Verdrängungskampf an zwei Fronten

Erstellt von Lorenz Steinmann |
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Bald wird das markante «Gnädinger-Haus» am Schaffhauserplatz abgerissen und neu gebaut. Die Bäckerei Buchmann will die Bäckereitradition weiterführen. Doch nun drängt auch die Bäckerei Hug aus Luzern an den Ort. Und der Kiosk bekommt Konkurrenz durch einen «Avec express»-Shop.

Der Schaffhauserplatz mit mehreren Tram­linien und einer Trolleybuslinie ist verkehrsgünstig gelegen. Zudem bietet er mit einem Migros, einem Coop Pronto und einem Kiosk (fast) alles für den täglichen Bedarf. Sozusagen als Flaggschiff vor Ort steht die Bäckerei Buchmann, welche den Laden im markanten, halbrunden Gebäude Anfang 2021 von der Familie Gnädinger übernommen hat. Sie verkauft ­frische Backwaren, Patisserie und Sandwiches.

Diese Einheit scheint nun ins Wanken zu geraten. Denn bald drängt die Bäckereikette Hug mit Hauptsitz in Luzern ebenfalls an den Schaffhauserplatz. Sie will an der Ecke Schaffhauser-/Rotbuchstrasse eine Filiale eröffnen. Geschäftsleiter Marcel Steger der Hug Retail AG in ­Luzern bestätigt, dass «der Schaffhauserplatz mit seinem Charakter als Quartierzentrum und als Knotenpunkt des öffentlichen Verkehrs seit langem auf unserer Zielliste steht». Steger ist überzeugt, «dass wir an diesem Standort vielen Menschen mit feinen Backwaren, gutem Kaffee und leckeren Snacks Freude machen». Die Bäckerei Hug betreibt mittlerweile 14 Filialen, davon sieben in Zürich, am Schaffhauserplatz solle eine achte hinzukommen. Zudem will man auch am Sonntag offen haben, wie Steger in Aussicht stellt.

«Nicht bekannt für faire Distanz»

Wenig Freude an diesen Expansionsplänen der Bäckerei Hug hat Yasmine Gnädinger von der gleichnamigen Bäckereidynastie. «Dass ausserkantonale Bäckereien nach Zürich drängen, ist kein neues Phänomen. Die Bäckerei Hug ist zudem bekannt dafür, dass sie die faire Distanz einer Tram- oder Busstation zu einer anderen Bäckerei nicht einhält.» Das Fazit von Gnädinger: «Viele wollen oder müssen sich dadurch preislich unterbieten und sparen dafür am Personal, wodurch die Qualität leidet.» Das sei schade und für die Menschheit sicher keine Bereicherung. Gnädinger fragt sich, ob es umwelttechnisch sinnvoll sei, «lokale» Bäckereiprodukte aus Luzern anzuliefern. Trotzdem sieht Gnädinger der Konkurrenz gelassen entgegen. «Viele waren der Meinung, wir müssten schliessen, als ein Starbucks an den Schaffhauserplatz zügelte. Klar haben wir Umsatz verloren, wurden aber auch wachgerüttelt und haben uns noch mehr angestrengt. Es hat funktioniert und genau das wird es auch bei der Bäckerei Buchmann», sagt Gnädinger.

Ab Dezember im Provisorium

Ähnlich sieht es Daniel Wehrli, Geschäftsführer der Walter Buchmann AG: «Ja, es wird sportlich werden am Schaffhauserplatz. Wir machen uns aber nicht so grosse Sorgen, weil wir von unserer handwerklichen Qualität und unserem zeitgemässen Angebot sehr überzeugt sind.» Walter Buchmann, aber auch das vegane Café Sprösslin, das ebenfalls zu Walter Buchmann gehöre, würden sich auch mit der neuen Konkurrenz am Schaffhauserplatz behaupten können, findet Wehrli. Aber was passiert denn während der Bauphase, wenn das «Gnädinger-Haus» nicht zur Verfügung steht? Wehrli: «Im Dezember werden wir das Provisorium beziehen neben der Post – wo bis vor kurzem die Apotheke ihr Provisorium hatte.» Man rechne mit einem Provisorium von ungefähr zwei Jahren. Das Angebot werde gleich bleiben wie heute mit breitem Take-away-Angebot von morgen früh bis Abend spät. Entgegentreten will Wehrli zudem einem Gerücht: «Unser Brot wird in unserer Manufaktur in Brüttisellen gebacken für alle unsere zwölf Filialen. Wir beliefern unsere Filialen zweimal täglich mit frischen Produkten.» Das Brot – wie auch alle anderen Produkte – wird laut Wehrli alle von Hand, ohne Maschine, mit regionalen und natürlichen Zutaten hergestellt. «Wir haben kein Aufbackbrot, kein Import, keine Industrieprodukte – wie es gerne behauptet wird», betont Wehrli.

«Avec express» gegen Kiosk

Neben dem «Bäckereizank» gibt es aber einen zweiten Verdrängungskampf. Die schweizweit tätige Kioskkonzern Valora will gleich neben der Bäckerei Hug schon im August einen Avec-Shop eröffnen. «Da das Baubewilligungsverfahren derzeit noch läuft, kann ich Ihnen lediglich bestätigen, dass Valora am Schaffhauserplatz in Zürich einen ‹Avec express› plant», sagt Mediensprecher Martin Zehnder zu dieser Zeitung. Der «Avec express» biete ein klassisches Convenience- und Snacking-Sortiment an, angereichert mit zusätzlichen Food-Modulen. Auch Tabak und Süssigkeiten seien im Angebot.

Kompensation Umsatzrückgang

Gemäss einem Artikel in der «Luzerner Zeitung» will Valora mit mehr Lebensmitteln und frischen Produkten die abnehmenden Umsätze mit dem Verkauf von Presseprodukten kompensieren.

Speziell ist, dass damit eine interne Konkurrenz zum schon Jahrzehnte bestehenden Kiosk neben dem «Gnädinger» geschaffen wird. Der einzige Unterschied: Jene Zweigstelle wird im Franchisesystem betrieben. Sprich: Die private Betreiberin muss das Geschäftsrisiko selber tragen.

Am Schaffhauserplatz bricht also bald ein Verdrängungskampf an (mindestens) zwei Fronten an. Wer überleben wird, ist noch offen.