Das städtische Restaurant Frieden an der Wehntalerstrasse in Affoltern soll einer neuen Tramlinie Platz machen. Nun der Paukenschlag: Der Immobilieneigentümer und Bauingenieur Urs Räbsamen will es im Baurecht übernehmen, auf eigene Kosten verschieben, instand setzen und betreiben.
Eigentlich waren die Tage des Restaurants Frieden an der Wehntalerstrasse 444 gezählt. Das 1892 erbaute Haus steht einer Strassenverbreiterung im Zusammenhang mit der neuen Tramlinie im Weg, die das Quartier Affoltern über den Bucheggplatz mit dem Stadtzentrum verbinden wird. Dazu kommt, dass das Lokal wirtschaftlich schwierig zu betreiben ist, da das Gästeaufkommen wegen fehlender Arbeitsplätze in der Umgebung beschränkt ist. Trotzdem erwuchs einem Abbruch Widerstand: 2021 wurde eine Petition eingereicht, die den Erhalt des Restaurants verlangte. Es sei «seit über 100 Jahren Treffpunkt und Herzstück des Quartiers Affoltern», wurde argumentiert («Zürich Nord» berichtete). Geführt wird das Restaurant seit 23 Jahren von Heinz Kolb und von Claudia Alter. Beide sind im Quartier aufgewachsen und verwurzelt. Dies war mit ein Grund, warum sie die Pacht von der Stadt Zürich zugesprochen bekommen haben. Besonders sie haben in den letzten Jahren gebibbert wegen der eigenen Zukunft und auch jener des «Friedens».
Etwa 3,7 Millionen Franken
Nun zeichnet sich eine Lösung ab, wie die Stadt in einer Mitteilung schreibt. Die Abteilung Liegenschaften Stadt Zürich, die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ), die Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich (SAW), deren Siedlung «Frieden» auf dem Nachbargrundstück steht, sowie der umtriebige Immobilieneigentümer und Bauingenieur Urs Räbsamen haben kürzlich eine Absichtserklärung («Letter of Intent») unterzeichnet. Diese sieht vor, dass Räbsamen die Liegenschaft im Baurecht übernimmt, das Gebäude um einige Meter in nördlicher Richtung verschiebt, instand setzt und als Quartierrestaurant weiterführt. Räbsamen hat – als Baurechtnehmer oder Käufer – bereits mehrere Restaurants vor dem Aus bewahrt und ihnen erfolgreich neues Leben eingehaucht, so etwa dem «Alten Löwen» in Oberstrass, der «Nordbrücke» in Wipkingen, der «Krone» in Altstetten oder auch dem «Rössli» in Aesch. Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie wurden die Kosten, die der Baurechtsnehmer alleine tragen wird, auf rund 3,7 Millionen Franken geschätzt: 2,5 Millionen Franken für die Verschiebung, 1,2 Millionen Franken für die Instandsetzung. Der Termin für die Verschiebung ist laut der Stadt abhängig vom Fortschritt des Projekts Tram Affoltern; sie kann voraussichtlich frühestens in der ersten Hälfte 2026 stattfinden.
Im Baurecht an Räbsamen
Dass die Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich Mitunterzeichnerin der Absichtserklärung ist, hat laut der Medienmitteilung zwei Gründe. Zum einen wird das «Frieden»-Gebäude nach der Verschiebung die Mindestabstände zur SAW-Siedlung unterschreiten, weshalb die Stiftung dem Baurechtnehmer ein Näherbaurecht einräumen wird.
Zum andern wird auch ihre Parzelle durch die neue Verkehrsführung verkleinert. Das hätte zur Folge, dass das Grundstück nicht mehr gross genug wäre, um bei einer allfälligen Erweiterung der Siedlung vom Arealbonus profitieren zu können. Vorgesehen ist deshalb, die LSZ-Parzelle, auf der das Restaurant Frieden steht, an die SAW zu übertragen, die sie dann im Baurecht an Urs Räbsamen abgibt. Der Arealbonus ermöglicht den Bau von zusätzlichen 10 bis 20 Alterswohnungen.
Quartierverein: Doppelte Freuden
Im Quartier nimmt man die Nachricht erfreut zur Kenntnis. Die Quartiervereinspräsidentin Pia Meier sagt auf Anfrage: «Die Freude ist gross, dass das Restaurant Frieden, ein Treffpunkt fürs Quartier, erhalten bleibt, nachdem jahrelang von einem Abriss die Rede gewesen war. Wir begrüssen es zudem, dass trotzdem eine Erweiterung der Alterssiedlung Frieden möglich ist, denn Alterswohnungen sind in Affoltern gesucht.» Laut Pia Meier besitzt Räbsamen neben den erwähnten Liegenschaften in Affoltern auch den historischen Gasthof Löwen am Zehntenhausplatz, der momentan als indisches Restaurant noch Luft nach oben hat, sowie die Liegenschaft nebenan an der Zehntenhausstrasse.
Treibende Kraft hinter der bestechenden Idee waren die VBZ, wie es von der Stadt auf Anfrage heisst. Man befürchtete Verzögerungen, weil ein Abriss doch umstritten gewesen wäre. Unterstützt wurden die Verhandlungen zudem stets von Stadtrat Daniel Leupi (Grüne).
2012 das ehemalige Direktionsgebäude der MFO
Vor fast genau zehn Jahren, am 22. Mai 2012, wurde beim Bahnhof Oerlikon das ehemalige Direktionsgebäude der Maschinenfabrik Oerlikon (MFO) versetzt: Um 60 Meter wurde das 6200 Tonnen schwere Haus verschoben. Bald folgt also in Affoltern ein ähnliches Spektakel. (pd./ ls.)