«Wir machen das Promitheater nicht mit»

Erstellt von Lorenz Steinmann |
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Gleich zwei musikalische Höhepunkte stehen bald in Adliswil und in Zürich-Enge an. Zeit für eines der raren Gespräche mit der Sängerin und Comédienne Dodo Hug und ihrem Ehemann und musikalischen Weggefährten, Efisio Contini.

Dodo Hug wohnt mit ihrem Ehemann Efisio Contini im Waffenplatz-Quartier. In einer grossen 4-Zimmer-Wohnung voller Bilder, Instrumente, Konzertplakate. Erinnerungen, die sich nur kumulieren können, wenn man wie Dodo Hug schon über 40 Jahre hier zu Hause ist. Im Treppenhaus des 1883 erbauten Mietshauses hängt zudem das Plakat einer früheren Dodo-Ausstellung im Zoologischen Museum. Dodo? Museum? Dodo ist eben nicht nur Synonym für eine der unbestritten ganz Grossen der Schweizer Musikszene. Es ist auch ein flugunfähiger Vogel, der früher auf Mauritius lebte und längst ausgestorben ist. Dodo Hug lacht und weiss grad eine Geschichte. Etwa jene des Musikers Dodo, der vor Jahren durch eine TV-Reality-Show eine gewisse Berühmtheit erlangte und seither in der Schweiz als Reggae-Musiker herumtingelt. Efisio Contini ergänzt, dass mal an einem Konzert untypisch viele Zuhörer im Rastalook dabei waren. «Sie skandierten nach dem dritten Lied Dodo und meinten, nun komme dann ‹ihr› Dodo auf die Bühne.» Immerhin blieben die Fans auch am «falschen» Konzert bis zum Schluss, erzählen die beiden schmunzelnd. Dodo Hug und Efisio Contini sind definitiv bescheiden, aber dafür von hochpolitischer Denkart.

Anklagend, protestierend
Eines ihrer Duo-Programme – «SORRISO CLANDESTINO» – beinhaltet durchaus anklagende, protestierende, aber auch hoffnungsvolle Arbeiterlieder. Es geht um Ausbeutung, Arbeitslosigkeit, Kinderarbeit und Migration. Beeinflusst ist das Programm auch von Continis Herkunft. Der Grossvater des gebürtigen Sarden (Sardinien ist eine zu Italien gehörende Insel im Mittelmeer) immigrierte in die Schweiz und kehrte nach dem Ersten Weltkrieg nach Italien zurück.
Die Melancholie, die Wehmut, der Trotz, sie sind Teil von Dodo Hug, neben der sprudelnden, euphorischen Ausdrucksweise, die auch im eben begonnenen AHV-Alter nichts an Kraft und Spannung verloren hat. «Meine Eltern waren Berner, der Vater war Musiker, sie trennten sich, als ich 1-jährig war! Danach kam ich erst zur Grossmutter nach Steffisburg im Kanton Bern, und wuchs später in vier Kantonen auf, in Bern, Zürich, Schwyz und Neuenburg.» Ihre erste Sprache ist der wunderbare Berner Dialekt, der sich für Erfolgshits wie «Dr Ätti» ideal eignete. Geredet wird heute in der kleinen, heimeligen Küche aber breitestes
Züritüütsch. Efisio wiederum könnte aus dem Centovalli kommen, auch wenn er bei Bedarf auf perfektes Bühnenhochdeutsch wechseln kann. Etwa wenn er lusche Konzertveranstalter nachäfft, die völlig überrissene Spesen für nicht gewünschte Backstage-Verpflegung verrechnen wollen.

Seit 1993 ein Paar
Dabei ist Efisio Contini eher zufällig in der Schweiz hängengeblieben. Er war als Musiker auf dem Weg von Sardinien nach England, liess sich in der Ostschweiz nieder und übersiedelte später nach Zürich. Die Huginis, wie sich Dodo und Efisio privat nennen, lernten sich in der Musikszene kennen und lieben. Seit 1993 sind sie ein Paar und wohnen hier im Enge-Quartier. Sie stehen seither gemeinsam auf der Bühne, in der Schweiz und im benachbarten Ausland. Zusammen produzierten sie auch die meisten von Dodos 13 Soloalben. Sie spielen mal im Duo mal mit Dodo Hug & Band. Seit Herbst 2014 sind sie unterwegs mit «VIELSITTICH» zum 40-Jahr-Bühnenjubiläum von Dodo Hug. Derniere ist – ausgerechnet – nächsten Samstag in Adliswil. Das neue Bandprogramm heisst «COSMOPOLITANA – eine Ode an die Vielfalt». Premiere ist im Januar 2018.

Freunde, keine Promis
Doch warum ist es um Dodo Hug trotz hoher Bühnenpräsenz eher ruhig geworden? «Ein Grund ist sicher, dass wir das ganze Promitheater nicht mitmachen», sagt Dodo Hug bestimmt. Zu den Programmpremieren werden Freunde eingeladen, nicht aber die üblichen verdächtigen Promis, wie das heutzutage Standard sei. «So holen dann Journalisten lieber das ‹Aah› und ‹Ooh› der anwesenden Promis ab, als sich mit dem Programm zu beschäftigen», urteilt Dodo Hug frei von jedem Groll. Auch dass sie wegen politischer Inhalte spürbar weniger gebucht wird, ist ihr klar und bewusst. Bewusst darum, weil Dodo Hug und Efisio Contini so sein wollen, wie sie sind. Ihr Repertoire ist wunderbar breit und eigenständig , mehrsprachig, zeitlos und qualitativ hochstehend. Dass im Schweizer Fernsehen dafür kein Platz mehr ist, hat Dodo Hug abgehakt. Im Gegenteil betont sie, wie wichtig auch beim heutigen SRF-Angebot ein Nein zur No-Billag-Initiative sei.
Um irgendwie durchzukommen, ist sie seit Kurzem Mitglied beim Verband professioneller Sprecher. Zudem ist sie seit Neustem Musiklehrerin für Liedbegleitung und Stimmcoaching bei Musik Hug. Hatte sie nie Lust darauf, bei «Musicstar» oder ähnlichen Sendegefässen als Jurymitglied mitzumachen? «Indirekt fragte man mich auch schon an, aber ich mache Kritik lieber hinter den Kulissen als vor Publikum», so Hug.
Tatsächlich hat Hug auch eine ruhige, tiefgründige Seite. Diese kommt sicher am bevorstehenden Adventskonzert zum Tragen, einem «unheiligen», aber besinnlichen Abend am Mittwoch, 6. Dezember, im Kirchgemeindehaus Enge. Unheilig? «Ich bin durchaus gläubig, gehe aber selten in einen Gottesdienst», erklärt Hug. Dass das Konzert im Kirchgemeindehaus und nicht in der Kirche Enge stattfindet, hat einen ganz profanen Grund. Die Akustik für den Sprechteil ist dort besser.

«Schneebälle im Briefkasten» ...
... heisst das Programm. «Der Titel soll augenzwinkernd auch an Jugendstreiche erinnern», lacht Dodo Hug. Doch der Abend soll auch ein Seelenwärmer werden. Dazu passt die Erzählung «A Child’s Christmas in Wales» von Dylan Thomas in der deutschen Übersetzung von Hans Peter Treichler, gelesen, gekrächzt und gemurmelt von Dodo Hug und Hans Ruchti, bestens. Dazu gibt es adventszeitliche A-Cappella-Songs und Balladen aus ganz Europa, natürlich gesungen von Dodo Hug und ihrem Ensemble. Schon lange war es der Wunsch von Dodo Hug, einen vorweihnachtlichen Abend zu gestalten. Darauf besann sie sich auf «A Child’s Christmas in Wales» von Dylan Thomas. Mit diesen Lausbubengeschichten trat sie einst mit Hans Peter Treichler, damals noch Barde und Liedermacher, heute Autor und Kulturhistoriker, an Weihnachtsfeiern auf. Somit war die Idee geboren, und einer Verwebung von Story und Musik stand nichts mehr im Weg.
Eine Info am Rand: Bob Dylan liess sich von Dylan Thomas so sehr inspirieren, dass er sich fortan Bob Dylan anstatt Robert Alan Zimmerman nannte ...

Derniere am Samstag in Adliswil
Übrigens: Wem «Schneebälle im Briefkasten» zu «adventig» ist, oder wer wegen des Samichlauses am gleichen Tag nicht dabei sein kann am 6. Dezember, kann Dodo Hug & Band am nächsten Samstag in der Adliswiler Kulturschachtle live erleben – es ist die Derniere von «VIELSITTICH». (ls.)

Adliswil, Kulturschachtle, Samstag, 25. November, 20.30 Uhr (mit Vorband): Derniere des Programms «chvielsittich», das Programm zum 40-Jahr-Bühnenjubiläum, www.kulturschachtle.ch

Zürich-Enge, Mittwoch, 6. Dezember, Kirchgemeindehaus, Beginn um 19.30 Uhr; Vorverkauf und Infos: mgumpfer@enge.ch. Markus Gumpfer, Brandschenkestr. 76, 8002 Zürich.