Stadt setzt auf die Maximalvariante

Erstellt von Pascal Turin |
Zurück

Das Schauspielhaus Zürich soll saniert und modernisiert werden. Dafür will die Stadt den historischen Theatersaal opfern. Auf Druck aus der Politik musste die Verwaltung über die Bücher. Jetzt ist klar: Der Stadtrat setzt weiter auf einen grossen Umbau. Ob dieser eine Mehrheit findet, ist offen.

Der Medienanlass vergangene Woche sollte für Verständnis werben: Die anwesenden Journalistinnen und Journalisten erhielten Einblick hinter die Kulissen des Schauspielhauses. Denn der Stadtrat hat grosse Pläne. Das Haupthaus, der Pfauen, beim Heimplatz muss saniert und modernisiert werden. Dafür will die Stadt sogar den historischen Theatersaal von 1926 opfern. Das Gebäude soll teilweise aus dem Inventar der Denkmalpflege entlassen werden. Als die Pläne vor zwei Jahren bekannt wurden, hagelte es Kritik, an vorderster Front von den Parteien AL und SVP. Der Zürcher Heimatschutz legte Rekurs gegen den Entscheid ein.

Auf Druck des Gemeinderats musste die Verwaltung darum über die Bücher. Eine Motion verlangte, dass der Stadtrat weitere Vorschläge erarbeitet – auch ohne Abriss des Pfauensaals. Die Exekutive hat  diverse Varianten geprüft und vier davon konkret ausgearbeitet (siehe unten). «Das Schauspielhaus weckt sehr viele Emotionen», sagte Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) an der Medienkonferenz.

Im deutschsprachigen Raum galt das Schauspielhaus als letzte freie Bühne unter dem Nationalsozialismus. Das Theater erlebte seinen Höhepunkt, als hier Stücke von Bertolt Brecht Weltpremiere feierten. Später wurden Dramen von Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt uraufgeführt.

Vier Varianten ausgearbeitet
Klar ist: Der Stadtrat setzt auch weiter auf einen Totalumbau des Schauspielhauses und damit auf eine sogenannte «umfassende Erneuerung» des Saals, der Bühne und des Foyers. Diese biete mit Abstand den höchsten Nutzwert und solle rund 115 Millionen Franken kosten. «Nach sorgfältiger Prüfung und Abwägung kommt der Stadtrat zum Schluss, dass nur die Variante ‹Umfassende Erneuerung› einen künstlerischen und betrieblichen Erfolg des Pfauen langfristig ermöglichen kann», heisst es dazu in einer Mitteilung. Er beantragt beim Gemeinderat einen Projektierungskredit in der Höhe von 13,9 Millionen Franken für die Durchführung eines Wettbewerbs und die Ausarbeitung eines Bauprojekts.

Ob die Maximal-Variante im Gemeinderat aber eine Mehrheit findet, ist zum jetzigen Zeitpunkt offen. Die SVP liess bereits verlauten, sie nehme mit Befremden zur Kenntnis, «dass der Stadtrat die zahlreichen kritischen Stimmen aus dem Gemeinderat, dem Denkmalschutz und der Bevölkerung ignoriert». Auch die AL reagiert mit Unverständnis: «Es ist unbegreiflich, dass der Stadtrat zugunsten ­einer heute vielleicht gerade aktuellen Aufführungspraxis diesen Saal zerstören will.» Und der Zürcher Heimatschutz bezeichnete den Entscheid laut der NZZ als einen ein «Akt der Ignoranz».

Für den Stadtrat ist der Erhalt der Bausubstanz weniger wichtig für die Pflege der historischen Bedeutung als die «aktive Vermittlung». Die Vermittlung des Schauspielhauses als Erinnerungsort werde als verbindliche Aufgabenstellung in den Architekturwettbewerb aufgenommen.

Sanierung eigentlich unbestritten
Auf der Medienführung wurde klar, dass etwas getan werden muss. Das Schauspielhaus ist in die Jahre gekommen. Angefangen bei der Haustechnik bis hin zur auf vielen Plätzen eingeschränkten Sicht im Saal. Hinter der Bühne fehlt der Platz, man kann nicht gleichzeitig proben und etwas aus dem Lager holen. Technikerinnen und Schauspieler trampeln sich quasi auf den Füssen herum. Das Foyer könnte ein Schmuckstück des Theaters darstellen, ist beim Schauspielhaus aber gleichzeitig ein Fluchtweg. Das Inventar muss deshalb feuerfest sein – und hat dementsprechend Industriecharme.

Kein Wunder also, würden sich einige der 300 Mitarbeitenden über einen modernen Arbeitsplatz freuen. «Ganz viele der Probleme sind gar nicht sichtbar für die Zuschauer», sagte Co-Intendant Nicolas Stemann. Der Geschichte des Schauspielhauses werde man gerecht, indem man hier Theater spiele. Ein Umbau sei unumgänglich.

Gleich bleiben soll das Format der sogenannten Guckkastenbühne. Ebenso will das Schauspielhaus im Pfauen der Tradition des Repertoire- und Ensembletheaters treu bleiben. Dabei werden mehrere Inszenierungen von einem dauerhaft engagierten Ensemble aufgeführt. Im Gegensatz zu innen soll das Gebäude von aussen fast so aussehen wie heute.

Nur eine Variante überzeugte den Stadtrat

Der Stadtrat hat für die Sanierung des Schauspielhauses vier Varianten ausgearbeitet. Er bevorzugt die Variante «Umfassende Erneuerung» und beantragt beim Gemeinderat einen Projektierungskredit von 13,9 Millionen Franken.
Ausser bei der «umfassenden Erneuerung» werden für die anderen drei Varianten zusätzliche Flächen im Haus benötigt, die anderen Eigentümern gehören. Ob ein Erwerb aber möglich sein wird, ist zum aktuellen Zeitpunkt unklar. Das letzte Wort hat dann das Stimmvolk.

  • Minimale Eingriffe: Bei dieser Variante bleibt die historische Bausub­stanz weitgehend vorhanden. Diese Option bringt aber kaum betriebliche Verbesserungen. Die Kosten belaufen sich auf 122 Millionen Franken.
  • Kleine Eingriffe: Diese Variante sieht eine umfassende Instandsetzung vor. Im Saal würden die Bühne und das Parkett abgesenkt, was die Sicht verbessern soll. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis sei aber ungünstig. Kosten: 126 Millionen Franken.
  • Grosse Eingriffe: Die dritte Variante sieht eine umfassende Instandsetzung vor. Bühne und Parkett werden abgesenkt. Die Pfeiler im Saal werden entfernt, darum kann der Erhalt der Decke im Saal nicht garantiert werden. Die Variante bringt betriebliche und künstlerische Verbesserungen. Kostenpunkt: 132 Millionen Franken.
  • Umfassende Erneuerung: Zuschauersaal und Bühnenbereich werden durch einen Neubau ersetzt. Von aussen bliebt das Gebäude weitgehend bestehen. Der Zuschauersaal wird eine Etage höher liegen. Es entsteht Platz für ein grosses Foyer sowie die Technik. Ausserdem soll es eine Hinter- und zwei Seitenbühnen geben. Auch die Sicht soll besser werden. Kostenpunkt: 115 Millionen Franken. (pat.)