Der Verband Schweizerischer Jüdischer Fürsorge mit Sitz im Kreis 2 unterstützt geflüchtete Menschen. Und er organisiert Haushalthilfen, bastelt mit Asylbewerbern Drachen und hat in Zeiten von Corona eine 24-stündige Helpline eingerichtet.
Dem Wohltätigkeitsgebot, hebräisch Zedeka, sind alle Jüdinnen und Juden gleichermassen verpflichtet. Es bedeutet, dass sie die Pflicht haben, das, was ihnen Gott anvertraut hat, zu teilen. Der Verband Schweizerischer Jüdischer Fürsorge VSJF und der Schweizerische Israelitische Gemeindebund SIG treten für diesen Grundsatz ein. Der VSJF ist die soziale Organisation der jüdischen Gemeinden in der Schweiz. Er verfügt über einen Sozialdienst, der jüdischen Menschen Hilfe anbietet.
Professionalität nötig
Die Freiwilligen-Organisation des VSJF entstand aus dem Verband der jüdischen Armenpflege, die seit 1908 hilfsbedürftige Familien im Land sowie Durchziehende und Zuwanderer aus Osteuropa unterstützte. Seit dem Zweiten Weltkrieg kamen Flüchtlinge und Holocaust-Überlebende in die Schweiz. «Alle Beteiligten arbeiteten ehrenamtlich, doch nur mit professioneller Arbeit lässt sich ein so intensives soziales Engagement leisten», meint Gabrielle Rosenstein, seit zwölf Jahren Präsidentin des Verbandes. Sie war Lehrerin der Sek. 2 und bereits vor ihrer Pensionierung zu 50 Prozent für den Verband als Freiwillige tätig, heute sind es drei bis vier Vormittage pro Woche.
Seit 2000 Jahren sahen sich die Juden immer von irgendwo auf der Welt zur Migration gezwungen. Daher lag der Grundgedanke einer solchen Organisation nahe. «Während des Zweiten Weltkriegs konnten viele jüdische Flüchtlinge – auch dank schweizerischer Hilfswerke – eine neue Heimat finden. Das sollte einmal erwähnt werden», findet Gabrielle Rosenstein. «Damals ist ein Teil der Geflohenen in der Schweiz geblieben.» Seitdem ist der Verband ein vom Bund anerkanntes Hilfswerk und Mitglied der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. In dieser Funktion unterstützt die Organisation geflüchtete Menschen, unabhängig von Nationalität und Religion. Im schweizerischen Asylverfahren steht sie den Bewerbern beratend bei und klärt sie über ihre Rechte und Pflichten auf. Für minderjährige Asylbewerber werden während der Schulferien Aktivitäten mit freiwilligen Begleitern organisiert wie Besuche des Tierparks Langenberg, Drachen basteln oder Minigolf spielen.
Der Sozialdienst des VSJF berät und betreut momentan 83 in der Schweiz wohnhafte Holocaust-Überlebende. Eran Simchi ist Leiter des Sozialdienstes und besucht diese Menschen in der ganzen Schweiz. Der deutsche Staat bezahlt den Betroffenen weltweit eine Wiedergutmachung, die jeweils beantragt und Beweise für den Anspruch erbracht werden müssen. Auch für diese Anträge setzt sich der VSJF ein und hilft bei der Bearbeitung. Zuerst werden die ältesten Menschen entschädigt. Letztes Jahr meldete sich wohl die letzte Gruppe, die diese Ansprüche stellte, da es sich voraussichtlich um die letzten noch lebenden Holocaust-Betroffenen handelt. Jede jüdische Gemeinde in der Schweiz unterstützt den VSJF mit einem gewissen Betrag, um den Betroffenen zu helfen.
Während des Lockdowns war der persönliche Kontakt zu den Holocaust-Überlebenden stark eingeschränkt. «Für diese Menschen war diese Isolation eine grosse Herausforderung. Älteren Menschen fehlt es unter normalen Verhältnissen schon an sozialen Kontakten, und da waren sie quasi vom Rest der Welt abgeschnitten. Zum Glück sind nun die Hausbesuche unter Einhaltung der Corona-Schutzmassnahmen wieder gestattet», freut sich Eran Simchi.
Die Sozialdienste der jüdischen Gemeinden und VSJF sind wichtige Anlaufstellen für Menschen, die Unterstützung in ihrem Alltag brauchen. Sie organisieren unter anderem die Betreuung durch Haushalthilfen oder durch die Spitex. Auch Umzüge ins Altersheim oder in altersgeeignete Wohnungen werden von ihnen arrangiert. Da sich zu Zeiten von Corona viele Leute vermehrt einsam fühlen, hat der VSJF eine 24-stündige Helpline eingerichtet, die moralisch und psychologisch Hilfe anbietet. Ausserdem findet im Sitz an der Dreikönigstrasse vierzehntäglich ein Senioren-Foyer statt, wo sich hauptsächlich Menschen aus Osteuropa treffen, um ihre kulturellen Traditionen zu pflegen. Dieses Haus war übrigens ein Geschenk des Kunstsammlers Georg Guggenheim (1897–1987).
VSJF, Dreikönigstrasse 49, 8002 Zürich,
Tel. 044 206 30 60
Mo–Do 08.30–12 und 13.30–17 Uhr.
www.vsjf.ch