Quartierverein kritisiert die «faule Tour»

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Seit dem 1.1.2019 ist die Ticketeria am Goldbrunnenplatz zu, obwohl der Kantonsrat für eine Wiedereröffnung ist. ZVV und VBZ wollen zwei Jahre lang warten und nichts tun.

Seit dem 1.1.2019 ist die Ticketeria am Goldbrunnenplatz zu, obwohl der Kantonsrat für eine Wiedereröffnung ist. ZVV und VBZ wollen zwei Jahre lang warten und nichts tun.

Lorenz Steinmann

«ZVV und VBZ wollen das Problem aussitzen und berücksichtigen Kundenwünsche nicht», nervt sich Urs Rauber, Quartiervereinspräsident Wiedikon. «Das ist eine faule Tour.» Er fordert, dass die Ticketeria raschestmöglich wiedereröffnet wird. Er stützt sich auf einen Entscheid, den der Kantonsrat vor wenigen Wochen gefällt hat. Stossrichtung: Der Regierungsrat solle alles unternehmen, damit die Ticketeria als Service-public-Einrichtung wieder im Angebot sei. Doch ZVV und VBZ wollen nun warten, wie der Regierungsrat entscheidet, steht in einem «Zürich West» vorliegenden Schreiben. Auf die Idee des Quartiervereins, man helfe gerne mit, den Schalter wieder in Schuss zu bringen, gehen ZVV und VBZ nicht ein. «Bis zum Entscheid des Regierungsrates können wir keine Angaben zum weiteren Vorgehen machen.» Auf Anfrage will sich auch die Volkswirtschaftsdirektion von Carmen Walker Späh nicht äussern. «Laufende Geschäfte können wir – wie üblich – nicht vorab kommentieren resp. dessen Meinungsbildung vorwegnehmen», so eine Sprecherin.

Saniert für 1,3 Millionen Franken

Dabei wurde die Ticketeria erst vor sieben Jahren zusammen mit einem Kiosk und einem ZüriWC für 1,3 Millionen Franken umgebaut. Wegen eines Sparentscheids des Kantons schlossen die VBZ die Ticketeria vor neun Monaten. Schon damals wurde laute Kritik geäussert. «Wortbruch des ZVV und von Regierungsrätin Carmen Walker Späh», so die Schlagzeilen. Auch «Zürich West» berichtete. Urs Rauber ist überzeugt, dass nicht alle öV-Benutzer fürs Ticketing ein Handy oder einen Computer benutzen können oder wollen. «Big Brother lässt grüssen», so der ehemalige NZZ-Redaktor. Auch ein Ticketautomat sei nicht immer eine Alternative und oft wüssten gerade Ausländer nicht, damit umzugehen. Dieser Anteil sei mit 34 Prozent in Alt-Wiedikon überdurchschnittlich hoch.

Das kann Sinnathurai Nagananthan bestätigen. Der Mit-Pächter des Kiosks hat täglich Anfragen wegen VBZ-Tickets. Er hat das leer stehende Lokal gemietet, auch aus einer Not heraus, damit nicht plötzlich Konkurrenz für seinen Kiosk entsteht. Eine Untervermietung kam bisher aber nicht zustande, obwohl sich auf einen Aufruf des Quartiervereins über ein halbes Dutzend Interessenten gemeldet hatten. Nun machte Sinnathurai Nagananthan aus der Not eine Tugend und nutzt den Raum seit vergangenem Montag als Aufenthaltsfläche für seinen Kiosk. «Wenn es kühler wird, passt das», so Nagananthan.

Der Quartierverein Wiedikon ruft die Bevölkerung nun auf, «sich engagiert für die Wiedereröffnung der Ticketschalter – auch jenes in Schwamendingen – einzusetzen». Per Brief oder via Social Media. Eine Möglichkeit wäre laut Rauber die Schaffung eines «Quartier-Help-Points». Darin könnten öffentliche Serviceleistungen gebündelt werden, die von einem Abbau bedroht sind: VBZ- und SBB-Ticketverkäufe, Post-Dienstleistungen, Personenmeldungen (nach der Aufhebung von Kreisbüros), Wegweiser zu städtischen Ämtern, Bauausschreibungen. Die Idee ist interessant, zumal die Stadt viel Geld für die Quartierentwicklung («Soziokultur») in die Hand nimmt, freilich aus einem anderem Kässeli.