Von dunklen Geheimnissen im tiefen Sihlwald

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Die Uraufführung des Krimis «Der Wolf im Sihlwald» des Stadtzürcher Autoren Stephan Pörtner überzeugt auf ganzer Linie. Die Aufführungen laufen noch bis Ende Juli.

Die diesjährigen Freilichtaufführungen des Turbine Theaters finden im Besucherzentrum in Sihlwald statt. Die Vorstellung von vergangenem Donnerstag war nicht nur die Premiere, sondern auch die Uraufführung des Krimis «Der Wolf im Sihlwald» vom Stadtzürcher Autor Stephan Pörtner. Es herrschte eine herrliche Sommertemperatur, und der fast volle Mond tat das Seine dazu, den Wald und den Tatort in ein mystisches Licht zu tauchen. Denn es geht in diesem Stück nicht nur um einen Mord, sondern auch um einen mysteriösen Felsbrocken, der wundersamerweise vom Himmel gefallen zu sein scheint und mitten auf einem Wanderweg am rechten Sihlufer landete. Tatsächlich wurde der Steinblock jedoch lediglich von einem Unwetter zutage gefördert. Dieses Ereignis wurde auf Facebook mystifiziert, was den Druiden-Clan mobilisierte. Die Anhänger sehen in diesem Stein einen keltischen Menhir. Andererseits sehen die Biker, die den Weg ebenfalls nutzen, den Steinblock als Hindernis, gewissermassen nur als einen Stein des Anstosses. Womit der Konflikt schon angelegt ist.

Grandios: «Tamisiech»-Peter Niklaus Steiner

Die Hauptrolle des Henry Kummer, freigestellter Wachtmeister, wird vom Schauspieler und Projektleiter Peter Niklaus Steiner «tamisiech» grandios (wie er sich öfters äussert) verkörpert. Er hat sich in seinem alten Wohnwagen auf einem Campingplatz verkrochen und lebt dort illegal, seit er wegen eines Schusses auf einen Räuber beurlaubt wurde. Ernähren tut er sich vorab von Bier und Kafi fertig, was seinem Privatleben auch nicht gerade dienlich ist. Sein soziales Umfeld beschränkt sich lediglich auf den Laub blasenden Campingplatzwart Franz Kobler (Bruno Kocher), der ihn mit Bier und Kafi mit Schuss versorgt und der Wildnispark-Rangerin Silvia Stolz (Patricia Pasquale). Heute bekommt er Besuch von seiner Tochter Daniela (Noémi Alexa Fiala), die ihn auf einen zivilisierteren Pfad zurückbringen will. Die trifft hier ihrerseits eine frühere Liebschaft, den Camper Rolf Bodmer (Matthias Ott) und etwas später Christoph Meister, der damals auch Camper war und mit dem sie ebenfalls amourös verwickelt war. Beide sind inzwischen mutiert: Rolf Bodmer wurde vom Camper zum Glamper (Glamping ist glamouröses Campen, eine Neuentdeckung der Outdoor-Industrie) und Christoph Meister zum Naturfreak und Dana-Clan-Mitglied. Bodmer campiert in einem aufgemotzten Wohnwagen und prescht auf dem Mountainbike durch den Wald. Dann erscheint hoch zu Ross, wie eine Erscheinung von einem anderen Stern, Rebecca Morange (Indiana Ballan), Druidin des Dana-Clans, und bringt ihrerseits eine erotische Komponente ins Spiel, indem sie um Kummer herumscharwänzelt, während sie ihre Rituale zelebriert. Dann ist von einem Wolf die Rede, der angeblich Schafe gerissen haben soll, was sich jedoch als Fake News herausstellt, denn es wurde ein geheimnisvoller Mann mit Wolfsmaske und -fell gesichtet, der Diebstähle in der Gegend verübt und anscheinend auch Schafe schlachtet.

Zeuge eines Mordes

Nun aber wird Kummer Zeuge des Mordes am Naturfreak Christoph Meister am Flussufer gegenüber, der anscheinend vom Wolfsmenschen und Survivalist Joze Kurtic (Nebojsa Markovic) erschlagen wird. Kummer, dem es zwar gelingt, Kurtic dingfest zu machen, ist nicht überzeugt, den gleichen Wolf von weitem gesehen zu haben. Hier kommt die Kommissarin Ute Beck (Ute Hoffmann), die Kummer als zweitrangigen Ermittler betrachtet und ihm nicht glaubt, ins Spiel. Wie sich herausstellt, hat natürlich Kriminalwachtmeister Kummer recht, doch «who has done it» soll hiermit nicht verraten werden. Die Auflösung ist viel profaner als erwartet, weder mystisch noch wölfisch, halt einfach menschlich. Die Geschichte basiert auf aktuellen Gegebenheiten im Wildpark, wobei der Autor keine direkte Stellung bezieht, was Gut und Böse ist. Das überlässt er den Zuschauern.

Konflikt zwischen den Nutzern
Der Autor dieser Geschichte Stephan Pörtner wurde 1965 in eine Schriftstellerfamilie in Zumikon geboren. Seine Schwester Milena Moser ist eine international bekannte Schriftstellerin. Er lebte während 22 Jahren im Langstrasse-Quartier. 1980 brach er die Schule ab und beteiligte sich aktiv an den Jugendunruhen in Zürich. Später gründete er eine Getränkehandelsfirma, die er jedoch nach ein paar Jahren verkaufte. 1996 absolvierte er die Dolmetscherschule. Er übersetzte Literatur und Comics aus dem Englischen, Spanischen und Französischen ins Deutsche. Sein erster Kriminalroman «Köbi der Held» erschien 1998, dem folgten vier weitere mit Jakob (Köbi) Robert als Privatermittler aus dem Kreis 4, der wie Pörtner der Alternativszene angehörte. Darauf folgten die Fortsetzungskrimis für das Tagblatt mit der Figur des Kommissars der Kantonspolizei Henry Kummer. Der letzte Köbi-Krimi ist noch in Arbeit. Anlässlich der Aufführung der Komödie «Polizeiruf 117» im Hechtplatz-Theater, die er zusammen mit Beat Schlatter schrieb, wurde er von Peter Niklaus Steiner, der das Stück gesehen hatte, angefragt, ob er für seine Produktion einen Krimi, auf den Sihlwald zugeschnitten, schreiben würde. Das Thema ist der Konflikt zwischen den Nutzern des Waldes. Die Frage stellte sich: Ist die Natur etwas Göttliches oder ein Werkzeug zum Benutzen? Die etwas überhöhte Auslegung ist der Bezug zu den Kelten, die effektiv im Sihlwald lebten. Die Antwort darauf: Der Wald gehört allen, vor allem jedoch sich selbst, also der Natur. (Jeannette Gerber)

Im Besucherzentrum Sihlwald (mit der Sihltalbahn gut erreichbar). Tickets: www.turbinetheater.ch; Kontakt: vorverkauf@turbinetheater.ch; Aufführungsdaten: jeweils Mi, Do, Fr, Sa, So 20 Uhr, bis So, 30. Juli.