Starker Gegenwind von den Parteien

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Einmalig in der Geschichte Küsnachts: Sämtliche Parteien ausser FDP und CVP schliessen sich zu einem überparteilichen Komitee zusammen. Sie wollen sich gegen die Pläne des Gemeinderates wehren, der die Exekutive von neun auf sieben verkleinern will. Die Vorlage kommt am 13. Juni an die Urne.

«Keine sachlichen Gründe, nur Schlagworte.» Das halten die Küsnachter Ortsparteien von der Abstimmung zur «Reduktion des Gemeinderates von 9 auf 7 Mitglieder», wie sie demnächst an die Urne kommt. Fast alle Parteien, ausser der FDP und der CVP, ­befürchten in einer kleineren Exekutive ­einen Verlust der Parteienvielfalt, dazu eine Machtkonzentration der grossen Parteien – allen voran der FDP – sowie eine Überlastung des Milizamtes. Deshalb haben sie sich zu einem überparteilichen Komitee für ein vielfältiges Küsnacht zusammengetan. Sie haben eine Website aufgeschaltet, werden Flyer verteilen und in den sozialen Medien für ihr Anliegen werben, wie Sprecher ­André Tapernoux, Präsident der EVP, sagt. Grünen-Präsident Jörg Stüdeli und SVP-­Präsident Hans-Peter Amrein – der inzwischen nach einer Konsultativumfrage seine Ortspartei grossmehrheitlich für ein Nein hinter sich hat – doppeln nach: «Eine so breite Allianz gab es in Küsnacht noch nie, denn es ist wichtig, dass die Rollenverteilung zwischen Gemeinderat und Verwaltung erhalten bleibt.»
Im Zuge der Verkleinerung der Exekutive will der Gemeinderat auch die Verwaltung neu organisieren. Die Aufgaben und Anforderungen hätten sich mit den Jahren verändert, so lautet das Argument für ein Ja an der Urne, beide müssten «effizienter» und «agiler» werden. Dem widersprechen die Parteien. Man könne die Verwaltung auch ohne die Reduktion des Gemeinderates neu organisieren, sagen sie. Schlimmer noch: Durch die Ankündigung, dass die Verwaltung neu organisiert werde, aber dem Zuwarten bis zur Abstimmung, schüre man Unsicherheiten. Der Gemeinderat möchte zuerst grünes Licht von den Stimmbürgern für die Reduktion der Exekutive erhalten. Erst dann soll die Neuorganisation der Verwaltung geschehen. Amrein ist hingegen überzeugt: «Die Möglichkeit, dass der Verwaltung mit dieser Ankündigung die besten Leute davonlaufen, ist gross.» Und Stüdeli meint, dass bei der Aussprache mit dem Gemeindepräsidenten und der Gemeindeschreiberin Mitte April «kein einziger sachlicher Grund» genannt worden sei, warum die beiden Reorganisationen aneinandergekoppelt sein müssten.
 

Schlechte Kommunikation

Ein weiterer Grund für den Zusammenschluss der Parteien ist der Unmut über die Kommunikation und die vermisste Mitwirkung bei dieser Abstimmung. «Es gab für die Bevölkerung und die Parteien nicht wie üblich eine Anhörung», heisst es, «den Beschluss hat der Gemeinderat ganz alleine gefällt.» Das sei stossend, handle es sich doch nicht lediglich um eine «Ja»- oder «Nein»-Abstimmung, wie dies der Gemeinderat behaupte, sondern um eine «gewichtige Änderung der Gemeindeordnung mit grosser Tragweite», so Stüdeli. Die kleineren Parteien hätten in einem Siebner-Gremium noch weniger Chancen, in die Exekutive ­gewählt zu werden. Und Amrein: «Mit der Reduktion steigt auch das Arbeitsvolumen der einzelnen Milizler.» Am Schluss habe man nur noch Pensionäre und Frührentner, die sich zur Verfügung stellten, dabei habe Küsnacht einen hohen qualitativen Anspruch an seine Gemeinderäte, üblicherweise suche man Leute mit breitem Fachwissen und einem Fuss in der Praxis.  Kritik fällt auch am Führungsstil von Markus Ernst (FDP), dem Gemeindepräsidenten. «Er – zusammen mit der Gemeindeschreiberin – fungiert als Kommandozen­trale. Kein Zuhören, nichts Verbindendes. Jeder Input wird als Störung empfunden.» Ist der jüngste Vorstoss also auch ein Denkzettel an diese Adresse? «Nein», heisst es bei den Parteien, «doch wir wollen auch keine Lex Ernst.» Also nur eine Anpassung der Gemeindeordnung im Hinblick auf bessere Chancen seiner Partei bei den Erneuerungswahlen im nächsten Frühling. Zuletzt bringt Tapernoux, Sprecher des Zusammenschlusses, noch einen wichtigen Punkt auf den Tisch: «Es heisst immer, die wenigsten Gemeinden im Kanton hätten noch Neuner-Gremien im Gemeinderat.» Das stimme aber nur, wenn man Äpfel mit Birnen vergleiche. «Man darf die Parlaments- und Versammlungsgemeinden nicht in eine Reihe stellen.» Vielmehr hat er die Rechnung mit nur Versammlungsgemeinden mit mindestens 12 000 Einwohnern gemacht – so wie es Küsnacht eine ist. Dann sieht die Rechnung anderes aus: Von den übrig gebliebenen zwölf Gemeinden hat mehr als die Hälfte neun Gemeinderäte wie Küsnacht heute. Dies unter anderem die Nachbarn Stäfa und Meilen.
 

Blick zu den Nachbarn

Hört man sich bei den Präsidenten anderer Seegemeinden um, dann will sich niemand in fremde Fragestellungen einmischen und zitieren lassen. Auch seien die politischen Traditionen in den verschiedenen Gemeinden sehr unterschiedlich, heisst es, auch bei Nachbarn von ähnlicher Grösse. Doch interessant, was im beleuchtenden ­Bericht der Gemeinde Meilen steht, der damals 2017 zuhanden der Stimmbürger bei der Totalrevision der Gemeindeordnung abgegeben wurde. Es heisst, der Gemeinderat bestehe weiterhin aus neun Mitgliedern, weil dies «eine adäquate Verteilung der Last» zulasse, das Amt «milizverträglich», bleibe und eine «breite Meinungsvielfalt ­sowie die Vertretung kleinerer Parteien im Gemeinderat» ermögliche. Ein Präsident einer Seegemeinde, die mit sieben Gemeinderäten operiert, betont, dass die Gemeinderäte bestimmte Auf­gaben zur selbstständigen Erledigung an ­Gemeindeangestellte delegieren können. Denn Berufstätige würden an ihre Grenzen stossen, insbesondere, wenn sie für ein Ressort zuständig sind, in dem die Belastung sehr hoch ist. Deshalb sei eine «verstärkte Trennung zwischen strategischen und operativen Aufgaben mit einer verstärkten Aufgabendelegation an die Verwaltung gesucht».Anders ausgedrückt: Die Arbeitslast hänge nebst der Anzahl Köpfe eben doch auch wesentlich von der guten Arbeitsteilung zwischen Behörde und Verwaltung ab.
Der Küsnachter Gemeindepräsident Markus Ernst (FDP) sagt dem Küsnachter auf Anfrage, dass die Verkleinerung des Gemeinderates eine noch klarere Rollenverteilung zwischen der politisch-strategischen Funktion des Gemeinderats und der operativen Aufgabe der Verwaltung schaffe. Auch die aktuelle andauernde  Pandemie zeige, wie wichtig agile Gremien seien. «Die anstehende Reform wollen wir, gerade im Hinblick auf die Meinungsvielfalt, nicht fix vorgeben, sondern die einzelnen Schritte gemeinsam mit allen involvierten Stellen und Personen sorgfältig abwägen.»