Mit der Bündner Hochjagd beginnt Anfang September auch für Gastronomen im Unterland die Wildsaison. Doch lange nicht alles Wildfleisch stammt wirklich aus Schweizer Wäldern.
Kaum ist September, preisen Restaurants landauf, landab frisches Wildfleisch an. Die gastronomische Wildsaison richtet sich mehrheitlich nach der Hochjagd der Patentkantone, die zum Beispiel im Bündnerland Anfang September mit einer einwöchigen Pause in der Bettagswoche durchgeführt wird. Die Zürcher Revierjagd dauert dagegen viel länger. «Das Reh – ausser Rehgeissen mit Kitzen – zum Beispiel bejagen wir von Mai bis Ende Dezember», erklärt der Küsnachter Jäger und Umweltingenieur Simon Meier. Er ist Pächter von zwei Zürcher Jagdrevieren. Dass sich die gastronomische Wildsaison so stark auf den Herbst konzentriert, hängt gemäss Meier auch mit den traditionellen Beilagen zusammen, die im Herbst Saison haben. «Man könnte mit Wild aber eigentlich auch ganz gute Sommerspeisen zubereiten», meint er. Dies tun jedoch nur wenige: Das Restaurant Triangel in Zumikon gab auf Anfrage an, im Frühjahr auch sogenannte «Maiböcke» und danach «Sommerböcke» aus Zürcher Jagd auf der Speisekarte gehabt zu haben. «Das war sehr beliebt bei unseren Gästen», so Pächterin Sandra Tobler.
Nachfrage ist zu gross
Ansonsten bezeichnen auch die Gastronomen in der Region die Herbstmonate September bis November als Wildsaison. Dies führt dazu, dass die Nachfrage dann grösser ist als das Angebot. Dies bestätigen auch die Grossverteiler Migros und Coop. «Wir sind auf Importe angewiesen, der Anteil beträgt aktuell 94 Prozent», sagt Migros-Sprecherin Christine Gaillet. Dieses stamme aus Neuseeland, Österreich und Tschechien. In der Genossenschaft Migros Aare werde zusätzlich «Aus-der-Region»-Schweizer Damhirsch angeboten, welcher aus Zuchten von Schweizer Bauern komme. Etwa gleich klingt es bei Coop: In ausgewählten Verkaufsstellen führt der Grossverteiler Damhirsch aus lokalen Zuchtbetrieben. Der grösste Teil des Wildfleischs werde jedoch importiert. «Reh und Wildschwein und auch Teile des Hirschfleischs stammen bei uns aus Europa, beispielsweise aus Österreich, Slowenien, Ungarn, Tschechei. Der Rest des Hirschfleischs stammt aus Neuseeland», erklärt Coop-Sprecher Roman Gander. Neuseeländisches Hirschfleisch ist dann auch immer Fleisch aus Zuchthaltung, wie Mirco Nobili, führender Wildhändler aus Graubünden, bestätigt. Weil Hirsche Rudeltiere sind, können sie im Gegensatz zu Rehen gut gezüchtet werden – in der Schweiz ist diese Zucht aber mit sehr strengen Auflagen verbunden.
Nobili legt dann auch dar, wieso Schweizer Wildfleisch so rar ist: «Jäger behalten das gute Fleisch mehrheitlich selber oder geben es an Bekannte weiter.» Auf der Bündner Hochjagd werden rund 5500 Hirsche geschossen. Wenn Nobili als grösster Bündner Händler davon 300 kaufen könne, sei das schon sehr viel, erklärt der gelernte Metzger. Ins Unterland liefere er daher fast ausschliesslich Importfleisch aus Pacht- oder Revierjagden in Ungarn, Tschechien, Österreich, Polen, und Deutschland. Er geht davon aus dass «5 bis allerhöchstens 10 Prozent» des Wildfleischs, das auf Schweizer Tellern landet, aus der Schweiz stammt. Dass dieser Umstand etwas undurchsichtig sei, liege auch daran, dass Wild in der Gastronomie nicht deklarationspflichtig ist.
Für kurze Zeit heimisches Fleisch
Eine Umfrage bei Gastronomen aus der Region zeigt, dass trotzdem sehr viele Restaurants bemüht sind, Schweizer Wildfleisch anzubieten. Wie Catherine Julen Grüter vom Seehotel Sonne in Küsnacht sagt, sei es vor allem schwer, die sogenannten Edelstücke von Reh und Hirsch aus der Schweiz zu beschaffen, da diese sehr häufig konsumiert werden. Die «Sonne» führt daher Reh aus der Schweiz auf der Karte, beim Hirsch greift sie auf Fleisch aus Österreich zurück. Schweizer Wildfleisch bieten gemäss eigenen Angaben auch die «Frohe Aussicht» in Zumikon, der «Weinberg» und der «Falken» in Küsnacht und hin und wieder das «Rössli» in Erlenbach an. Doch oftmals nur für einen sehr kurzen Zeitraum und nur dank persönlichen Beziehungen zu Jägern oder Wildhütern. Und auch dann sei es «nur mit Glück und niemals in ausreichender Menge» zu beschaffen, erklärt Beni Fehr vom Erlenbacher «Rössli». Er setze daher auf Fleisch aus zertifizierten Zuchtbetrieben, meist stamme dies aus Österreich.
In der «Frohen Aussicht» in Zumikon kommt laut Inhaber Röbi Eugster ausschliesslich Schweizer Fleisch auf den Tisch, dafür nur im Monat Oktober. Der «Weinberg» in Küsnacht bietet «wenn immer möglich» heimisches Wildfleisch an. «Ab und zu kommt das Fleisch aus einer Zucht in Grüningen, sonst aus dem Bündnerland oder manchmal auch aus der Region Herrliberg», so Pächter Ruben Gordon. Er habe Rehrücken im September und Oktober auf der Speisekarte, eventuell auch noch im November. Hirschpfeffer wird je nach Verfügbarkeit mündlich angeboten.
Beim «Triangel» in Zumikon, der ab dem 27. September Wildgerichte auf der Karte führt, scheint man gute Beziehungen zu haben. Es sei nicht so schwierig, Schweizer Wildfleisch zu bekommen, meint Pächterin Tobler. Bei ihnen stamme das Fleisch von einem Bekannten aus Pfungen oder dann von Lieferanten, der ebenfalls Wild von Jagdbetrieben aus der Region liefern können. (aj.)