Sie zählt zu den wichtigsten Malerinnen

Erstellt von Elke Baumann |
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Mit einer Sonderausstellung erinnert das Kunsthaus Zürich an Ottilie W. Roederstein. Sie war zu ihren Lebzeiten eine erfolgreiche und unabhängige Malerin. Die Zürcherin fand nicht nur hierzulande, sondern auch in Deutschland und Frankreich Anerkennung.

Geboren am 22. April 1859 in Zürich, zählt Ottilie Wilhelmine Roederstein zu den gefragtesten  Porträtmalerinnen ihrer Zeit. Als selbstbewusste, emanzipierte Frau ­behauptet sie sich im männlich dominierten Kunstbetrieb. Ihr facettenreiches Werk widerspiegelt die unterschied­lichen Tendenzen der Moderne und ­erlangt internationale Beachtung. Heute ist die Malerin trotz ihrer regen Aus­stellungstätigkeit und ihres einstigen ­Renommees einem grösseren Publikum nahezu unbekannt.

Ihren Erfolg hat sich Roederstein gegen den Widerstand ihrer Eltern und die zahlreichen Vorurteile der damaligen Zeit schwer erkämpft. Eine Tochter aus gutem Hause ging keiner derart unseriösen, brotlosen Tätigkeit nach. Da Ende des 19. Jahrhunderts einer Frau der Zugang zu Kunstakademien verwehrt ist, lässt sich Roederstein an privaten Malschulen in Zürich, Berlin und Paris ausbilden.

Für Frauenbewegung engagiert

Mit einer traditionell den Männern vorbehaltenen Disziplin gewinnt sie mit ihren Porträts und Stillleben hohes Ansehen. 1891 lässt sich Roederstein zusammen mit ihrer Partnerin, der deutschen Gynäkologin Elisabeth H. Winterhalter (1859 bis 1937), in Frankfurt am Main nieder.

Trotz ihrer lesbischen Partnerschaft, die sich seinerzeit auf juristisch dünnem Eis bewegt, wird das Paar von den führenden Kreisen der Frankfurter Bürgerschaft problemlos akzeptiert. Beide Frauen, die sich ihre Ausbildung und Berufstätigkeit zäh erstritten haben, engagieren sich in Frankfurt stark in der lokalen Frauenbewegung. Ottilie W. Roederstein stirbt am 26. November 1937 in Hofheim am Taunus.

Auf der Suche nach dem Ich

Die Retrospektive im Kunsthaus Zürich würdigt Roedersteins beeindruckende Karriere und gibt mit rund 80 Werken einen konzentrierten Überblick über die künstlerische Entwicklung der stilistisch  wandelbaren Malerin. Ihre Bilder bestechen durch markanten Malstil, durch klare, sachliche, zugleich einfühlsame und repräsentative Darstellungsweise.

Selbstporträts von gestern sind heute die Selfies. Roederstein malte viele Por­träts von sich. Im «Selbstbildnis mit weissem Hut» (1904) stellt sie sich forschend und befragend dar, in «Inspired by her» blickt sie kühn, mit leicht nach links ­gedrehtem Kopf und klaren Augen dem Betrachter entgegen. Sie kennt ihre Wirkung auf andere. Im «Selbstbildnis mit Pinseln» steht eine selbstbewusste Frau vor einem farblosen Hintergrund. Mit ernstem Blick schaut sie ihr Gegenüber trotzig an, im «Selbstbildnis mit verschränkten Armen» mit skeptischer und konzentrierter Miene. Schwerpunkt ihrer Malerei waren Porträts, sie malte aber viel und gerne leuchtende Stillleben mit klarem und einfachem Bildaufbau. Zum Beispiel das «Stillleben mit Malutensilien». Auf einer roten Unterfläche stehen in einem schlichten beigefarbenen Keramiktopf, sechs unterschiedliche Pinsel. Davor eine schräg aufgestellte Palette, mit den Grundfarben Blau, Rot und Gelb. Innerhalb der Komposition erhält ein blauer Farbfleck ein starkes Gewicht. Oder die «Quitten» in der Schale. Sie leuchten im warmen Goldgelb so appetitlich, dass man in eine von ihnen hineinbeissen möchte. Doch besser nicht: Ihr Inneres ist steinhart und für einen schnellen Snack ungeniessbar. Mit einer Auswahl von Gemälden und Zeichnungen, sowie Foto- und Archiv­material ist der Kuratorin Sandra Gianfreda eine Schau gelungen, die die wichtigsten Lebensstationen Roedersteins zu einem bunten Bilderbogen vereinen.

Ausstellung bis 5. April: www.kunsthaus.ch