«Unser Beruf hat sich stark gewandelt»

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Vor dem Event «30 Jahre Herzchirurgie» sprechen die Chefärzte Omer Dzemali (Chirurgie) und Franz Eberli (Kardiologie) über die medizinischen Fortschritte seit 1989, die heiss diskutierte Zahl von fünf Herzzentren allein in Zürich und was jeder tun kann für ein gesundes Herz.

Das Stadtspital Triemli feiert am übernächsten Wochenende das 30-jährige Bestehen des hauseigenen Herzzentrums (s. Artikel unten rechts). Im Gegensatz zu heute konnten vor 1989 viele Herzpatienten wegen fehlender Kapazitäten nicht operiert werden. Trotzdem steht auch das Triemlispital wegen der hohen Kosten des Gesundheitswesens in der Kritik. Lokalinfo trifft die beiden Fachärzte und Herzspezialisten Prof. Omer Dzemali und Prof. Franz Eberli in einem Büro, das so gar nicht zum Klischee von Chefärzten passt.

Ein Chefarztbüro stelle ich mir prunkvoller vor. Warum arbeiten Sie, Omer Dzemali und Franz Eberli, in einem öffentlichen Spital und nicht in einem privaten mit lukrativeren Verdienstmöglichkeiten?
Dzemali: Das Triemli legt viel Wert auf die Aus- und Weiterbildung von jungen Ärzten. Dadurch können wir das   erworbene   Wissen   weitergeben.
Eberli: Bei mir ist es ähnlich. Im Triemli kann man die Arbeit ideal mit der Ausbildung und Lehre verbinden. Einen Kostendruck zuungunsten des Patienten gibt es nicht.
Sind Operationen am menschlichen Herzen die Königsdisziplin der Medizin?
Dzemali: Ich bin kein Liebhaber von so  tollen  Sprüchen.
Eberli: Ich sehe das auch so. Diese Disziplin ist aber wichtig, weil 17 bis 20 Prozent der Menschen am Herz erkranken. Die Bezeichnung kommt von daher, dass Herzoperationen sehr anspruchsvoll sind. Und: Das Herz ist sozusagen der Mittelpunkt des Körpers.
Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Kardiologie und Herzchirurgie aus? Wie ist der Ablauf für die Patienten?
Eberli: Die Erstuntersuchung des Patienten findet durch den Kardiologen statt. Rund 85 Prozent der Herzinfarkte kann man minimalinvasiv operieren, also mit dünnen Kathetern und Instrumenten, welche über die Arterie am Handgelenk zum Herzen gebracht werden.
Dann ist die Zeit vorbei, wo der Kardiologe abklärte und der Chirurg operierte?
Eberli: Ja, der Beruf hat sich stark gewandelt, heute sind die Aufgaben viel vermischter.
Einverstanden, Herr Dzemali?
Dzemali: Absolut. Wir sind, etwa bei Herzklappenoperationen, oft zu zweit am Operieren, also Franz Eberli oder ein leitender Arzt aus seinem Team und ich. Dazu kommen noch weitere Ärzte wie der Anästhesist sowie das ebenso wichtige Pflegepersonal. Im OP-Saal sind acht bis zehn Personen.
Was sind die grössten medizinischen Fortschritte in 30 Jahren Herzchirurgie?
Eberli: Die Kardiologie und die Chirurgie arbeiten viel enger zusammen, zum  Wohl  der Patienten.
Dzemali: Am Triemli führen wir Bypass-Operationen ohne Herz-Lungen-Maschine durch. Dies hat den Vorteil, dass das Herz die ganze Zeit schlägt und das Risiko für den Patienten deutlich geringer ist.
Gehen denn andere Spitäler anders vor?
Dzemali: Das ist unterschiedlich. Es gibt Spitäler, in denen man meistens mit der Herz-Lungen-Maschine arbeitet. Beide Wege sind gut. Aber die Wahrscheinlichkeit von möglichen Hirnschäden liegt ohne Herz-Lungen-Maschine deutlich tiefer.
Kürzlich machte eine Untersuchung Schlagzeilen, die den Herz-OPs in Zürich eine relativ hohe Mortalitätsrate attestierte. Ihre Meinung dazu?
Dzemali: Ich finde es gut, wenn man über solche Resultate spricht. Aber besagte Untersuchung schaute lediglich den Zeitraum eines Jahres an. Da können viele Zufälle mitspielen. Zudem wird der Schweregrad der Erkrankungen nicht berücksichtigt - obschon dies viel entscheidender ist.
Eberli: Ich arbeitete lange in den USA. Dort sind solche Statistiken sehr wichtig. Darum werden Patienten mit schwierigen Operationen oft abgelehnt, um die Statistik des eigenen Spitals  nicht  zu  verschlechtern.
Dzemali: Fürs Patientenwohl wagen wir oft eine Operation, auch wenn die Hoffnung nicht sehr hoch ist. Anderswo, das tönt hart, sterben diese Menschen ohne Operation.
Bürgerliche Politiker kritisieren, dass es in Zürich mit vier Herzzentren zu viele solche Angebote hat.
Dzemali: Es hat sogar fünf, die Klinik Hirslanden betreibt nämlich deren zwei (dazu kommen das Universitätsspital, das Kinderspital und das Triemli; die Red.). Die beiden öffentlichen Herzzentren Unispital und Triemli decken neben Zürich die ganze  Ostschweiz  und  Graubünden  ab.
Eberli: Vor der Eröffnung des Herzzentrums im Triemli starben die Personen, die auf der Warteliste standen. Das passiert heute zum Glück nicht mehr. Vergessen darf man nicht, dass zu einem Herzzentrum auch eine Intensivstation gehört. Einfach zusammenlegen wäre schwierig.
Das Universitätsspital und das Triemli bilden mit der Allianz Herzchirurgie den grössten öffentlichen Herzchirurgieverbund der Schweiz. Was bringt das?
Dzemali: Im Zentrum stehen die gemeinsame Weiterbildung für angehende Fachärzte und Kaderärzte sowie einheitliche Verfahrensstandards bezüglich Diagnostik, Therapie und gemeinsame  Forschung.
Eberli: Der fachliche Austausch kommt hinzu. Wir können uns gegenseitig unterstützen.
Was haben Sie für einen persönlichen Bezug zum Herz?
Dzemali: Es ist der Mittelpunkt meines Tuns. Es ist mein tägliches Ziel, Herzen  wieder  gesund  zu  bekommen.
Eberli: Wir haben jeden Tag damit zu tun (beide lachen). Von den Gefühlen her spricht man ja oft vom Herzen, aber körperlich spürbar ist eher der Bauch, das Bauchgefühl. Das Herz ist aber das Barometer der Gefühle.
Die Herzchirurgie Triemli feiert bald ihr 30-jähriges Bestehen. Wo standen Sie beide 1989 in Ihrem Leben?
Dzemali: Ich machte gerade die Matura in meiner Heimat Mazedonien und musste ins Militär. Am Anfang meines Studiums in Sarajevo brach der Krieg auf dem Balkan aus, weshalb ich mein Studium abbrechen musste und nach Deutschland flüchtete. Jene Zeit, in der Nachbarn – Muslime, Orthodoxe und Katholiken – zu Feinden wurden, hat mich sehr geprägt. Vielleicht erinnern Sie sich ans zerschossene «Holiday Inn».  Diese  Bilder  prägen  fürs  Leben.
Eberli: Ich war damals Assistenzarzt in der Kardiologie des Unispitals. Dann zog ich für zwei Jahre für den Nationalfonds nach Boston. Ich ging weg aus der Innerschweiz, um mich auszubilden.
Sie unterscheiden sich von der Herkunft her markant. Sie, Herr Eberli, kommen aus Obwalden, Sie, Herr Dzemali, aus Mazedonien. Was verbindet Sie?
Dzemali: Franz Eberli ist für mich ein wichtiger Mentor. Wir arbeiten schon neun  Jahre  zusammen.
Eberli: Wir haben ein gutes gemeinsames Verständnis für die Arbeit. Und wir verstehen uns gut.
Wie sind Sie beteiligt am Jubiläumstag «30 Jahre Herzchirurgie Triemli»?
Dzemali: Gezeigt wird eine Aufzeichnung einer Herzoperation am Triemli. Zudem gibt es am Donnerstag einen Fachkongress, wo unter anderem diverse Herzchirurgen aus der ganzen Schweiz  sprechen.
Eberli: Das ist quasi das Warm-up für den Samstag, wo dem Publikum viel geboten wird und wo wir beide ebenfalls teilnehmen werden.
Was kann jeder tun für ein gesundes Herz?
Eberli: Nicht rauchen ist sicher ganzzentral; auf den Blutdruck und das Cholesterin achten und sich genügend bewegen. Aber zu 70 Prozent sind Herzkrankheiten vererbt, da kann man wenig machen.
Dieses Interview findet um 7 Uhr früh statt. Ist diese Uhrzeit für Sie normal?
Eberli: Um sechs Uhr mach ich mich in Uster auf den Weg zur Arbeit. Je nach Verkehr beginne ich kurz vor sieben Uhr mit der Arbeit.
Was steht für Sie beide heute noch an?
Eberli: Um Viertel vor acht findet normalerweise der Teamrapport statt. Dort tauschen wir uns über den aktuellen Gesundheitszustand der Patienten aus und besprechen, ob es über die Nacht zu allfälligen Veränderungen kam. Tagsüber werden von meinem Team rund 15 Patienten operiert. Bei Notfällen verschiebt sich der Tagesplan entsprechend. Dann gilt Chaosmanagement.
Wie lange dauern dann Ihre Arbeitstage?
Eberli: 14 Stunden ist die Regel. Nachts kommt manchmal noch das Vorbereiten von Vorträgen dazu.
Und bei Ihnen, Herr Dzemali?
Dzemali: Bei mir ist es zeitlich ähnlich. Mir ist ebenfalls wichtig, akademisch und in der Forschung und Weiterbildung tätig zu sein. Weil ich in Jonen hinter der Waldegg wohne, habe ich in Randstunden lediglich 20 Minuten zur Arbeit.
Was machen Sie in der gewonnenen Zeit?
Dzemali: Ich gehe drei- bis viermal pro Woche joggen.
Kennen Sie Blerim Dzemaili, den Fussballer, der fast gleich heisst wie Sie?
Dzemali: Ja, sehr gut, wir kommen aus der gleichen Kleinstadt. Ich bin begeisterter Fussballfan.

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Vorschau: 30 Jahre Herzchirurgie im Triemli

Zum 30-jährigen Bestehen der Herzchirurgie im Stadtspital Triemli wird
fürs interessierte Publikum sehr viel geboten.

Am Samstag, 26. Januar, feiert das Stadtspital Triemli «30 Jahre Herzchirurgie». Dieser Tag steht ganz im Zeichen des wichtigsten Organs, des Herzes. Um 11 Uhr wird Andreas Hauri, Stadtrat und Vorsteher des Gesundheits- und Umweltdepartements, zusammen mit dem Spitaldirektor Waid und Triemli, André Zemp, den Anlass einläuten. Das Programm sorgt bei Gross und Klein für spannende Unterhaltung. Neben interessanten Vorträgen unter anderen über Herzinfarkt und Herzrhythmusstörungen, erfahren die Besucherinnen und Besucher in verschiedenen Podiumsdiskussionen Spannendes rund um öffentliche Spitäler und Patientengeschichten.

Blick hinter die Kulissen
Prof. Omer Dzemali, Chefarzt Klinik für Herzchirurgie, wird zwei Herz-operationen kommentieren und den Interessentinnen und Interessenten exklusive Einblicke rund um die Herzchirurgie gewähren. Die Besucherinnen und Besucher können in ein grosses begehbares Herz eintauchen und einen Ambulanzwagen und Rega-Helikopter besichtigen. Alle Interessentinnen und Interessenten haben zudem die Möglichkeit, ihre eigenen chirurgischen Fähigkeiten zu testen. (pd.)