So lebt und arbeitet es sich auf dem Schipferhof

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In Wollishofen liegen Land und Stadt nahe beieinander: «Zürich 2» wurde Einblick gewährt, wie der Alltag auf dem Schipferhof aussieht.

Der Schipferhof ist einer der neun in Zürich bewirtschafteten städtischen Pachtbauernhöfe. Ein Stadtmensch kann sich das Leben auf einem Bauernhof kaum vorstellen. Laut Landwirt und Pächter Christian Sierts gestaltet sich sein Tag wie folgt: Um 5.30 Uhr beginnt die Arbeit im Stall. Zuerst werden die Stallungen ausgemistet, die Tiere auf die Weiden gelassen, wo sie sich im Sommer Tag und Nacht aufhalten. Im Winter werden sie im Stall gefüttert und gepflegt. Ihr Auslauf beschränkt sich dann auf den Hof, und nur wenn es frisch geschneit hat, dürfen sie sich auf der Weide tummeln. Im Sommer wird das Heu eingebracht und siliert, das Obst geerntet und vermostet. Im Winter müssen die Maschinen gewartet, die Ställe in Ordnung gehalten, die Tiere versorgt und die 170 Hochstamm-Obstbäume geschnitten werden. Immerhin handelt es sich um einen Viehbestand von 22 Mutterkühen mit ihren Kälbern und einem Stier. Es sind rote und schwarze Angusrinder, eine genetisch hornlose Art, die durchschnittlich pro Jahr ein Kalb wirft. Der Stier, ein roter Angus, kümmert sich um den Nachwuchs für die Fleischproduktion. Ursprünglich stammt die Angus-Rasse aus Schottland und ist inzwischen die am häufigsten gehaltene Mutterkuhrasse dank ihrer ausgeprägten Muttereigenschaften und der guten Fleischqualität.

Im Juli gehts auf die Alp
Die durchschnittliche Lebenserwartung einer Milchkuh liegt bei fünf bis sechs Jahren, da sie meistens geschlachtet werden, wenn sie nicht mehr genügend Milch geben. «Meine älteste Kuh erreichte 19 Jahre und hatte insgesamt 16 Kälber zur Welt gebracht», verkündete Sierts nicht ohne Stolz. Dies sicher nicht zuletzt dank seiner liebevollen und effizienten Pflege. Weiter müssen die Eier der 200 Legehennen eingesammelt werden. Zwei Hähne und ein Hasenpaar ergänzen den Tierbestand. Nach einer Mittagspause um 12 Uhr geht die Arbeit bis 19 Uhr weiter.
Anfang Juli findet jeweils der Aufzug auf die Engadiner Alp Sent statt, wo die Herde bis zum Abzug Ende September weiden darf. Auch um diese Transporte kümmert sich Sierts persönlich und ist beim Auf- und Abzug dabei.

Das gepachtete städtische Weideland erstreckt sich über 17 Hektaren, angefangen beim Schipferhof über die Kleine Rigi, das Muggenbühl und den Entlisberg. Dazu kommen die 60 Hektaren der Betriebszweiggemeinschaft (BZG) für Tierhaltung, die für die naturschützerische Unterhaltung der ganzen Zürcher Allmend verantwortlich ist. Für die Bewirtschaftung dieser Ländereien sind Landwirte aus Leimbach und dem Döltschihof zuständig. Auch Bruder Stephan Sierts, der einen Gartenbau- und Gartenunterhaltsbetrieb in Fischenthal im Zürcher Oberland betreibt, hilft saisonal mit Personal und Maschinen aus. Christian Sierts und Barbara Braun sind seit rund 29 Jahren Pächter vom Schipferhof und haben vier Kinder, zwei Mädchen und zwei Knaben, grossgezogen. Die erwachsenen Kinder, die verschiedenen Berufen nachgehen, leben auf dem Hof, ebenso wie Siertses betagte Eltern. Nur Sohn Valentin arbeitet neben seiner Tätigkeit im Tiefbau am Wochenende und während den Ferien auf dem Hof mit. Sein Wunsch wäre es, nach der Pensionierung seiner Eltern, den Hof in eigener Regie zu übernehmen. Barbara Braun, gelernte Buchhändlerin, erledigt die täglichen Hausarbeiten auf dem Bauernhof, kümmert sich um die Schwiegereltern und kocht für die Grossfamilie. Neben der Landwirtschaft hat sich die Bauernfamilie Sierts Braun ein Direktvermarktungsangebot aufgebaut. Braun ist nicht nur für das häusliche Wohlergehen zuständig, sie führt auch seit 28 Jahren den hofeigenen Bio-Laden. Ihr Sortiment umfasst Bio-Natura-Beef von eigenen Angus-Rindern, Saisonfrüchte, Dörrobst, Eier, Süssmost und Quittensaft – alles vom Hof. Bioprodukte aus der Region und aus dem Ausland ergänzen das Angebot. Ein Viertel der Fleischproduktion ist für den Schipferhof-Laden bestimmt, drei Viertel werden an Coop geliefert und unter dem Label «Natura-Beef» verkauft. So also sieht der arbeitsintensive Alltag auf einem Bauernhof aus, sieben Tage die Woche.

Betreiben bis zur Pensionierung
Nun soll die Zahl der städtischen Pachtbetriebe laut einem Bericht von 2016 mittelfristig von neun auf sieben oder acht reduziert werden. «Zürich 2» hatte kürzlich darüber berichtet. Dem Schipferhof wurde jedoch, laut Aussage von Familie Sierts Braun, von der Stadt zugesagt, dass der Betrieb bis zu ihrer Pensionierung in acht Jahren in der heutigen Form weitergeführt werden dürfe. Ob dem Wunsch der Familie, dem Sohn nach Ablauf der Frist, den Hof zu überlassen, stattgegeben wird, steht in den Sternen. (Jeannette Gerber)