Den QV5 umzubauen, benötigt mehr Zeit, als der neue Vorstand annahm. Vom alten Präsidenten erhielt er die nötigsten Unterlagen. Mehr nicht.
Ohne den ehemaligen Präsidenten Helmuth Werner funktioniere der Vorstand schon ganz anders, sagt Stefan Urech. Der Webmaster des Quartiervereins Zürich 5 Industriequartier (QV5) wählt die Worte mit Bedacht. Vieles habe Werner mit sich selbst oder in kleinem Kreis abgemacht, sagt Urech. Der neue Vorstand spreche sich viel stärker ab.
Nicht weniger als 24 Jahr lang hatte Werner oft eigenmächtig entschieden, was zwischen Limmat und SBB-Geleisen wichtig war und was nicht. Das wäre möglicherweise noch lange so gegangen, doch an der Generalversammlung des QV5 im Juni sahen sich Werner und die Seinen vor die Wahl gestellt: Rücktritt oder Abwahl («Zürich West» berichtete). Werner wählte den Rücktritt und mit ihm fast der ganze alte Vorstand. Nur Urech blieb und wurde wiedergewählt. Neu gewählt wurden fünf Mitglieder und Präsidentin Andrea Aebi.
Zur Ablösung des alten Vorstands will Aebi nicht im Detail Stellung nehmen. «In der Vergangenheit herumzuwühlen bringt nichts», sagt sie. Die Kasse habe der neue Vorstand erhalten, «in minimaler Form» auch die Mitgliederlisten. Weitere Akten und Materialien fehlten ebenso wie der Zugang zum Archiv. Seine Aufgaben hat der neue Vorstand mittlerweile verteilt: Stefan Minder und Vize-Präsidentin José Wolf sind für Mitglieder, Aktuariat und Veranstaltungen zuständig, Nikolas Wolf ist Kassier, Marco Müller und Thomas Raoseta behandeln die Themen Quartierentwicklung, Bau und Verkehr. Aebi leitet den Verein, pflegt die Kontakte nach aussen und ist für die Kommunikation zuständig. «Alle sind voller Tatendrang und mit viel Energie ans Werk gegangen», sagt Urech, der sich weiter um die Website kümmert.
Trotz ihrer grossen Erfahrung in Vereinsarbeit habe sie den zeitlichen Aufwand unterschätzt, sagt Präsidentin Aebi. «Wir finden überall offene Türen vor und werden von verschiedensten Seiten für ein Kennenlernen und zur Zusammenarbeit angefragt.» Der Vorstand begrüsse das, doch eine derartige Menge an internen und externen Fragen, Ansprüchen und Themen habe niemand erwartet, sagt Aebi. «Wir sind alle ehrenamtlich tätig.» Auf all diese Anstösse zu reagieren koste viel Zeit, ebenso wie das Zusammentragen von Informationen zu Bau- und Verkehrsprojekten und das Kontaktknüpfen.
Wegen der hohen Arbeitsbelastung habe der Vorstand eigene Projekte zurückstellen müssen, sagt Aebi. So werde es einen Mailversand auch für Nichtmitglieder zur Tätigkeit des QV5 und interessanten Themen im Quartier erst Anfang 2019 geben. Der neue Vorstand habe seine Ressourcen dafür verwenden müssen, «um ohne Unterlagen des alten Vorstandes» zusammen mit anderen Organisationen Anlässe wie das Street-Soccer-Turnier, den Räbeliechtliumzug und die Kinderfasnacht zu organisieren und neu aufzugleisen.
Eigene Rolle neu definieren
Ob all dieser Aufgaben sei der Vorstand auch noch nicht dazu gekommen, die Rolle des Quartiervereins 5 neu zu definieren, bedauert Aebi. Die Frage etwa, in welcher Form der QV5 Plattform für den Austausch werden soll von Personen und Organisationen im Quartier, sei ebenso ungeklärt wie diejenige, ob der Quartierverein künftig Parolen fassen soll zu Vorlagen wie der Stadionabstimmung.
Ein Quartierverein müsse sein Quartier so gut wie möglich abbilden, findet Aebi. «Mein Anspruch ist es, diejenigen Bewohner mit einzubeziehen, die nicht oder noch nicht Mitglied sind.» Aebi denkt dabei auch an Migranten und Ausländer, die bisher«überhaupt nicht eingebunden» seien. Damit beim Werben um neue Mitglieder die unüblich hohen Jahresbeiträge nicht mehr im Weg stehen, will der Vorstand diese senken (siehe Kasten unten). «Ein Quartierverein muss offen sein für alle», sagt Urech, der für die SVP im Gemeinderat sitzt. Es gebe so viele engagierte Bewohnerinnen und Bewohner, die für ihr Quartier viel Zeit gäben, aus unterschiedlichen Gründen. Urech findet es sehr wichtig, dass sich ein Quartierverein alle Meinungen zu einem Thema anhört und diese bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt. Das sei heute in einigen Quartieren nicht der Fall und sei auch im Kreis 5 unter Präsident Werner nicht so gewesen.
Die hohen Hürden für einen Beitritt zum Quartierverein Zürich 5 Industrie waren ein Grund, weshalb im Kreis 5 quartiervereinsähnliche Vereine entstanden, wie etwa die IG Hardturm. Deren Anspruch auf finanzielle Unterstützung nahm die Stadt mit als Anlass, die Zusammenarbeit mit allen 25 Quartiervereinen auf den Prüfstand zu stellen. In einem Mitwirkungsverfahren werden die Schnittstellen zwischen Stadtverwaltung, Quartiervereinen und anderen Organisationen neu bestimmt. Dabei geht es auch darum, wie ab dem Jahr 2020 die städtischen Subventionen verteilt werden sollen.
Ungünstiger Zeitpunkt
«Wir lehnen ein ergebnisoffenes Verfahren nicht ab, aber es kommt für uns zu einem ungünstigen Zeitpunkt», sagt Aebi. Der QV5 werde sich deshalb zwar wie die anderen Quartiervereine an der Diskussion über die Schnittstellen beteiligen. Um Einsitz in die fünfköpfige Spurgruppe habe sich der QV5 wegen der hohen internen Arbeitsbelastung aber nicht beworben, sagt Aebi. «Unsere Ansichten werden in der Spurgruppe dennoch gut vertreten sein.» (David Herter, Screenshot: chreis5.info)
Zuerst ausserordentlich, dann öffentlich
An der ausserordentlichen Generalversammlung vom Donnerstag, 15. November, beantragt der Vorstand des Quartiervereins Zürich 5 Industriequartier, die Mitgliederbeiträge zu senken. Das soll mehr Menschen und Organisationen einen Beitritt ermöglichen. Eine Einzelmitgliedschaft soll neu 30 Franken kosten (bisher 50 Franken). Als «Lebensgemeinschaft» sollen neu Paare, Familien und Wohngemeinschaften beitreten können (50 Franken).
Im Anschluss an die Generalversammlung lädt der QV5 um 20 Uhr zu einem öffentlichen Anlass. Moderiert von Regula Weiss und mit Gast Beni Weder, Präsident des QV Wipkingen, sind Interessierte eingeladen, im Kulturpark an der Pfingstweidstrasse mitzudiskutieren über Rolle und Aufgaben des QV5. (dh.)