Wenn Design zu Raum wird

Erstellt von Lisa Maire |
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Das Museum für Gestaltung lädt zu einer Ausstellung der besonderen Art: «Total Space» besteht aus fünf Räumen, ­individuell gestaltet von fünf Designstudios und verbunden zu einem begehbaren Gesamtkunstwerk.

Corona-bedingt erweiterten seit einiger Zeit verstärkt virtuelle Formate das Museum im digitalen Raum. Doch mit seiner Ausstellung «Total Space» im Toni-Areal will das Kuratorenduo Damian Fopp und Matylda Krzykowski dem Publikum ganz reelle, physische Raumerlebnisse vermitteln. Für die Ausstellung wurden fünf Designstudios eingeladen, ihren eigenen «Total Space» zu entwerfen. Die Ausgangsfrage lautete dabei: Wie können die De­signerinnen und Designer ihre Arbeit so vermitteln, dass ein räumlicher Eindruck entsteht? Oder kurz: Wie kann Design zu Raum werden? Nach anderthalb Jahren der Auseinandersetzung und des Austausches sind nun fünf Projekte herangereift, die das Thema ganz unterschiedlich angehen.
Geplante Improvisation

So sind im Raum des Zürcher Duos Kueng Caputo eigene Arbeits- und Gestaltungsprozesse als eine Art Säulenwald thematisiert: Türmchen und Türme aus unterschiedlichen Materialien (darunter etwa auch aufeinandergestapelte Klebebandrollen) versinnbildlichen eine Arbeitsweise, die sich der «geplanten Improvisation» verschrieben hat. Dabei geht es ­darum, die Balance zu halten zwischen erster Idee, unerwarteten Entwicklungen und fertigem Entwurf. Im steten Austausch entstehen so neue Schnittstellen, Brücken zwischen individuellen Ideen. «Cosa pensi?» («Was meinst Du dazu?») heisst denn auch das Projekt der beiden Designerinnen.

Tanzende Wände

Das Duo Luftwerk aus Chicago wiederum nennt seinen Raum «Landschaft ist eine Komposition». Gestaltungsprozesse werden darin erlebbar als eine Art meditative Landschaft mit changierenden Farb- und Lichtstimmungen. Durch ein sehr eindrückliches Zusammenspiel von Farbe, Licht und geometrischen Mustern verändert sich die Wahrnehmung des Raums, der sich abwechselnd zusammenzuziehen oder zu erweitern scheint.

Noch einen Schritt weiter geht das Duo Soft Baroque aus London: In seinem Projekt «Dance Mix» geraten sogar die Wände ins Wanken. Nein, nicht die Museumswände, sondern jene eines Raums im Raum: Vier Seiten aus Netzen, im Innern ein paar Museumsobjekte, in den Ecken flexible dicke Stangen und darüber eine massive Decke, die das Ganze zusammenhält und gleichzeitig die Wände spektakulär kreisen und kippen lässt. Ihren tanzenden Raumwürfel sehen die Designer als Antwort auf den typischen weissen Ausstellungsraum im Museum: Sie möchten Dynamik, Bewegung und keinen starren «White Cube».

Das vierte Designstudio im Bunde, das Berliner Kollektiv Sucuk & Bratwurst, präsentiert unter dem Titel «Es war einmal ein Marienkäfer» ein nachtblaues Kinderzimmer mit übergrossen Plüschtieren. Die Objekte sind quasi Körper gewordene virtuelle Designs aus eigener Produktion. Mit dem surreal anmutenden Kinderzimmer weisen die vier visuellen Gestalter, Freunde seit ihrer Kindheit, auf ihre digitale Arbeitswelt hin, in der räumliche Massstäbe keine Rolle spielen.

Verspiegelte Illusion

Schliesslich lässt sich im Spiegelkabinett von Trix und Robert Haussmann die Illusion einer endlosen Raumerweiterung am eigenen Leib erfahren. Ihr Projekt «Octagon» (Achteck) gründet auf einer Handskizze von Leonardo da Vinci: Er hatte sich das Eintauchen in einen unendlichen Raum mithilfe von acht Spiegeln erdacht, die ihm aber zur Umsetzung der Idee fehlten. Das bekannte Zürcher Architekten- und Designerpaar, das die Phänomene der Raumveränderung durch Spiegel systematisch untersucht hat, verankert in seinem Projekt den Wunsch nach einer «Gesamtraumerfahrung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft».

Durchgänge und Durchblicke

In den fünf Raumwelten sprechen nur Farbe, Licht und Form zu den Besucherinnen und Besuchern. Ausstellungstexte und Hintergrundinformationen, die unter anderem den Begriff «Total Space» mit Beispielen aus Vergangenheit und Gegenwart veranschaulichen, finden sich in ­einem zentralen runden Raum. Dieser wiederum ist als Schnittstelle gestaltet: Von einem Podest aus reicht der Blick über Trennwände hinweg in benachbarte Räume. Sowohl hier wie auch in den Wänden zwischen den individuellen Welten gibt es zudem mehrere herausgesägte Öffnungen, durch die man hindurchsteigen oder -kriechen kann. Ganz im Sinne einer Ausstellung, die ein Gesamtkunstwerk sein will.

Museum für Gestaltung, Toni-Areal, Pfingstweidstrasse 96, 8005 Zürich. Ausstellung bis 20. Juni. Öffnungszeiten: Di–So 10–17 Uhr, Do 10–20 Uhr. www.museum-gestaltung.ch/besuch