«Wir denken politisch, aber nicht parteipolitisch»

Erstellt von Manuela Moser |
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Der Küsnachter Gemeindepräsident Markus Ernst (FDP) hat sich im Anschluss an den politischen Abend den Fragen zur Opposition der Ortsparteien gegen die Vorlage «Sieben statt neun Gemeinderäte» gestellt. Er findet nicht, dass der Gemeinderat die Parteien ins Boot hätte holen sollen.

 

Herr Ernst, was sagen Sie zum Zusammenschluss der Parteien gegen die Vorlage des Gemeinderates, sein Gremium zu verkleinern? Das gab es meines Wissens noch nie.

Die meisten Parteien, die sich gegen die Vorlage stellen, sind kaum vertreten in den Behörden. Der aktuelle Zusammenschluss ist ein Zweckbündnis.

Der Auftritt der Parteien ist aber unübersehbar: mit einer eigenen Website, mit Flugblättern, mit der Präsenz in den sozialen Medien.

Zwei der Parteien sind immerhin nicht ­dabei und eine der beiden ist, was das Engagement in Behörden angeht, mit grossem Abstand die führende Partei. Die FDP übernimmt politische Verantwortung und unterstützt die Bestrebungen des Gemeinderates. Die CVP legt grösseres Gewicht auf die sachlichen Aspekte, während die an­deren Parteien stark parteipolitisch argumentiert.

Sie haben an der heutigen Präsentation ­betont, dass der Gemeinderat nicht die Interessen der Parteien vertrete.

Ja, wir sind ein politisches Organ, aber kein parteipolitisches. Es ist legitim und wichtig, dass der Gemeinderat die betrieblich-organisatorischen Belange stärker gewichtet als die parteipolitischen.

Dass die Verwaltung im gleichen Zug wie der Gemeinderat neu organisiert werden soll, leuchtet vielen trotzdem nicht ein.
Der Blick nach Zollikon zeigt, dass diese Gemeinde den Weg über eine neue Gemeindeordnung sucht. Hat Küsnacht diese Chance verpasst?

Nein, unsere Gemeindeordnung lässt diese Trennung von organisatorischem und ­strategischem Geschäft heute schon zu.
Die Frage ist nur, wie konsequent man es macht. Jeder Gemeinderat macht es in ­seinem Ressort individuell. Hier können wir alle noch konsequenter werden.

Bei sieben Gemeinderäten könnte der Druck steigen, eine Parlamentsgemeinde zu gründen. Ab 10 000 Einwohnern ist dies ja möglich.

Laut dem politischen Verständnis in Küsnacht glaube ich nicht, dass bei uns ein Parlament je ein Thema sein wird. Parlamente sind eine städtische Organisationsform, im Bezirk Meilen sind wir ländlich orientiert. Und so gibt es hier bei uns in keiner Gemeinde ein Parlament.

Und das wird so bleiben?

Ja, das würde nicht zu Küsnacht passen.

Sie argumentieren, dass im Kanton Zürich die meisten Gemeinden mit sieben oder sogar weniger  Gemeinderäten operieren. Man darf aber nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, so ein Argument der Gegner: Denn ­— macht man die Rechnung nur mit Versammlungsgemeinden über 12 000 Einwohnern  — so wie Küsnacht — dann bleiben nur noch zwölf Gemeinden übrig, und von denen haben mehr als die Hälfte neun Gemeinderäte.

Im Kanton Zürich gibt es 162 Gemeinden, wenn man die Auswahl so stark einschränkt, dass nur noch ein Dutzend übrig bleibt, finde ich den Vergleich schwierig. Die reine Einwohnerzahl sagt zudem noch nichts über die Komplexität der Aufgaben aus, die eine Gemeinde zu bewältigen hat.

Trotzdem: Man sollte keine Äpfel mit ­Birnen vergleichen.

Nicht jeder Vergleich, der einem nicht passt, ist ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Ein Blick in die Praxis zeigt, dass es zwar Gemeindepräsidenten mit Neunergremien gibt, die skeptisch gegenüber ­einer Verkleinerung sind, aber keinen ­Gemeindepräsidenten mit einem Siebnergremium, der Vorteile sieht, dieses auf neun zu erweitern. Das spricht doch für sich.

Schauen wir auf die Verwaltung. Die vage Ansage, dass eine Veränderung kommt, aber nicht welche, könnte Ängste beim Personal schüren. Bis zur Abstimmung dauert es noch einen Monat, bis zur Umsetzung auf die neue Legislatur noch bis 1. Juli 2022. Ist das gut für die Stimmung?

Eine Reorganisation ist sicher etwas, das bei einigen Menschen eine Verunsicherung hervorrufen kann. Aber die Mitarbeitenden sind sich auch bewusst, dass sich die Gemeindeverwaltung als Organisation laufend entwickeln muss. Dazu kommt, dass die meisten Mitarbeitenden gar nicht betroffen sein werden. Schliesslich gab es bereits mit der Einführung der Einheitsgemeinde einschneidende Massnahmen für einen kleinen Teil des Personals. Diese Umsetzung lief dank guter Vorbereitung und Kommunikation reibungslos.

Damals gab es keinen Stellenabbau, und dieses Mal?

Es wird auch dieses Mal keine Entlassungen geben.

Stichwort Belastung. Fürchten Sie, dass es nur noch Pensionäre fürs Milizamt gibt?

Schaut man die Realität an, stimmt dieses Argument einfach nicht. Nach Aussagen meiner Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat und meinen eigenen Erfahrungen lässt sich das Pensum bewältigen. Insbesondere dann, wenn wir uns – wie mit der Reform angestrebt – eben konsequent auf die politische und strategische Führung konzentrieren.

Kommen wir noch zur Kritik, die scheinbar über den Sachargumenten steht: der Führungsstil. Ich nenne das Stichwort Kommandozentrale Markus Ernst.

Da spielt eine Einzelperson mangels sach­licher Argumente offenbar auf meine militärische Funktion an, ich bin ja überzeugter Milizoffizier. Abgesehen davon: dass ein Gemeindepräsident eine Führungsaufgabe hat, liegt in der Natur der Sache. Der Gemeinderat ist aber letztlich eine Kollegialbehörde, die einstimmig beziehungsweise nach dem Mehrheitsprinzip ent­scheidet. Es ist deshalb auch der Gesamtgemeinderat, der beschlossen hat, diese Vorlage der Bevölkerung vorzulegen.

Im Nachhinein: Hätten Sie die Parteien doch mit ins Boot holen sollen?

Ich denke, dass es legitim ist, dass der Gemeinderat auch ohne vorgängige «Bewilligung» durch die Parteien die Vorlage der Bevölkerung zur Abstimmung vorzulegen.

Treten Sie bei den Gemeinderatswahlen im nächsten Mai wieder an?

Das ist noch nicht entschieden. Unabhängig davon: Hätten wir als Gemeinderäte eine elegante Wiederwahl im Fokus gehabt, hätten wir diese Vorlage nicht gebracht. Je weniger sich ein Politiker exponiert, desto eher wird er wiedergewählt. Uns geht es mit dieser Vorlage ausschliesslich darum, die Gemeinde weiterzubringen.