Soll das Velo mehr gefördert werden? Ein Pro und Kontra

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Der Zürcher Stadtrat und der Gemeinderat sagen Ja zur Volksinitiative «Sichere Velorouten für Zürich». Dagegen sind die FDP und die SVP. Für sie passiert schon genug in Sachen Veloförderung.

Die von einem parteiübergreifenden Initiativkomitee eingereichte Volksinitiative «Sichere Velorouten für Zürich» verlangt, dass das Veloroutennetz in der Stadt durch sogenannte Veloschnellrouten ergänzt wird. Diese sollen auf ausgewählten Quartierstrassen umgesetzt werden, grundsätzlich frei von motorisiertem Individualverkehr sowie in der Regel gegenüber anderen Strassen vortrittsberechtigt sein. Innert der nächsten zehn Jahre soll ein Veloschnellroutennetz von mindestens 50 Kilometern entstehen.

«Sinnvoll und zielführend»
Stadtrat und Gemeinderat erachten das Anliegen der Initiative laut den Abstimmungsunterlagen als sinnvoll und zielführend. Das geforderte Veloschnellroutennetz korrespondiere mit den velopolitischen Zielen des Stadtrats, der die Velorouten in den letzten Jahren laufend aufgewertet hat. Eine Herausforderung bei der Umsetzung besteht laut den Befürwortern darin, die Veloschnellrouten quartierverträglich zu gestalten. Nach dem Willen der Initiantinnen und Initianten sollen die Routen nicht zulasten des Fussverkehrs oder des Grünraums eingerichtet werden. Bei der Gestaltung seien deshalb die Bedürfnisse der Quartierbevölkerung sowie der Fussgängerinnen und Fussgänger möglichst ausgewogen zu berücksichtigen. Diese Quartierverträglichkeit soll mit einer breiten Palette von Massnahmen bestmöglich gewährleistet werden, zum Beispiel durch teilweise Fahrverbote, die Aufhebung des Rechtsvortritts, die bessere Signalisation der Veloführung und die Aufhebung oder Versetzung von Parkplätzen.

«Vorstufe für autofreies Zürich»
Die FDP- und die SVP-Fraktion lehnen die Initiative ab. Sie sehen darin eine einseitige Lösung, die auf Kosten der weiteren Verkehrsteilnehmenden umgesetzt wird und die Sicherheit nicht zwingend erhöht. Vor allem die SVP sieht eine Gefahr darin, dass damit noch mehr Parkplätze abgebaut werden. Derek Richter betonte seitens der SVP-Fraktion, Velounfälle ausschliesslich auf eine mangelhafte Infrastruktur zurückzuführen, sei eine «alte Leier» und überdies «faktenfrei». Die Unfallstatistik von 2019 zeige im Gegenteil, dass über die Hälfte der Unfälle von Velofahrenden selbstverschuldet sei. Die Initiative der Velolobby im «Machtrausch» sei vielmehr als eine «Vorstufe für ein autofreies Zürich» zu verstehen. Die Sicherheit solle mit anderen Massnahmen wie Selbstverantwortung, reflektierender Kleidung oder der Beachtung der Verkehrsregeln erhöht werden, wird Richter in der «NZZ» zitiert. (pd./ls.)

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Dafür: Endlich sichere Velorouten – auch für Zürich

Weil es kaum Fortschritte beim Ausbau von sicheren Velorouten gibt, ist ein Ja am 24. September nötig.

Velofahren macht Spass, ist gesund und schont das Klima. Kein Wunder, ist das Velo in Zürich beliebt: Allein seit dem Jahr 2013 hat sich der Veloverkehr in unserer Stadt verdoppelt. Gleichzeitig haben aber auch die Velounfälle stark zugenommen. Es ist deshalb höchste Zeit, dass Zürich endlich ein sicheres Veloroutennetz erhält. Dafür braucht es am 27. September 2020 auch Ihr Ja zur Velorouten-Initiative.
Leider gibt es beim Bau von sicheren Velorouten in den letzten Jahren kaum Fortschritte. Zwar existiert mit dem «Masterplan Velo» ein gutes Konzept, aber mit der Umsetzung hapert es gewaltig. So enden Velowege regelmässig abrupt im Nirgendwo, es bleibt häufig unklar, wo genau Kreuzungen zu überqueren sind, und mehr als die Hälfte der Bevölkerung fühlt sich auf dem Velo in der Stadt Zürich nicht sicher.

Sicherheit als zunehmendes Problem
Die Anzahl der Verletzten auf dem Velo hat sich innert kurzer Zeit verdoppelt: Im Jahr 2011 gab es in der Stadt Zürich 336 Velounfälle, sieben Jahre später waren es bereits 699. Gleichzeitig haben auch die schweren Unfälle mit gravierenden Verletzungen stark zugenommen, und viel zu oft sind die Folgen sogar tödlich. Deshalb braucht es endlich konkrete Lösungen – und zwar so schnell wie möglich.

Was andere Städte können, kann Zürich auch
Es ist wichtig, dass alle Menschen sicher Velo fahren können – nicht nur geübte Personen mittleren Alters, sondern auch Kinder sowie Seniorinnen und Senioren. Deshalb haben Städte wie Amsterdam oder Kopenhagen schon vor langer Zeit ein durchgehendes Veloroutennetz geschaffen. Doch auch Schweizer Städte – wie etwa Bern – haben die Infrastruktur stark verbessert. Was in anderen Städten selbstverständlich ist, muss auch in Zürich möglich sein.

Das will die Velorouten-Initiative
Deshalb verlangt die Velorouten-Initiative ein Veloroutennetz mit Veloschnellrouten, welche gegenüber Querungen in der Regel vortrittsberechtigt sind. Zudem sind diese Veloschnellrouten grundsätzlich frei von motorisiertem Individualverkehr, wobei der Stadtrat die Ausnahmen regelt. So namentlich für die Anwohnenden, das Gewerbe, die Blaulichtorganisationen sowie für mobilitätsbehinderte Personen.
Zur Umsetzung dieses Ziels realisiert die Stadt Zürich bis spätestens 10 Jahre nach Inkrafttreten dieser Bestimmungen ein Netz aus sternförmigen sowie tangentialen Veloschnellrouten mit einer Länge von insgesamt mindestens 50 Kilometern. Die Stadt Zürich veröffentlicht bis zur Erreichung dieses Ziels einen jährlichen Zwischenbericht.

Eine echte Win-win-Lösung
Von der Initiative profitiert nicht nur der Veloverkehr. Gerade für Personen zu Fuss ist es wichtig, dass die Velos eigene Routen erhalten und nicht mehr auf Trottoirs und Mischverkehrsflächen unterwegs sind. Und auch der öffentliche Verkehr sowie die Autos profitieren, wenn der Veloverkehr auf eigenen Spuren unterwegs ist. Die Initiative schafft deshalb eine echte Win-win-Lösung ohne Verliererinnen und Verlierer.

Breite Unterstützung für eine pragmatische Initiative
Die Initiative wurde von der SP gemeinsam mit den Grünen, der GLP, der AL und mehreren Verbänden wie Pro Velo lanciert. Inzwischen ist der Rückhalt nochmals deutlich grösser geworden: So unterstützen auch der Stadtrat, der Gemeinderat und die EVP die Initiative. Das zeigt, dass die Initiative eine vernünftige und gangbare Lösung vorschlägt. Mit Ihrem Ja am 27. September 2020 leisten auch Sie einen Beitrag zu einer sichereren Velo-Stadt Zürich. Besten Dank dafür!

 *) Simone Brander, Gemeinderätin SP 10, Mitglied Initiativkomitee

 

Dagegen: Veloinfrastruktur wird auch bei einem Nein ausgebaut

Die Vorlage ist zu kompromisslos und nimmt keine Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer.

Als Velopendlerin stört mich bereits die Wortwahl des Initiativtextes, der ein «Netz aus sternförmigen sowie tangentialen Veloschnellrouten» fordert. Zürich ist nicht Paris und vor allem nicht flach. Zürich braucht primär hangparallele und nicht sternförmige Velorouten.

Hinkender Vergleich mit Kopenhagen
Häufig hört man auch den Vergleich mit Kopenhagen, dieser Vergleich hinkt jedoch etwas: Der Velo-Anteil ist dort zwar viel grösser als in Zürich, aber auch der Auto-Anteil ist grösser. Dafür ist der Anteil des öV am Verkehrsmix in Zürich rund doppelt so gross. Unser öV wird ständig ausgebaut (z. B. Durchmesserlinie, Tram Zürich-West etc.), ist komfortabel und bequem. Bei kaltem oder schlechtem Wetter sind in Zürich deshalb massiv weniger Velofahrende unterwegs als bei schönem und trockenem Wetter – auf der gleichen Infrastruktur.

Parlament lehnte FDP-Gegenvorschlag ab
Die Veloinfrastruktur wird auch ohne diese Initiative ausgebaut, beispielsweise im Juni 2020 wurde die erste sogenannte Veloschnellroute in Altstetten ausgeschrieben. Auf der Baslerstrasse, die parallel zwischen Hohl- und Badenerstrasse liegt, sollen dann die Velos verkehren, auf den anderen Strassen bleibt mehr Platz für öV, Autos und Lastwagen. In einer wachsenden Stadt mit wachsendem Mobilitätsaufkommen der Bevölkerung von Stadt und Agglomeration ist es wichtig, gesamtheitliche Verkehrslösungen zu finden und nicht ein Verkehrsmittel gegen ein anderes auszuspielen. Die in der Corona-Krise von der Stadt Zürich errichteten Notfallparkplätze für ihre Mitarbeitenden zeigten beispielhaft, dass nicht auf ein einzelnes Verkehrsmittel, sondern auf einen Mix gesetzt werden sollte. Die FDP-Fraktion im Gemeinderat hat deshalb vergeblich einen Gegenvorschlag zur Initiative eingebracht, welcher die für die Velorouten abgebauten Quartierparkplätze an einem anderen Ort ersetzt hätte, die fixe Kilometervorgabe von 50 km im Initiativtext mit «bedarfsgerecht» ausgetauscht und explizit die Sicherheit der Fussgängerinnen und Fussgänger einbezogen hätte.

Sicherheit fängt bei einem selbst an
Wie steht es nun um das Hauptargument der Initiative, die Sicherheit? In täglich rund 50 Minuten auf dem Velo quer durch die Stadt beobachte ich jeweils alle Verkehrsteilnehmenden. Im Sommerhalbjahr ist rund die Hälfte der Velofahrenden ohne einen (freiwilligen) Helm unterwegs. Fühlen sie sich demnach sicher oder denken sie nicht daran, dass auch ein einfacher Sturz oder Unfall böse enden kann? Zudem ist gewiss ein Drittel nachts ohne ein obligatorisches Licht unterwegs oder hält sich an keinerlei Verkehrsregeln. So verwundert es nicht, dass die ganz grosse Mehrheit der Unfälle mit Velobeteiligung in der Stadt Zürich durch die Velofahrerin oder den Velofahrer verursacht werden.

Innovativere Lösungen und ein bedarfsgerechtes Velonetz
Zweifellos ist ein bedarfsgerechtes Velonetz wichtig. In Ergänzung zu bestehenden und zukünftigen Velorouten wären z. B. Veloviadukte oder Velotunnel sinnvoll. Diese würden zur Entflechtung der Verkehrsmittel beitragen und auch Schutz für den Fussverkehr bieten. Sicher gäbe es auch noch innovativere Lösungen, wie beispielsweise Bodenlichter an exponierten Stellen. Ein persönlicher Tipp: Die städtische App «ZüriPlan» schlägt gute Velorouten vor – jeweils eine schnelle und eine attraktive Route!
Zürich braucht eine sichere und bedarfsgerechte Veloinfrastruktur. Die Volksinitiative «Sichere Velorouten für Zürich» ist jedoch kompromisslos und nimmt keine Rücksicht auf andere Verkehrsmittel. Ein Nein zur Initiative schafft Raum für bessere, gesamtheitlichere Lösungen.

*) Martina Zürcher-Böni, Gemeinderätin FDP 10