Sie scharen sich um ihre Königin

Erstellt von Pascal Turin |
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Einen Schönheitspreis gewinnt der Nacktmull keinen. Allerdings lebt er auch im Zoo Zürich meist im Dunkeln, wo das Aussehen eine untergeordnete Rolle spielt. Die schrumpligen Nagetiere sind eine Besonderheit, denn sie bilden Staaten, sind gegen Krebs resistent und Inzucht ist normal.

Eigentlich ist es unfair. Obwohl man niemanden nach seinem Aussehen beurteilen sollte, kommt man beim Nacktmull fast nicht darum herum. Während andere Tiere für den «Jöö-Effekt» sorgen, finden viele dieses Nagetier einfach hässlich. Dabei ist der Nacktmull das beste Beispiel für die berühmten inneren Werte.

Nacktmulle graben Höhlensysteme und kommen nicht gerne an die Oberfläche. Auch im Zoo Zürich ist das der Fall. Für die Besucherinnen und Besucher ist nur ein Teil des Tunnelsystems sichtbar. Im Hintergrund verlaufen Röhren, die verschiedene Kammern verbinden. Wie in der Natur herrschen in den Kammern unterschiedliche Temperaturen.

Jungtiere von anderen rauben

Die schrumpligen Tiere leben in einem komplexen Sozialsystem, das mit Bienen oder Ameisen verglichen werden kann. «Tatsächlich ist es so, dass Nacktmulle auch eine Königin haben», sagte Kurator Pascal Marty kürzlich bei einem virtuellen Medienanlass. Die Königin ist für den Nachwuchs zuständig. Sie kann bis zu 27 Jungtiere in einem einzigen Wurf gebären. «Einen König gibts nicht»,  fügt Marty an. Die Königin paart sich mit mehreren Männchen, allerdings nicht mit allen, sondern eher mit den dominanten.

Die Tiere sind eng verwandt, weil es wenig Austausch mit anderen Kolonien gibt. Trotz der Inzucht scheinen sich aber keine negative Konsequenzen zu zeigen.

In Zürich leben in der Lewa-Savanne zwei Kolonien voneinander getrennt. In der Natur in Ostafrika kann es manchmal zu einem genetischen Austausch kommen. Entweder wenn ein männliches Tier auswandert oder zwei Kolonien aufeinandertreffen. Letzteres läuft allerdings nicht sehr friedlich ab. Es kommt vor, dass die siegreiche Kolonie die Jungtiere der unterlegenen Kolonie entführt.

Die jüngeren, kleineren Tiere übernehmen die Funktion der Arbeiter. Sie passen auf den Nachwuchs auf und unterhalten das Höhlensystem. Grössere Tiere werden Soldaten und schützen vor Eindringlingen – etwa Schlangen – oder suchen Nahrung. Draussen lauern Feinde wie Raubvögel. Nacktmulle sehen fast nichts und sind darum leichte Beute.

Nacktmulle trinken kein Wasser

In den kilometerlangen, unterirdischen Gängen ist die Luft häufig sehr schlecht. Doch das stört die Nager nicht. Sie überleben Kohlendioxidwerte, die für den Menschen tödlich wären, und kommen bis zu 18 Minuten komplett ohne Sauerstoff aus. Ausserdem passen sie ihre Körpertemperatur der Umgebung an und trinken kein Wasser. Nacktmulle nehmen die Flüssigkeit über ihre Nahrung auf. Im Gegensatz zu anderen Nagetieren, etwa Mäusen, die eine kurze Lebenserwartung haben, kann ein Nacktmull über 25 Jahre alt werden.

Und als wäre das noch nicht genug: Nacktmulle sind sehr resistent gegen Krankheiten, darunter Krebs. Ein Tier also, das äusserlich nicht viel hermacht, aber mit seinen inneren Werten der Konkurrenz den Rang abläuft.