Das Klima hat sich schon immer verändert. Doch diesmal ist alles anders. Der Mensch ist bereits so zahlreich und mächtig, dass er in der Lage ist,
Prozesse von der gleichen Grössenordnung auszulösen, wie sie in der Natur vorkommen.
Wenn es eines gibt, auf das sich alle Seiten der Klimadebatte einigen können, dann ist es, dass sich das Klima in der Vergangenheit immer wieder verändert hat. Lange bevor die Menschheit die Erde bevölkerte, machte die Erde zahlreiche Warm- und Kaltzeiten durch. Unser Klima wird durch das Prinzip des «Strahlungsantriebs» bestimmt: Wird dem Klima Wärme zugeführt, steigen die globalen Temperaturen. Umgekehrt fallen die Temperaturen, wenn das Klimasystem Wärme verliert.
Natürliche Zyklen
Der Strahlungsantrieb wird durch eine Vielzahl natürlicher Faktoren verändert. Die wichtigsten sind Variationen der Erdbahnparameter, welcher eine Änderung der Sonneneinstrahlung bewirken, und Verschiebungen in kontinentalen tektonischen Platten. Diese Prozesse ereignen sich über Zehntausende bis Millionen von Jahren und rufen entsprechend langsame Klimaveränderungen hervor.
Änderungen in der Neigung der Erdachse bewirken beispielsweise einen 41 000-jährigen Zyklus, denn die Erdachse steht nicht senkrecht zur Erdbahn um die Sonne. Die Exzentrizität der Erdbahn – also der Abstand der Erde zur Sonne im Laufe eines Jahres – ist nicht konstant. Die Erdbahn verläuft elliptisch. Allerdings ändert sich diese Exzentrizität alle 100 000 Jahre schleichend: von einer Ellipse fast zu einem Kreis und wieder zu einer Ellipse. Dieser Prozess verändert jedoch den Strahlungshaushalt der Erde und hat somit einen wichtigen Einfluss auf die Temperatur auf unserem Planeten. Auch die Präzession (Kreiselbewegung der Erde) löst einen 23 000-jährigen Zyklus aus. Die Lage des nordhemisphärischen Sommers und des Winters wandert ebenfalls auf der Ellipse. Momentan ist die Erde im nordhemisphärischen Sommer auf der Umlaufbahn am Punkt mit der grössten Distanz zur Sonne.
In unserem Winter sind wir hingegen so nahe an der Sonne wie nie sonst im Jahr. In rund 11 000 Jahren wird es genau umgekehrt sein. Dann werden die Sommer auf der Nordhemisphäre noch heisser und die Winter kälter. Auch die Intensität der Sonne per se hat einen Einfluss auf unser Klima. Seit Millionen von Jahren ist die Sonnenstrahlung insgesamt recht konstant. Weitere natürliche Effekte sind Änderungen in Meeres- und Windmuster, welche vor allem für regionale Klimaveränderungen auf der Erde verantwortlich sind. So hatte sich Nordamerika und Europa nach einem Zusammenbruch des Golfstroms für eine längere Periode deutlich abgekühlt.
Der gleiche Prozess hatte hingegen Regionen auf der Südhalbkugel deutlich erwärmt. Auch Vulkanausbrüche oder Asteroideneinschläge können das Klima verändern. Nur sehr seltene Ereignisse sind von ausreichender Grösse, um das Weltklima für mehr als ein paar Jahre zu beeinflussen.
Treibhauseffekt
Eine zentrale Grösse für den Strahlungsantrieb der Erde sind die Treibhausgase wie CO2 oder Methan. Ohne sie gäbe es keinen Treibhauseffekt und auf unserer Erde wäre Leben bei einer durchschnittlichen Temperatur von –18 Grad nicht möglich. Die CO2-Konzentration war auch in der Erdgeschichte ein zentraler Treiber für Klimaveränderungen. Dabei zeigen CO2 und Temperatur einen positiven Rückkoppelungseffekt. Ein Temperaturanstieg (zum Beispiel ausgelöst durch eine Änderung der Erdbahnparameter) führt dazu, dass Ozeane und Böden weniger CO2 speichern und in die Atmosphäre freisetzen. Die dadurch höhere CO2-Konzentration bewirkt noch höhere Temperaturen auf der Erde und so weiter und so fort. Dies ist auch der Grund, weshalb bei den dokumentierten Eis- und Warmzeiten die Temperatur jeweils vor der CO2-Konzentration anstieg. Allerdings widerlegt das nicht, dass CO2 keinen Einfluss auf die Erdtemperatur hat – im Gegenteil.
Der Anthropozän
Das von der Natur freigesetzte Kohlendioxid aus Ozeanen, Böden und Vegetation ist im Gleichgewicht mit der natürlichen Speicherung. Diese Speicherung und wieder Freisetzung von Kohlendioxid aus Ozeanen, Böden und Vegetation an Land wird globaler Kohlenstoffkreislauf genannt. Die Emissionen durch Aktivitäten des Menschen entsprechen heute rund 5 Prozent am Kohlenstoffkreislauf. Das erscheint im ersten Blick als wenig, doch diese zusätzliche CO2-Quelle stört die natürliche Balance. Menschverursachte Emissionen sind verantwortlich für den beobachteten CO2-Anstieg in der Erdatmosphäre. Und die Konzentration ist aufgrund des Menschen aktuell schon so hoch wie noch nie in den letzten mindestens eine Million Jahren. Die Erdatmosphäre hat sich seit Beginn der Industrialisierung – der Beginn des zusätzlichen CO2-Eintrags in die Atmosphäre durch Verbrennung von Kohle, Öl und Gas – bereits um über ein Grad Celsius erwärmt.
Überall Hitzerekorde
Gerade eben erlebte Europa den heissesten Juni seit Messbeginn. Alaska steckt mitten im heissesten bisher beobachteten Jahr seit Messbeginn und erlebt die schlimmsten Wald- und Tundrabrände. Im Norden von Grönland wurde Mitte Juli mit 21 Grad ein neuer Wärmerekord registriert. Normalerweise ist es zu dieser Jahreszeit rund 3 Grad in dieser Region. Der Klimawandel zeigt sich nicht nur durch Hitzerekorde, sondern auch am stetigen Anstieg des Meeresspiegels (der war nie höher als heute), am Abschmelzen des Polareises – so wenig Meereis wie Mitte Juli 2019 wurde noch nie zu diesem Zeitpunkt im Jahr beobachtet – oder an der Versauerung der Ozeane.
Die Entwicklungsgeschichte des Menschen ist eng an die stabilen klimatischen Bedingungen des Holozäns gebunden. Mit dem aktuellen Klimawandel löst der Mensch Prozesse in der gleichen Grössenordnung aus, wie sie in der Natur vorkommen. Wir befinden uns aktuell deshalb nicht mehr im Holozän, sondern im Anthropozän – im Zeitalter des Menschen. Silvan Rosser