Romanelli zieht die Konsequenzen

Erstellt von Lorenz Steinmann |
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Olivia Romanelli, Gemeinderätin der AL für die Kreise 1 und 2, wollte für den Stadtrat kandidieren, stattdessen zieht sie sich nun aus der Politik zurück. Sie kritisiert die Arbeitsbelastung im Rat und den tiefen Lohn für faktisch 50 Prozent.

Olivia Romanelli, Sie sind erst seit 2019 im Gemeinderat, nun treten Sie bei den Gesamterneuerungswahlen 2022 nicht mehr an. Welches sind die Gründe?

Für das Gemeinderatsmandat hatte ich mein Arbeitspensum stark reduziert, denn ich wusste, dass zu Beginn viel Arbeit auf mich zukommen würde. Der Aufwand ist mit der Zeit jedoch nicht weniger geworden und damit auch die Vereinbarkeit von Beruf und Politik schwierig geblieben. Nun habe ich mich dazu entschieden, mich beruflich stärker zu engagieren. Mich nochmals für die Wahl aufstellen zu lassen, um dann kurz darauf zurückzutreten, war für mich aus Fairness gegenüber den Wählenden keine Option.

Welchen Einfluss hatte der AL-Entscheid, dass Walter Angst und nicht Sie für die Stadtratswahlen nominiert wurde?

Als ich von der Findungskommission für die Kandidatur angefragt wurde, musste ich mir diesen Schritt sehr gut überlegen. Im Zuge dieser Überlegungen wurde mir bewusst, dass ich viel Energie und Lust habe, wieder etwas voll anzupacken, statt halb hier und halb da. In diesem Sinne war auch die Nicht-Nomination richtungsweisend.

Ein Gemeinderatsmandat beansprucht schnell einmal 15 Stunden in der Woche. Könnte dies einer der Gründe sein, warum die Fluktuation im Gemeinderat pro Session bis zu 40 Prozent beträgt?

Sie sprechen nur die Präsenzstunden an, die man in der Fraktionssitzung, der Gemeinderatssitzung und der Kommissionssitzung verbringt. Die Vorbereitungszeit, in denen man die Weisungen und Vorstösse studiert, Recherchen macht, den Kontakt zu Involvierten sucht, ­E-Mails beantwortet, Artikel schreibt, Wahlkampf macht und so weiter ist in Ihrer Rechnung noch nicht enthalten. In einer kleinen Partei wie der AL ist man in der Kommission alleine und kann die Arbeit nicht aufteilen. Zurzeit bin ich in drei Kommissionen. Auch so etwas lässt sich in kleinen Parteien manchmal nicht vermeiden. Diese Arbeitslast ist schwer mit dem Milizsystem unseres Stadtparlaments vereinbar. Wir erhalten Sitzungsgelder in der Höhe von etwa 1200 Franken pro Monat. Davon gibt man bei den meisten Parteien jedoch 20 bis 30 Prozent an die Partei ab. 900 Franken für einen 40- bis 50-Prozent-Job ist sehr wenig. Es bräuchte so etwas wie ­einen bescheidenen Lohn mit Pensionskassenbeiträgen, sodass es sich auch jemand mit tiefem oder mittlerem Einkommen leisten kann, sich ins Parlament wählen zu lassen. Im Moment haben wir die Situation, dass man sich den Sitz im Gemeinderat finanziell leisten können muss. Ein anderer Punkt ist sicher auch der, dass die Ratssitzungen in der Regel bis nach 22 Uhr dauern, auch die Kommissionssitzungen sind abends. Die Vereinbarkeit von Beruf und Stadtparlament ist zunehmend schwierig.

Die NZZ schrieb bei Ihrer Stadtratskandidatur, dass für Sie «das Unverbrauchte, der frische Wind, den sie in die Politik bringt, aber selbstverständlich auch Ihr Geschlecht» spreche. Kehren Sie ab Februar 2022 später doch wieder zurück in die Politik?

Das schliesse ich nicht aus. Ich bin ein politischer Mensch.    


Das Interview wurde schriftlich geführt.