Vor 800 Jahren mauerte sich Zürich ein

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Die spätmittelalterliche Befestigung sollte vor Angreifern schützen. Ab 1220 wurde Zürich deshalb zur Grossbaustelle. Doch schon vorher gab es Mauern.

Die spätmittelalterliche Befestigung sollte vor Angreifern schützen. Ab 1220 wurde Zürich deshalb zur Grossbaustelle. Doch schon vorher gab es Mauern.

Die Banner des grossen Habsburger Heers wehten vor den Mauern. 1292 belagerte Herzog Albrecht I. Zürich. Er wollte die Stadt wieder unter seine Herrschaft zwingen. Der Herzog rechnete sich gute Chancen aus. Zürich soll zuvor bei einem Kriegszug gegen Winterthur so viele Männer verloren haben, dass die Stadt nun beinahe schutzlos war.

In der Not entschlossen sich darum die Frauen, sich als Krieger zu verkleiden, und marschierten mit Spiessen bewaffnet auf den Lindenhof. Herzog Albrecht beobachtete dies von seinem Lager und glaubte, ein starkes Heer stünde zur Verteidigung der Stadt bereit. Die Belagerung wurde aufgehoben und Zürich verschont. So zumindest die Überlieferung des Mönchs und Chronisten Johannes von Winterthur.

Hätten keine Mauern die Stadt umgeben, wäre Zürich wohl von den Habsburgern erobert worden. Auch später bewährte sich die Befestigung, etwa als Herzog Albrecht II. Zürich gleich drei Mal belagerte. 1354 erhielt er gar von König Karl IV. mit einem Heer Unterstützung. «Zeitweilig sollen so 50 000 Mann vor Zürich gelegen haben», heisst es in der Schrift «Stadtmauern: Ein neues Bild der Stadtbefestigungen Zürichs» des Amts für Städtebau. Die gut ausgebaute Befestigung, aber auch diverse Spaltungen im Lager der Angreifer hätten eine Besetzung verhindert.

Es ging nur durch Tore in die Stadt
Zürichs spätmittelalterliche Stadtbefestigung war ein Grossprojekt des 13. Jahrhunderts. Schriftliche Quellen weisen ab den 1220er-Jahren auf eine rege Bautätigkeit hin. 2400 Meter lang, gegen 11 Meter hoch soll die Befestigung gewesen sein. 16 Türme gehörten dazu. Wo wichtige Landstrassen die Stadt erreichten, musste man grosse Haupttore passieren – das Niederdorf-, Neumarkt-, Oberdorf- und Rennwegtor. Zu den Haupttoren gehörte das Grendeltor, welches in der Limmat stand und als Durchgang für den Schiffsverkehr diente. Gemäss dem Buch «Stadt und Landmauern» bezeichnet der Begriff Grendel «Sperrbalken, die sich als Riegel an den Stadttoren befanden oder, durch Ketten zu bewegen, auf dem Wasser den Schiffen die Durchfahrt versperrten». Wachdienste waren Bürgerpflicht, es gab aber auch besoldete Wächter. Die Zünfte übernahmen zeitweise die Bewachung, in Kriegszeiten wurden Bewohner der umliegenden Dörfer einbezogen.

Die spätmittelalterliche Befestigung waren allerdings nicht die ersten Mauern, die Zürich umgaben. Die Forschung geht davon aus, dass schon der ursprüngliche Kern mit der burgähnlichen Palastanlage auf dem Lindenhof als Befestigung ausgebaut war. Im 11. oder 12. Jahrhundert wurde ein grösseres Gebiet ummauert – vielleicht die ganze damalige Stadt.

Die bekannte Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert war also nur ein massiver Ausbau. Heute ist von ihr kaum etwas übrig geblieben, im 19. Jahrhundert wurden Mauern und Türme abgerissen. Bereits mit dem Bau der Schanzenanlagen ab 1642 – die als dritte Stadtbefestigung bezeichnet wird – verloren die mittelalterlichen Mauern ihren eigentlichen Zweck zur Verteidigung. «Der barocke Schanzenring umschloss eine doppelt so grosse Fläche wie die mittelalterliche Kernstadt», heisst es in «Stadtmauern: Ein neues Bild der Stadtbefestigungen Zürichs».

Das Ende der Zürcher Stadtbefestigung kam mit der Schleifung der Schanzenanlagen 1833. Der Landbevölkerung war sie schon lange ein Dorn im Auge gewesen. Sie symbolisierte die Vormachtstellung der Stadt, da die Mauern nicht nur eine militärische Funktion hatten, sondern die städtische Autonomie repräsentierten. Kein Feind hatte also die Befestigung zum Fallen gebracht, sondern die eigene Bevölkerung. Erst durch ihren Abriss konnte sich die Stadt richtig ausbreiten. (pw.)