmen. Sie lebt allein in einem Haus, das sie sich mit einer Mutter und ihrem jungen Sohn teile. Dass eine ihrer Mandantinnen an Demenz erkrankt ist, empfindet sie als besonders anspruchsvoll.
Josef Lautenschlager, einer von 13 Freiwilligen, die seit 15 Jahren im Einsatz stehen, bezeichnet die mitunter behördliche Sturheit als eine wesentliche Herausforderung seiner Tätigkeit, wenn es um Zahlungsziele und Betreibungen gehe. Andererseits treffe er bei seiner Arbeit auf spannende Menschen wie einen ETH-Ingenieur, der 30 Jahre lang auf der Strasse gelebt hätte, den er sonst nie kennen gelernt hätte. Im Wesentlichen, und darin stimmen alle Geehrten überein, komme im ehrenamtlichen Kontakt mit ihren Mandantinnen eigentlich immer mehr zurück, als man gebe. (Alexander Vitolic)