Markus Bosshard lacht breit, als er zum Rundgang in der Werkstätte begrüsst. Der Leiter der Lehrwerkstätte für Möbelschreiner in Zürich (LWZ) hat allen Grund zum Feiern: Wie das «Regionaljournal» berichtete, ist eine Lösung für den Fortbestand des Betriebs in Sicht. Eine Projektgruppe des Schreinermeisterverbands Kanton Zürich hat einen Businessplan erarbeitet. Bis September soll eine Genossenschaft gegründet werden, die im Sommer 2018 die Trägerschaft des Betriebs übernimmt. Dabei sah die Zukunft lange Zeit düster aus. Der Kantonsrat beschloss 2016, seinen jährlichen Beitrag an die Lehrwerkstätte zu streichen und damit den Betrieb 2021 endgültig zu schliessen. Mit der Übernahme durch die Genossenschaft sollen die 44 Lehrstellen erhalten bleiben.
Dies stellt die Verantwortlichen vor einige Herausforderungen, wie Bosshard erklärt: «Jetzt müssen wir Leute suchen für den Verwaltungsrat und Statuten erstellen.» Momentan herrscht aber riesige Freude, dass die LWZ gerettet werden konnte. Bosshard: «Sie ist wie ein Kind von mir, diese Lehrwerkstätte.»
Für die bisherigen Lernenden ändert sich mit der neuen Führung nichts, sie können wie geplant ihre Lehre abschliessen. Dank einer Fristerstreckung des Kantons können auch dieses Jahr wieder zehn Lehrlinge aufgenommen werden, diese machen jedoch die Lehre nach dem neuen Konzept. Vorgesehen ist eine zweijährige Grundausbildung in der LWZ, ab dem dritten Lehrjahr werden die Jugendlichen an Partnerfirmen «ausgeliehen», führt Bosshard aus. Dies nütze allen Beteiligten: Die angehenden Schreiner erhalten wertvolle Praxiserfahrung, während die Partnerbetriebe selbst keine Ausbildung anbieten müssen und trotzdem ihre Produktionsspitzen abdecken können. Man sehe die Lehrwerkstätte nicht als Konkurrenz, sondern sie arbeite mit und für andere Schreiner.
Eine Million fehlt
Letztes Jahr wurden die Schreiner von verschiedensten Personen moralisch und politisch unterstützt. Vor allem der LWZ-Verein und viele Ehemalige haben sich stark für die Erhaltung des Betriebs eingesetzt. Jetzt hofft die Lehrwerkstätte auf finanzielle Hilfe. Bosshard spricht von Fixkosten, die sich nicht plötzlich halbieren lassen: «Wir müssen noch rund eine Million Franken auftreiben.» Dafür werde sich die Genossenschaft für einen Beitrag aus dem Lotteriefonds bewerben, was jedoch erst möglich ist, wenn sie gegründet ist. Ebenso sind private Sponsoren und Gönner gesucht.
Grundstein legen für Jugendliche
Bosshard betont, dass in der LWZ der Mensch im Zentrum steht. Die Motivation und Eignung eines jungen Menschen für den Schreinerberuf sei viel wichtiger als Zeugnisse. Am meisten freut den LWZ-Leiter, wenn die Lernenden Erfolge feiern können, egal auf welcher Höhe. Stolz erzählt er von Kundenrückmeldungen, dass die Lehrlinge mit so viel Freude bei der Arbeit sind: «Viele Kunden sind fasziniert, dass so junge Leute schon so viel können.»
Einer dieser jungen Erwachsenen ist Mattia Ferrari. Seine Lehre hat er schon fast abgeschlossen, er ist zurzeit im vierten Lehrjahr. Selbstsicher führt er durch die Räumlichkeiten der Lehrwerkstätte und erklärt die verschiedenen Maschinen. Zwischendurch packt er ein Stück Holz und demonstriert die Arbeitsabläufe. Der Kunde darf jederzeit seine Wünsche einbringen: «Wir waren auch schon mit Kunden im Wald und haben Holz ausgesucht», verrät Mattia.
Die Lehrwerkstätte für Möbelschreiner kann dank ihrer Grösse eine vollumfängliche Ausbildung anbieten. Bosshard: «Kleineren Betrieben fehlt oft die Zeit und Kapazität, um Lehrlinge von Grund auf auszubilden.» Mattia zeigt, wie dies in der LWZ funktioniert: Im obersten Stock üben die Lernenden im ersten Lehrjahr alle Grundlagen, die sie für ihren Beruf benötigen. Gemäss Bosshard übten viele Lehrabgänger im späteren Berufsleben eine Kaderfunktion aus, da sie von der vielseitigen Ausbildung an der LWZ profitieren könnten. Er ergänzt, dass früher viele Lehrwerkstätten von Handwerkern gegründet worden seien und der Staat diese finanziell unterstützt habe. Mit den aktuellen Sparmassnahmen sei dies leider nicht mehr möglich.
Seine Aufgabe sieht Bosshard darin, den jungen Leuten «in dieser kurzen Phase des Lebens etwas mitgeben zu können, fachlich und auch persönlich.» Die LWZ lege sozusagen einen Grundstein für die Zukunft der Jugendlichen. Zuerst wird nun aber der Grundstein für die neue Genossenschaft gelegt. Bosshard ist trotz Herausforderungen sehr optimistisch, dass es zu einem erfreulichen Resultat kommt. (Franziska Jud: Foto: Franziska Jud)