Stadt setzt immer weniger auf abgetrennte Velowege

Erstellt von Lorenz Steinmann |
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Um die Fussgänger besser zu schützen, leitet die Stadt Zürich Velofahrer vermehrt auf die Strasse. Das sorgt für ruhigere Trottoirs, nervt aber Velo- und Autofahrer. Die SP hat deswegen sogar einen Vorstoss gemacht.

Während das Coronavirus den Flug- und auch den Öffentlichen Verkehr einschränkt, erlebt der Veloverkehr einen Höchstflug. Doch die Stadtzürcher Veloplaner arbeiten antizyklisch. Nur so ist es zu verstehen, dass auf der Kornhausstrasse die jetzt vorbildlich baulich abgetrennten Velowege gestrichen und künftig beidseits auf Strassenniveau geführt werden sollen. Eine Idee, mit welcher sich Velos und Autos künftig viel häufiger in die Quere kommen. Dabei ist die Kornhausstrasse eine regionale Veloroute und jetzt schon höchst gefährlich. Seit 2011 hat es hier acht schwer- und 14 leichtverletzte Radfahrer gegeben. Die SP der Stadt Zürich unterstützt in einer Medienmitteilung die Stadt, den Fussverkehr mit Mittelinseln bei Fussgängerstreifen und mit der Einführung von Tempo 30 zu fördern. Trotzdem will die SP, dass die jetzigen abgetrennten Velowege erhalten bleiben. Für sie ist das negative, ja gefährliche Beispiel Kornhausstrasse exemplarisch für viele Situationen in Zürich. Was sagt die Stadt Zürich zum Anliegen? Was plant sie an der Kornhausstrasse genau? Wir haben nachgefragt bei Evelyne Richiger vom Tiefbauamt.

Evelyne Richiger, warum will die Stadt Zürich die jetzt vorbildlich baulich abgetrennten Velowege künftig auf Strassenniveau führen?
Um allen Verkehrsteilnehmenden ihren Platz zu geben, betrachten wir den Strassenraum von Fassade zu Fassade unter verschiedenen Aspekten: Städtebau, Breite des Strassenraums, Verkehrsfunktion, Verkehrsbelastung, Geschwindigkeiten und Verkehrsbeziehungen. Im konkreten Fall wurden Velostreifen mit einer Breite von 1,5 Metern bzw. 1,8 Metern geplant, um Velo- und E-Bike-Fahrenden das Überholen vor allem bergwärts zu vereinfachen, das Abbiegen in und aus den Seitenstrassen einfacher und sicherer zu gestalten und die Veloführung zu vereinheitlichen. Diese Vorteile haben wir höher gewichtet als die Vorteile eines abgetrennten Wegs. Zudem wird die Kornhausstrasse künftig mit Tempo 30 signalisiert und somit die objektive und subjektive Sicherheit der Velofahrenden markant erhöht.
Was sagt die Stadt zur von der SP geäusserten Kritik, man solle die Situation belassen wie bisher, weil es schon jetzt viele Velounfälle gebe?
Es gab in den fünf ausgewerteten Jahren zehn Unfälle mit Velos, davon fünf Unfälle mit schwerverletzten Personen. Die Unfallursachen sind sehr unterschiedlich. Es ist dabei kein eindeutiger Unfallschwerpunkt zu erkennen, es gab sowohl mit bergwärts als auch mit talwärts fahrenden Velos Unfälle. Einen Unfall gab es im Bereich der Querung des Fussgängerstreifens. Bei vier Velounfällen mit Schwerverletzten waren die Velolenkenden alkoholisiert, bei einem Velounfall stürzte ein E-Bike-Fahrer beim Wechsel von der Fahrbahn auf den Veloweg. Mit dem geplanten Projekt sollen Velounfälle – wie beim Fussgängerstreifen oder beim Wechsel von der Fahrbahn – verhindert werden. Bezüglich der objektiven Verkehrssicherheit sind Velostreifen gleich sicher wie Velowege.
Sind noch weitere bauliche Massnahmen geplant wie zum Beispiel Verkehrsinseln für Fussgänger?
Ja, genau. Die zwei Fussgängerübergänge bei der Pflugstrasse sind beides Schulwege und bei beiden Übergängen sind Schutzinseln geplant.
Sind Mittelinseln für Fussgänger nicht enorme Gefahren für Velofahrer, weil dort die Strasse so eng wird, dass der Platz für ein Velo und ein Auto fehlt?
Fussgängerschutzinseln erhöhen die Sicherheit der querenden Fussgänger, da die Fahrbahn in Etappen gequert werden kann und jeweils nur auf den Verkehr aus einer Richtung geachtet werden muss. Bei höheren Belastungen und Geschwindigkeiten des Autoverkehrs sind daher Fussgängerschutzinseln aus Sicht der Verkehrssicherheit vorzusehen.
Das geht aber auf Kosten der Velo- und indirekt auch der Autofahrer, oder?
Wenn nicht ausreichend Platz vorhanden ist, um den Velostreifen durchzuziehen, müssen Velofahrende und Autofahrende hintereinanderfahren. Die Stadt ist sich der Problematik bewusst. Jedoch sind keine Unfallhäufigkeiten an solchen Situationen bekannt. Eine vollkommene Trennung der Verkehrsmittel ist im dichten Stadtgebiet nicht möglich und auch nicht zweckmässig. Die Stadt Zürich fördert mittels reduzierter Höchstgeschwindigkeiten stadtverträgliches Fahrverhalten sowie mittels Kampagnen die gegenseitige Rücksichtnahme.