Quartierplanung: Furcht- oder fruchtbar?

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Quartiere brauchen viel Zeit, um zu erwachen. Zu viele Planer würden dies aber mit seltsamen Ideen verzögern, findet Röbi Stolz, der neue Quartiere hat wachsen sehen.

Der Ort passte ideal zum Thema: Im Kultur-Container von Vesna Tomse auf der Brache im Glattpark sprach Röbi Stolz über Quartierentwicklung. Er befand sich in mehrfacher Hinsicht mittendrin: geografisch zwischen dem Opfiker Neubaugebiet Glattpark und seinem benachbarten Zürcher Pendant, dem Leutschenbach; zeitlich, weil er seit 57 Jahren in höchstens zwei Kilometern Entfernung von hier lebe; und er war drittens Gründungsmitglied und Präsident mehrerer Vereine, die sich um die Belebung von Zürichs neuem Norden bemühten.

Seit seiner Kindheit ist aus dem ziemlich geschlossenen Industriegebiet nördlich des Bahnhofs Oerlikon das Quartier Neu-Oerlikon entstanden, sagte Stolz kürzlich vor einer Handvoll Gäste – Mitglieder des Vereins Wunderkammer Glattpark und gleichzeitig Anwohner. «Schon der Name ist seltsam, denn die meisten Fabriken standen schon, als Oerlikon Anfang des letzten Jahrhunderts erst zu wachsen begann», rückt der selbstständige Unternehmer einer Velo-Manufaktur die geschichtlichen Abläufe zurecht. Dieser industriellen Herkunft war man sich bei Zürichs Stadtplanern auch bewusst, als die Industrie vor gut 30 Jahren auszog und so 70 Hektaren Flächen frei wurden: Gewürdigt wurde sie, indem man in den Bauvorschriften beispielsweise festlegte, dass die Fassaden – wie die abgebrochenen Fabrikhallen – keine Balkone haben dürfen. «Das versteht heute niemand», ist Stolz überzeugt. Auch fehlen – anders als im Glattpark – Ladenflächen in den Erdgeschossen, die das Quartier beleben könnten.

(Fehl-)Planungen helfen nicht

Auch in den Pärken hätten die Planer an der Nutzung vorbeigeplant: eine Art Sonnendach, das nicht wirklich Schatten spendet, Bäume, die aufgrund des schlechten Untergrunds (meist belastete und daher versiegelte Böden) kaum wachsen, einen langen Gang, den man aber mangels genügend Notausgängen nicht betreten kann, und ein Pavillon ohne WC.

Die Vereine, die dem neuen Quartier mit Festen und Veranstaltungen Leben und Identität einhauchen sollten, wurden nach einer gewissen Euphorie allesamt aufgelöst. «Es ist eine bittere Realität: Niemand wollte die Nachfolge und damit Verantwortung übernehmen.»

Stolz resümiert, dass Identität «etwas sei, das schon immer da war». Und dieses «schon immer» stelle sich erst ein, wenn eine Generation heranwachse, die hier geboren sei. Deshalb lasse sich das auch mit Geld und Engagement schlecht einimpfen, findet Stolz. «Die serbelnden Bäume sind ein Sinnbild dafür: Ohne genügend Humus, ohne guten Grund kann es nicht wachsen.» (pd.)